Krefeld Ein Tisch für den Kirchentag

Krefeld · Die Krefelder Künstlerin Monika Nelles zeigt ab morgen in Dresden ihren "Brottisch". Die Installation ist im Hilton, neben der Frauenkirche zu sehen. "Es ist kein Altar", sagt Nelles, aber Gottesdienste werden daran gefeiert.

An einen Kirchenraum hat Monika Nelles nicht gedacht, als sie die Arbeit für den Evangelischen Kirchentag in Dresden konzipiert. Schon gar nicht an die Frauenkirche. Dass ihr Werk ab morgen in unmittelbarer Nachbarschaft des geschichtsträchtigen Barockbaus stehen wird, ist Zufall. "Die Arbeit ist kein Altar", sagt Monika Nelles, was begründet, warum ihr "Brottisch" nebenan im Hilton-Hotel aufgebaut wird. "Aber die Organisatoren wollen einige Gottesdienste daran feiern." Der 33. Deutsche Evangelische Kirchentag vom 1. bis 5. Juni ist mit dem Matthäus-Vers "... da wird auch dein Herz sein" überschrieben.

Und das Herz braucht keine Materialschlacht, findet Monika Nelles, sondern Elementares. Die Uerdingerin ist in ihrer Kunst eine Grenzgängerin, sie spielt mit Konventionen und Deutungsebenen – und so setzen ihre Arbeiten immer die Fantasie in Gang. Auch der "Brottisch": Einen alten dunklen Holztisch hat Nelles mit einem blütenweißen und gestärkten Tuch gedeckt. Hausfrauenherzen mögen jubeln über die altbacken-scharfen Bügelfalten, die Tradition, Reinheit und Festtafelcharakter versprechen. Doch jeder Anflug von Tümelei verbietet sich. Denn "reich gedeckt" (so der Untertitel) ist der Tisch mit Erde aus dem Dresdener Stadtteil Hellerau. "Hellerau ist einst als Gartenstadt konzipiert worden und heute Standort des Europäischen Zentrums der Künste." Darauf legt die Künstlerin ebenso viel Wert, wie auf die Tatsache, dass es ungereinigte Ackererde sein soll: "Ruhig mit Würmern darin." Wegen der Sinnbildlichkeit.

"Erde auf einer weißen Tafel, das bricht Gewohnheiten. Genau das ist der Sinn von Kunst: Menschen in Staunen zu versetzen", sagt Monika Nelles. Spannungen aufbauen zwischen Erwartung und Konvention, und Gedanken über das Leben freisetzen – das bekommt in Zusammenhang mit Kirche eine zusätzliche Kraft. "Kirchen sind ein guter Ort für zeitgenössische Kunst." Mancher wird sich an die Ausstellung "Ich hätte gewunken" erinnern, in der Nelles vor zehn Jahren in der Forstwalder Johanneskirche mit ihren Installationen Fragen aufgeworfen hat nach den "Mitläufern" im Nationalsozialismus und denen, die heute keine Zivilcourage zeigen. Den Spruch von den Händen, die in Unschuld gewaschen werden, hat sie in einer Fotoserie verarbeitet. "Glaubensfragen sind Lebensfragen." Kirche und Kunst könnten beide Inhalte vermitteln, Sinne anregen, die in der Flut von Reizen unterversorgt blieben. Der Brottisch erfüllt für Nelles diese Aufgabe: Die Erde riecht, man kann sie anfassen. Und: "Es ist eine temporäre Installation, die am Ende der Woche verschwindet."

Ein Gegensatz zur Vorstellung von einem Altar, der für die Ewigkeit gebaut wird.

(RP)
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