Pfarrer in Krefeld Kirchenasyl machte ihn bekannt

Krefeld · Nach mehr als 40 Jahren als Pfarrer der alt-katholischen Gemeinde tritt Cornelius Schmidt in den Ruhestand. Die Alt-Katholiken bleiben eine faszinierende Mischung aus katholischem Anspruch und reformatorischem Geist.

 Pfarrer Cornelius Schmidt  bei seinem Abschiedsgottesdienst in der Stephanskirche. Der 67-Jährige hat die Alt-Katholische Gemeinde seit 1978 geleitet.

Pfarrer Cornelius Schmidt  bei seinem Abschiedsgottesdienst in der Stephanskirche. Der 67-Jährige hat die Alt-Katholische Gemeinde seit 1978 geleitet.

Foto: Fabian Kamp

Wer seinen Namen hört, dem geht unwillkürlich durch den Sinn: Das ist doch der mit dem Kirchenasyl. Mehr als 40 Jahre lang hat Cornelius Schmidt seinen Dienst bei der Alt-Katholischen Kirche in Krefeld geleistet, doch die Vorgänge im Jahr 2000, als er die Flüchtlingsfamilie Manaz aufnahm, machten ihn regelrecht berühmt. Eineinhalb Jahre beherbergten Schmidt und seine Frau eine kurdisch-alevitische Frau mit ihren fünf Kindern in seiner Kirche. Sie sollten nach 13 Jahren der Duldung abgeschoben werden. Das Asyl hatte für die Familie ein positives Ende, sie durfte bleiben. Am Samstag wurde Schmidt mit einem Gottesdienst und einem Empfang mit 300 Gästen feierlich aus dem Amt verabschiedet.

Schmidt gehört einer faszinierenden kleinen Glaubensgemeinschaft an: der Alt-Katholischen Kirche. Sie hat sich nach 1870 von der großen Mutter in Rom gelöst. Zum Bruch kam es wegen zweier neuer Glaubenssätze, die beim I. Vatikanischen Konzil unter Papst Pius IX. verabschiedet wurden: den Lehrsätzen von der Unfehlbarkeit des Papstes und dem Vorrang des Papstes in der kirchlichen Rechtsprechung. Gerade das Unfehlbarkeitsdogma wurde von fast allen deutschen Bischöfen abgelehnt. Es kam zu zahlreichen Exkommunikationen von Katholiken, die das Dogma nicht anerkannten – aus diesem Kreis erwuchs dann die Alt-Katholische Kirche. Das Alte an diesem Alt-Katholisch war zunächst die Glaubenswelt vor dem Ersten Vatikanum; in einem  weiterem Sinne ging es aber auch um Treue zur Bibel, um die Nähe zur Alten Kirche, also die Zeit der Konsolidierung des Christentums bis ins 5.Jahrhundert. Die Alt-Katholiken waren insofern auch junge Reformer: In ihrer Kirche ist der Zölibat abgeschafft, Frauen sind mittlerweile komplett gleichgestellt, dürfen also auch Priester werden, und die Kirche ist synodal-demokratisch organisiert.

Cornelius Schmidt kam durch seine Familie zu den Alt-Katholiken:  Sein Vater Werner Schmidt und sein Großvater  waren Pfarrer der Alt-Katholiken; der Sohn führt das Werk fort und prägte seine – in Deutschland 50 Gemeinden umfassende – Kirche stark mit. So war er seit seiner Amtseinführung als Priester in Krefeld im 1978 maßgeblich an der Einführung der Zulassung von Frauen zum Priesterdienst beteiligt; es war ein langer Prozess des Dicke-Bretter-Bohrens auf etlichen Synoden, berichtet Cornelius Schmidt. 1996 war es dann soweit; Frauen durften zum Priester geweiht werden. Schmidt erinnert sich schmunzelnd: Ein Bischof habe ihm respektvoll gesagt: Er, Schmidt, sei ja wohl ein „international berüchtigter Synodenmanipulierer“. Warum der zähe Einsatz über Jahrzehnte? „Ich hatte meine Mutter vor Augen“, antwortet Schmidt, „sie wäre eine gute Pfarrerin gewesen.“

Schmidt hat das Werk seines Vaters auch baulich fortgesetzt und das Gemeindezentrum an der Dreikönigenstraße Zug um Zug ausgebaut. Das Seniorenheim hat schon der Vater bauen lassen. „Ich bin praktisch im Altenheim aufgewachsen“, berichtet Cornelius Schmidt; so habe er ungewöhnlich früh viele Kontakte zu alten Menschen gehabt. Die Lebensgeschichten, die er dabei zu hören bekam, waren teils  furchtbar: geprägt von Krieg, Vertreibung, Heimatverlust, Flucht und Tod. „Mich hat das Schicksal der Flüchtlinge immer entsetzt“, sagt er und meint zunächst die deutschen Flüchtlingsschicksale, im Grunde aber alle. Das  habe ihn geprägt und sei ein Grund gewesen, später die Familie Manaz aufzunehmen.

Die Alt-Katholische Gemeinde Krefeld umfasst den Niederrhein bis Kleve und hat 380 Mitglieder. Als Schmidt als Priester angefangen hat, waren es 190. Der Zuwachs geht in vielen Fällen auf enttäuschte Katholiken zurück, die empört waren über Entwicklungen in ihrer Kirche, berichtet Schmidt.  Johannes Paul II. etwa habe mit seinen teils extrem konservativen Positionen einen solchen Schub ausgelöst.

Die Altkatholiken sind, so sehr sie sich den protestantischen Kirchen angenähert haben und so sehr sie ökumenisch offen sind, in wichtigen Punkten weiter katholisch. Es gibt sieben Sakramente und nicht nur zwei wie bei den Protestanten; und die Tradition als Quelle der Offenbarung neben der Bibel wird deutlich stärker betont als in Luthers „sola scriptura“. Wobei Tradition vor allem die der ersten fünf Jahrhunderte nach Christus meint, jene Epoche, in der die zentralen Lehrentscheidungen über das Verständnis Christi gefallen sind.

Cornelius Schmidt wird, wie so viele Pensionäre, mit seinen nun 67 Jahren keineswegs in den Ruhestand fallen, sondern in einen neuen Unruhestand. Er wird Kollegen in ganz NRW vertreten und sicher auch in Krefeld noch als Prediger zu erleben sein.

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