Kolumne KR wie Krefeld Ein Krefelder Schulversuch?

Krefeld · Soll Krefeld mit dem „Haus der Bildung“ für Krefeld-Mitte einen teuren Schulversuch starten? Das Projekt hätte landesweite Bedeutung. Der Nutzen ist ungewiss. Gewiss ist nur: In Krefeld gibt es Viertel, die einen Sprung nach vorn in der Bildung brauchen.

 Jens Voss

Jens Voss

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Krefelds Bildungspolitiker stehen vor einer schwierigen Entscheidung: Soll man einen teuren Schulversuch starten und ein „Haus der Bildung“ bauen, das  Kindern in einem sozial schwierigen Viertel neue Chancen eröffnen soll?

Zunächst: Das Konzept, das die Verwaltung vorgelegt hat, ist interessant und klingt vielversprechend. Kinder aus schwierigen Verhältnissen samt deren Familien  fast zehn Jahre bis zum Übergang in eine weiterführenden Schule eng abgestimmt zu begleiten, wäre einen Versuch wert. Denn eines muss man leider sagen: Deutschlands Bildungspolitik, in der Politiker alle drei Minuten betonen, wie wichtig Bildung sei, hat noch keine Antwort auf ein Viertel wie Krefeld-Mitte. Unterschicht-Kinder; ein Migrantenmilieu, in dem Deutsch keine Selbstverständlichkeit ist;  eine erschütternde, sich über Generationen verfestigende Bildungsferne; Hartz IV als Vergangenheit und Zukunft einer Kindheit: Es ist schlimm, deutsche Schulen haben kein Mittel, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Zuweilen beschleicht einen Hoffnungslosigkeit.

Dazu kommt so etwas wie das Elend der wissenschaftlichen Begleitung. Das „Haus der Bildung“ ist keine Erfindung von Krefelds Schuldezernent Markus Schön. In England wird das Modell von Kita und Grundschule unter einem Dach praktiziert. Niedersachsen hat dazu von 2008 bis 2013 einen Schulversuch unternommen – wobei dieses „unter einem Dach“ meist metaphorisch gemeint war: Die meisten Bildungshäuser dort waren zweihäusig mit leichter Entfernung von Kita und Grundschule; die enge Nachbarschaft, wie sie für Krefeld im Gespräch ist, war eine Ausnahme.

Wer nun hofft, in dem Abschlussbericht des niedersächsischen Projekts eine klare Handlungsempfehlung zu finden, der wird enttäuscht. In dem 128 Seiten langen Text stehen am Ende Sätze wie dieser: „Frühkindliche Bildung, die allen Kindern einen guten Start auf ihrem Bildungsweg eröffnet, und die anschlussfähige Zusammenarbeit zwischen Kindertageseinrichtungen und den Grundschulen sind eine herausfordernde Zukunftsaufgabe. Diese Aufgabe sollte im Rahmen von regionalen Konzepten eine Vorrangstellung in der örtlichen Jugendhilfeplanung und der Schaffung von kommunalen Bildungslandschaften erhalten.“

Was soll ein Kommunalpolitiker damit anfangen?  Dass es nützlich ist, die Arbeit von Kitas und Schulen zu verzahnen („Vorrang“), ist so allgemein längst eine Binsenweisheit. Dass diese Verzahnung eine „Herausforderung“ ist, ist nach fünf Jahren Schulversuch ein bisschen dünn als Bilanz (als würde man nach fünf Jahren Forschung über eine neue Methode des Schwimmunterricht zum Ergebnis kommen: Schwimmen lernen ist schwer). Und dazu, ob alles besser wird, wenn Kita und Grundschule nicht nur metaphorisch, sondern real unter einem Dach residieren, erfährt man gar nichts. Ob die Kinder, die ein Haus der Bildung durchlaufen, später wirklich besser zurechtkommen, bleibt auch nebulös. Alles halbherzig, vorläufig, unentschieden, wenig hilfreich für Praktiker. So sind sie, unsere Schulversuche. Dass Niedersachsen nach dem Versuch entschlossen Häuser der Bildung gebaut hat, ist auch nicht bekannt.

Soll Krefeld also einen Schulversuch wagen? Richtig wäre es. Besser wäre es, das Land würde den Versuch zu seinem machen. Die Bedenken der Krefelder  CDU sind aller Ehren wert. Ob die teure bauliche Variante an der Hofstraße wirklich besser wäre als die geringe räumliche Trennung von Kita und Grundschule, ist in der Tat nicht klar. Für eine Kommune wie Krefeld wäre es ein Kraftakt, das Experiment zu wagen, und eigentlich ist es keine kommunale Aufgabe, Schulexperimente von landes- oder gar bundesweiter Bedeutung zu stemmen.

Andererseits: Die Kinder von Krefeld-Mitte sind da und brauchen uns. Was machen wir mit ihnen?

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