Klimapolitik Elf Jahre bis zur Zukunft

Krefeld · Laut Mobilitätskonzept will Krefeld bis 2030 eine klimafreundliche Wohnstadt mit attraktiver City sein. Geht das? Unkenrufe stellen sich von selbst ein, ein Hoffnungsliedchen aber ist erlaubt.

 Jens Voss

Jens Voss

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Krefeld hat seine Agenda 2030. Das Gutachten zum Mobilitätskonzept entwirft ein Leitbild für die nahe Zukunft, denn elf Jahre sind gemessen an der Geschwindigkeit kommunalpoilitischer und planungsrechtlicher Prozesse genau dies: ein Klacks. Rund 30 Jahre hat Krefeld über die Umgestaltung der Haltestelle an der Rheinstraße diskutiert – gekämpft wurde erbittert bis zum Schluss. Und jetzt soll diese Stadt bis 2030 fit sein für eine klimafreundliche Zukunft, für eine neue Ära?

Es ist schwer, in diesen konzeptreichen Zeiten nicht in Unkenrufe zu verfallen. Die Erfahrung lehrt bisher vor allem eins: Skepsis. In der Politik, – der großen wie der mittleren wie der kleinen –  folgen meistens nach kurzen Aufregerzeiten lange Streit- und Entscheidungsfindungsphasen. Wie sollten komplexe städtebauliche Prozesse plötzlich im Affenzahn erfolgen?

Legen wir die Maske der Unke ab und greifen zum federleichten Zepter der Hoffnung. Krefeld ist in einer Schwellensituation, in der vieles zusammenkommt. Die Stadt kämpft um ihre Innenstadt, der Handel um Kunden und Stadtbummler, die ja viel mehr sind als Kunden. Der Flaneur ist ein Identitätsfaktor. Wo Flaneure sind, ist Heimatstolz und Lebenslust.

Die umliegenden Städte arbeiten unablässig an sich, die schöne und reiche Nachbarin Düsseldorf sowie, die hübsche historische Maus Moers, das gebeutelte, sich langsam berappelnde Duisburg; auch das Krefeld in vielen Problemen sehr ähnliche Mönchengladbach hat eine ambitionierte Wohnbauoffensive gestartet. Krefeld darf nicht weiter zurückfallen, Krefeld braucht eine Wende zum Guten und Schönen, sonst schmiert diese Stadt immer weiter ab.

Die Klimakrise könnte in dieser Situation ein Katalysator sein. Die Ungeduld der Menschen wird größer; sie drängen auf Antworten, die man auch sieht. So wie die Schüler von Fridays for Future sich fragen lassen müssen, was denn mit ihrem CO2-Fußabdruck ist, müssen sich Kommunalpolitiker fragen lassen, wo sie denn sichtbar etwas tun. Schöne Konzepte schreiben reicht nicht mehr, auch nicht den Wählern der Zukunft, den klimabewegten Schülern. Vielleicht reicht dieser Druck ja, um den Boden für mehr Entschlossenheit, rationale Mehrheitsbildung und rasche Entscheidungen in der Politik zu bereiten.

Wie gesagt: Das Zepter der Hoffnung ist federleicht, und solche Sätze sind es auch. Erdenschwer und ganz und gar unlustig ist die Frage des Geldes. Krefeld wird sich nur bewegen können, wenn Bund und Land kräftig Geld zuschießen. Das Schulprogramm hat es gezeigt: Die Stadt selbst hat nicht die Kraft für große Sprünge, nicht mal für mittlere. Übrigens: So wie viele andere Kommunen auch.

Heißt auch: Der Konsens, dass unsere Lebensräume im engeren Sinne, nämlich die Städte und Gemeinden, in denen wir den größten Teil unseres Lebens verbringen, anders werden müssen, muss durch das ganze Land gehen. Wenn Land und Bund kein Geld für die Kommunen lockermachen, wird Krefeld 2030 nur ein paar Kilometer Radweg und zwei Haltestellen mehr haben. Und natürlich neue Konzepte.

In ein paar Tagen startet die Karnevalssession. Vielleicht müsste man für den Karnevalszug 2020 einen neuen Wagen bauen: Er könnte eine riesige hässliche Unke im Kampf mit der federleichten Dame Hoffnung zeigen.

Falls die Unke gewinnt, hätte man wenigstens seinen närrischen Spaß gehabt.

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