Krefeld Emil – ein unterhaltsamer Lügenbaron

Krefeld · Im ausverkauften Podio-Theater sinnierte Emil Steinberger über Autobahnschilder und die deutsche Sprache.

 Auch mit 80 Jahren hat Emil Steinberger sein Publikum fest im Griff. Im Podio erzählte der Kult-Schweizer seine wahren Lügengeschichten und erklärte, das seine Landsleute nicht langsam seien: "Wir genießen nur länger."

Auch mit 80 Jahren hat Emil Steinberger sein Publikum fest im Griff. Im Podio erzählte der Kult-Schweizer seine wahren Lügengeschichten und erklärte, das seine Landsleute nicht langsam seien: "Wir genießen nur länger."

Foto: l. strücken

Spitzbübisch blickt Emil Steinberger ins Publikum, dann hebt er wie zum Schwur drei Finger der rechten Hand in die Höhe. Bei dieser Geste wissen die Zuhörer im ausverkauften Krefelder Wohnzimmertheater Podio: Die Geschichte, die Emil gerade erzählt hat, ist wahr, hat sich genau so zugetragen. Obwohl manche seiner "wahren Lügengeschichten", die der Schweizer Kabarettist zum Besten gibt, fast zu schön sind, um wahr zu sein. Das Publikum liebt den subtilen Humor und den pointierten Witz des inzwischen 80-Jährigen und geht begeistert mit.

Emil sitzt an einem einfachen Holztisch auf der Bühne, liest und erzählt, und sucht immer Blickkontakt zum Publikum. Zwischendurch verliert er sich in kleinen Sketchen — wie dem über den Vater von Fünflingen: Der erkundigt sich nach seinem Neugeborenen — und sackt mit jedem Kind, das die Schwester aufzählt, tiefer in sich zusammen. Da kam der "alte" Emil aus der Frühzeit zum Vorschein. Wer Steinberger erlebt, kann nicht glauben, dass dieser Mann bereits 1933 in Luzern geboren worden ist.

Zu Beginn schildert der Kultschweizer in seinem für Deutsche entschlackten "Dütsch", wie der in seiner Heimat dem schnellen Autofahren Entwöhnte auf der deutschen Autobahn seine Pferdestärken freilässt: "Als Schweizer muss man ganz langsam beginnen, schnell zu fahren. Die Schilder kommen immer schneller auf einen zu. Lesen geht ja. Aber entscheiden?" Die Schweizer seien nicht langsam, nimmt Emil seine Landsleute in Schutz: "Wir genießen nur länger."

Steinberger bringt Dinge zusammen, die nicht zusammenzugehören scheinen: "Die Zehn-Gebote brauchen nur 249 Wörter. Die EU-Verordnung benötigt 28 000, um die Produktion von Karamell darzustellen." Steinberger ist ein sehr genauer Beobachter.

Er hat die Gabe, Alltagserfahrungen in Sprache und Gestik im Detail passend aus einer naiv-verwunderten Perspektive wiederzugeben. Sprache und ihre Auslegbarkeit haben es ihm angetan. Der bei einem Schweizer Landsmann aufgeschnappte "dadaistische" Satz "Du kannst nicht mehr als du musst" führt ihn zu einer augenzwinkernden Untersuchung einer weiteren Stilblüte: "Männer lügen mehr als Frauen, die nie die Wahrheit sagen." In den 1990ern hatte Emil eine Auszeit genommen, in der er unerkannt in Manhattan lebte, einen "edition e" genannten Verlag gründete und seine jetzige Frau Niccel heiratete. Seitdem tritt er mit seinen wahren Lügengeschichten auf, die er in zwei Büchern zusammengefasst hat. Deren Inhaltsverzeichnissen hat er Kästchen für falsch oder wahr angeheftet: "Wenn Sie ein Jahr nach dem ersten Lesen mal eine wahre Geschichte lesen wollen, dann können Sie sich daran halten, was Sie damals angekreuzt haben."

Wenn Emil sich über Verständigungsprobleme und Missverständnisse bei Schweizer Dialektausdrücken wie "parkieren" oder "zügeln" lustig macht, erreicht der populäre Komiker einen hohen Schmunzeleffekt. Zum Schluss lernt das Publikum noch, was ein "Bettmümpfeli" ist, das verräterische Schokoladenflecken in Emils Hotelbett hervorrief. Nach 100 Minuten Programm und zwei Zugaben signierte er noch entspannt mit den Käufern flachsend seine Bücher.

(oes)
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