Krefeld "Entartete Kunst" - Großer Verlust für Krefeld

Krefeld · Große Meisterwerke hat das Museum verloren. Wie populär die Moderne Kunst damals war, zeigte die Münchner Ausstellung von 1937.

Einige der Bilder, die die Nazis in Krefeld konfiszierten
8 Bilder

Einige der Bilder, die die Nazis in Krefeld konfiszierten

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Als schweren Verlust bezeichnet Museumsdirektor Martin Hentschel die Beschlagnahmung von 98 Kunstwerken der Moderne aus dem Kaiser-Wilhelm-Museum durch die Nationalsozialisten ab 1937. "Darunter sind große Meisterwerke hochrangiger Künstler." Zum Beispiel Feininger, Kokoschka, Corinth. Diese Lücke konnte nie wieder gefüllt werden.

Rechtsamt prüft, ob Krefeld Werke zurückbekommen kann

Wie unsere Zeitung exklusiv berichtete, hat das Londoner "Victoria and Albert Museum" jetzt die komplette Liste der mehr as 20.000 von den Nazis als "entartete Kunst" konfiszierten Werke veröffentlicht, und damit gibt es Spuren zu etlichen verschollenen Bildern. Das zweibändige Verzeichnis stammt aus dem Nachlass des Kunsthändlers Harry Fischer. Der zweite Band mit dem Buchstaben G bis Z, der auch die Krefelder Werke beinhaltet, galt lange als verloren. Jetzt lassen sich einige Spuren finden.

Ob Krefeld Werke zurückbekommen kann, ist ein höchst komplexes Thema, dem sich Juristen seit Jahrzehnten widmen. Hitler hat die Museen seinerzeit per Gesetz enteignet. Das Krefelder Rechtsamt setzt sich jetzt mit dem Thema auseinander, hieß es am Mittwoch auf Anfrage unserer Zeitung.

Die komplette Liste der Bilder, die die Nazis in Krefeld raubten
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Foto: Stiftung Moritzburg - Kunstmuseum des Landes

Mehr als zwei Millionen Besucher wollten konfiszierte Werke sehen

Welche Zugkraft die Künstler der von den Nazis verfemten Avantgarde hatten, zeigte die Ausstellung "Entartete Kunst", die am 19. Juli 1937 in München eröffnet wurde: Mehr als zwei Millionen Besucher kamen, um 650 konfiszierte Werke aus 32 Museen zu betrachten. Hitlers' und Goebbels' Kalkül, die Künstler der Moderne als geisteskrank und lächerlich vorzuführen, ging nicht auf — die zeitgleiche, offiziell gefeierte "Große Deutsche Kunstausstellung" interessierte nur 420.000 Besucher.

Auch Werke, die eine Kommission mit einer von Goebbels unterschriebenen Vollmacht am 6. Juni 1937 am Karlsplatz mitgenommen hatte, waren Teil der "Entartet"-Schau. Bis 1941 ging sie als Wanderausstellung unter anderem nach Berlin, Leipzig, Düsseldorf, Hamburg, Frankfurt, Wien und Salzburg.

Um Geld einzubringen, war den Nazis die Kunst gut genug

Die beschlagnahmte Kunst lagerte in Depots in Berlin und im Schloss Niederschönhausen. Ein Gesetz vom 31. Mai 1938 legitimierte die Enteignung der Museen nachträglich. Doch Devisen sollte die Kunst bringen: Göring wollte den Verkauf im Ausland. Offizielle Quellen geben an, dass 1004 Gemälde und 3825 Grafiken allein am 20. März 1939 an der Berliner Hauptfeuerwache verbrannt wurden.

Ein Teil der konfiszierten Bilder wurde bei einer großen Auktion in Luzern in der politisch neutralen und finanzkräftigen Schweiz versteigert. Was keinen Abnehmer fand, wurde vernichtet. Was einen Käufer fand, verliert seine Spur oft in privaten Tresoren.

Ein Kunsthistoriker inventarisierte mehr als 16.000 Kunstwerke

Daher ist die Inventarliste so entscheidend: Sie zeigt an, ob die Bilder verkauft, getauscht, in Kommission genommen oder vernichtet wurden. Und oft gibt es auch Verweise über die Kunsthändler. Erstellt hat sie der Kunsthistoriker Rolf Hetsch in unvorstellbarer Fleißarbeit: Er koordinierte im Propagandaministerium die "Verwertung der Entarteten Kunst". 1941/42 inventarisierte er 16.558 konfiszierte Arbeiten.

Ohne digitale Möglichkeiten war das ein erstaunliches Pensum, entsprechend flüchtig sind manche Posten aufgeführt. Grafiken sind oft nur als Mappen aufgelistet, für die Hanseatische Hochschule in Hamburg ist beispielsweise ein Posten lapidar bezeichnet als "7 Kilo Zeichnungen und Klebearbeiten".

(RP)
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