Interview Jürgen Steinmetz "Ein klares Signal für Aufbruch"

Krefeld · Wir sprachen mit dem IHK-Hauptgeschäftsführer über Erwartungen an den Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung.

 "Es ist wichtig, dass der Chempark und der Krefelder Hafen das Planzeichen GIBZ bekommen": Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein, im RP-Gespräch.

"Es ist wichtig, dass der Chempark und der Krefelder Hafen das Planzeichen GIBZ bekommen": Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein, im RP-Gespräch.

Foto: Thomas Lammertz

Der Koalitionsvertrag, mit dem Eckpunkte der Regierungsarbeit der neuen Landesregierung aus CDU und FDP in Düsseldorf festgelegt wurden, stößt bei der IHK Mittlerer Niederrhein auf viel Zustimmung. Wir sprachen mit dem IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz über die Einschätzung der IHK, über wichtige Punkte und Erwartungen an die Legislaturperiode.

Wie gehen Sie vor, wenn Sie sich einem solchen 125 Seiten umfassenden Vertragswerk nähern?

Steinmetz Wir haben den Koalitionsvertrag durchgearbeitet und bewertet, vor allem mit Blick auf die regionale Bedeutung für die Unternehmen in unserem Kammergebiet. Unterm Strich bewerten wir den Koalitionsvertrag sehr positiv, weil er ein klares Signal für Aufbruch und Modernisierung ist. Mit den Themen Bildung, Wirtschaft, Digitalisierung, Infrastruktur, Bürokratieabbau und Innovation setzt er die richtigen Schwerpunkte. Generell ist der Koalitionsvertrag aber nur so gut, wie er am Ende auch umgesetzt wird. Die Messlatte liegt mit diesem Vertrag hoch. Die Landesregierung wird am Ende daran gemessen, was daraus abgeleitet umgesetzt wurde. Unsere Erwartungen sind hoch.

Fangen wir mit dem Thema Bildung an. Was ist Ihnen an dem Vertrag wichtig?

Steinmetz Es soll in NRW ein Schulfach Wirtschaft etabliert werden. Das ist eine alte IHK-Forderung, wie überhaupt viele unserer Forderungen Eingang in den Vertrag gefunden haben. Die Duale Ausbildung soll gestärkt werden; die Rede ist von einem regionalen Bündnis für Schule Ausbildung und Beruf. Man will die Berufsorientierung über alle Schulformen hinweg stärken beziehungsweise einrichten. Man will möglichst früh auch für die duale Ausbildung werben und so dem Trend zur Akademisierung etwas entgegensetzen, damit die duale Ausbildung nicht ins Hintertreffen gerät. Dazu sind Investitionen in Schulen und Berufskollegs angekündigt. Und es soll eine Fortbildungsoffensive für Lehrer gestartet werden.

Stichwort Wirtschaftspolitik?

Steinmetz Wichtig ist, dass man ein klares Bekenntnis zur Industrie ablegt. Das stärkt die Industrie in Krefeld und die Initiative Zukunft durch Industrie.

Gibt es neben Grundsatzerklärungen konkrete Punkte?

Steinmetz Im Koalitionsvertrag wird formuliert, dass die bestehenden Unternehmen besonders geschützt werden müssen. In Krefeld betrifft das zum Beispiel das Projekt Rheinblick. Generell müssen Gewerbe und Industrie vor heranrückender Wohnbebauung geschützt werden. Es ist gut, dass man ein besonderes Schutzbedürfnis der bestehenden Unternehmen anerkennt. In dem Zusammenhang ist es auch wichtig, dass der Chempark und der Krefelder Hafen im nächsten Regionalplan das Planzeichen GIBZ bekommen - also das Siegel "Gewerblicher und industrieller Bereich mit besonderer Zweckbindung Hafen". Das hat der Regionalrat beschlossen.

Beim Stichwort Digitalisierung wurde anfangs kritisiert, dass die neue Landesregierung offenbar auf eine alte Technik, nämlich Kupferkabel, setzen will.

Steinmetz Wir begrüßen, dass nicht auf das veraltete Kupferkabel, sondern auf Glasfasertechnik gesetzt wird. Wir haben immer betont, dass man nicht auf veraltete Technik setzen darf, sondern ehrgeiziger sein muss. Glasfaser ist das Maß der Dinge.

Unternehmer beklagen immer wieder die überbordende Bürokratie in NRW. Ist auf diesem Feld Bewegung in Sicht?

Steinmetz Das Thema Bürokratieabbau ist uns wichtig. Dahinter steht auch die Erkenntnis, dass man die Wirtschaft und die Bürger in der Vergangenheit zu stark mit Vorschriften, Normierungen und Anweisungen gegängelt hat. Ein Anfang ist die Abschaffung der Hygieneampel. Sinnvoll ist auch, dass man sich beim Tariftreue- und Vergabegesetz auf die Vorschriften der EU reduzieren und nicht zusätzliche Standards setzen will. Gut finden wir auch, dass die wirtschaftliche Selbstverwaltung dadurch gestärkt werden soll, dass Gewerbemeldungen demnächst auch über die Industrie- und Handelskammern erfolgen können. Bislang lief diese Anmeldung ausschließlich über die Rathäuser, bevor sie bei uns ankamen. Wenn nun auch der formale Akt bei uns liegen würde, könnten wir junge Unternehmen viel besser beratend zur Seite stehen. Und schließlich ist angekündigt, das Baurecht zu vereinfachen und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Da gibt es viel zu tun, und davon werden unsere Unternehmen und Kommunen profitieren.

Man kann von Unternehmern auch hören, dass die Ausschreibungspraxis der öffentlichen Hand mittlerweile so kompliziert ist, dass Unternehmen überfordert sind. Ist das auch Ihre Erfahrung?

Steinmetz Wir hören immer wieder von unseren mittelständischen Mitgliedern, dass sie sich an öffentlichen Ausschreibungen nicht mehr beteiligt haben, weil der Wust an Papieren und Nachweisen zu groß geworden ist.

Der Einzelhandel hat die Gesetzeslage zu den verkaufsoffenen Sonntagen kritisiert. Eine Auflage lautet etwa: Es müssen mehr Besucher des Events wegen kommen als zum Einkaufen. Der Vorsitzende der Krefelder Werbegemeinschaft, Christoph Borgmann, hat beklagt, dass man das gar nicht kontrollieren könne. Wird sich für den Handel etwas ändern?

Steinmetz Der Einzelhandel freut sich, dass die verkaufsoffenen Sonntage rechtssicher gestaltet und von vier auf acht erhöht werden sollen. Zuletzt gab es immer mehr Unsicherheit in den Kommunen.

Stichwort Infrastruktur. Ein großes Thema im Wahlkampf. Sehen Sie Bewegung?

Steinmetz Der Bund hat im Bundesverkehrswegeplan die Grundlage für Verbesserungen gelegt hat. Wir erwarten, dass das Land nun die Planungskapazitäten schafft, um unsere Infrastruktur zügig zu verbessern.

(RP)
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