Serie Heimat Ein Wohntraum aus dem Jahr 1850

Krefeld · Die Eheleute Peschken wohnen aus Überzeugung in der City - in einem wundervollen Haus am Westwall, das zurzeit restauriert wird.

 Das Ehepaar Ingrid und Hans Dieter Peschken in einem der beiden Wohnräume, die nach vorn zum Westwall zeigen. Die Räume hell und stilvoll.

Das Ehepaar Ingrid und Hans Dieter Peschken in einem der beiden Wohnräume, die nach vorn zum Westwall zeigen. Die Räume hell und stilvoll.

Foto: Lammertz

Es sind die Proportionen, die einen sofort umfangen. Räume, in denen Höhe, Breite und Tiefe einander folgen und wo das Maß in der Mitte der menschliche Körper ist. In moderner Wohnzimmerarchitektur sind die Räume zuweilen hysterisch weitläufig, ausladend wie Weiden, als lebe der Mensch in Herden. In diesem Haus am Westwall aber definiert sich Großzügigkeit nicht über schiere Fläche. Die beiden nebeneinanderliegenden, früher vermutlich durch Flügeltüren getrennten Wohnräume "Beletage" atmen Noblesse, sie öffnen sich über großzügige Fenster zum Westwall hin und sind doch sinnvoll bezogen auf menschlichen Alltag.

 Kleine innenarchitektonische Meisterleistung: Das Bad; funktional, effektiv, ohne beengt zu wirken.

Kleine innenarchitektonische Meisterleistung: Das Bad; funktional, effektiv, ohne beengt zu wirken.

Foto: Lammertz Thomas

Wir sind in einem Haus am Westwall 46. Es entstand um 1850 und beherbergte bis nach dem Krieg die Süßwarenfabrik Stolzenberg. Es ist ein Eckhaus an der Dreikönigenstraße; der Eingang zum Fabrikkomplex lag an der Dreikönigenstraße. Das Haus war früher in markantem Bonbon-Rosa gestrichen; heute ist es eingerüstet: Die Fassade wird gründlich restauriert, Schäden ausgebessert, die Stuckverzierung ergänzt, und die Farben werden künftig nach historischem Vorbild in Hellgrau mit leichten Grünstich gehalten sein. Kein Zweifel, dieses Haus wird ein Schmuckstück.

 Der Flur: Nicht ausladend, aber funktional die Räume erschließend, dabei hell und stilvoll.

Der Flur: Nicht ausladend, aber funktional die Räume erschließend, dabei hell und stilvoll.

Foto: Lammertz Thomas

Bauherren sind die neuen Eigner Karl und Maria Arians-Kronenberg, die das Haus seit einigen Jahren besitzen. "Dem Haus wurde viel Gewalt angetan", sagt er unumwunden. Gemeint ist all das, was im Laufe der mehr als 150-jährigen Geschichte des Gebäudes dazu gebaut wurde, oft gegen die innere Logik der historischen Bauästhetik. "Ich habe hier zehn Container Schutt rausgeholt", berichtet Kronenberg. Dazu gehörten etwa abgehängte Decken, die die hohen Räume wohl heizungsfreundlicher machen sollten, aber die Raumästhetik zerstören und sogar das obere Drittel der hohen Fenster verdeckten.

 Klein, aber fein: Der Balkon, ans Haus angebaut, eine Oase in einer Hinterhofwelt.

Klein, aber fein: Der Balkon, ans Haus angebaut, eine Oase in einer Hinterhofwelt.

Foto: Lammertz Thomas

Kronenberg gehört zu den Hausbesitzern, die ihre Immobilien sorgsam, mit Liebe zum Detail und zum historischen Erbe entwickeln. Er spricht von "Liebhaberei" - er ist nicht interessiert an schnellem Gewinn. Dass er ein Händchen für Stadthäuser hat, bewies er schon mit einem Objekt an der Luisenstraße, wo er ein Haus in eine stilvolle Wohnoase umgewandelt hat. Einer seiner Mieter ist Hans Dieter Peschken, der mit seiner Frau Ingrid eine Wohnung im ersten Stock bewohnt. Er ist seit langem mit Kronenberg bekannt, beide teilen den Sinn für Historisches. Peschken ist zudem überzeugter Innenstadtbewohner, aus lebenspraktischen Motiven wie aus einer philosophisch zu nennenden Grundhaltung heraus: "Ein Haus draußen im Grünen spiegelt einem vor, man wäre ewig auf Erden", sagt er. Leben in der Stadt ist demnach beides: intensive Teilhabe am Leben wie Einübung in die Endlichkeit.

 Das Eckhaus Westwall 46; früher beherbergte der Komplex zur Dreikönigenstraße die Bonbonfabrik Stolzenberg.

Das Eckhaus Westwall 46; früher beherbergte der Komplex zur Dreikönigenstraße die Bonbonfabrik Stolzenberg.

Foto: Lammertz Thomas

Die Peschkens haben zuvor 20 Jahre an der Marktstraße gewohnt, doch habe die Straße keine gute Entwicklung genommen, berichtet Peschken. Auf den Umzug zum Westwall in das Haus seines Freundes Kronenberg ließ er sich auch deshalb ein, weil er auf Kronenbergs Sinn für die historische Bausubstanz vertraute, darauf, dass er das Haus mit viel Sinn fürs Detail wieder herstellt.

 Eigner Karl Kronenberg beizt die Farbe vom schön geschnitzten Holzgeländer im Treppenhaus ab; das Holz bleibt Blickfang; es wird später nur geölt.

Eigner Karl Kronenberg beizt die Farbe vom schön geschnitzten Holzgeländer im Treppenhaus ab; das Holz bleibt Blickfang; es wird später nur geölt.

Foto: Lammertz Thomas

Zu Recht, wie ein Gang durch die Wohnung der Peschkens zeigt. Berückend sind vor allem die beiden Wohnräume nach vorne zum Westwall hin, erst recht an einem Freitag, wenn der Blick auf das bunte Treiben des Wochenmarktes fällt.

 So sah das Haus früher aus; der Anstrich wirkte eher bonbonrosa, also etwas zu grell. Der neue Anstrich soll hellgrau bis grünstichig werden.

So sah das Haus früher aus; der Anstrich wirkte eher bonbonrosa, also etwas zu grell. Der neue Anstrich soll hellgrau bis grünstichig werden.

Foto: Kro

Zu den Raffinessen der Sanierung gehört die Konstruktion des Bades: Dort galt es, auf kleinem Raum alles Praktische unterzubringen, ohne dass es beengt wirkt. Es glückte; das Bad ist funktional und stilvoll, warme Farben setzen schöne Akzente. Auch der kleine Balkon - er wurde dem Haus per Stahlgerüst beigefügt - ist eine kleine Oase. Der Blick in die Hinterhofwelt kontrastiert aufs Schönste mit den Farben von Blumen und Accessoires auf dem Balkon. Heimeligkeit braucht nicht viel Platz, nur Geschmack.

Städtebaulich ist das Ganze ein Glücksfall. Es gibt so viel schöne Bausubstanz in Krefeld, die darauf wartet, restauriert und in modernen Wohnraum verwandelt zu werden. Und Peschkens lange gepflegte Lust am Leben in der City ist ja mittlerweile wieder ein Zukunftsentwurf.

Die Mittel für den Stadtumbau West waren bei all dem alles andere als hinderlich. Kronenberg hat nur Gutes über das Krefelder Denkmalschutzamt zu berichten. Er hat alle Schritte der Sanierung mit dem Amt abgestimmt und die Mitarbeiter dort als Dienstleister erlebt, die ihn fachlich beraten haben. Und es gibt auch staatliche Unterstützung: Die Fassadensanierung etwa koste 35.000 Euro, sagt Kronenberg; der Zuschuss aus Denkmalschutzmitteln lag bei 20 Prozent.

(RP)
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