Krefeld Ein Blick in Garagen und Hinterhöfe

Krefeld · Perspektivwechsel: Statt auf Showrooms und Verkaufshallen richteten die vielen Besucher am Wochenende ihre Aufmerksamkeit auf Garagen und Hinterhöfe - dort sitzt in Krefeld großes Potenzial an Tüftlergeist und Geschäftstüchtigkeit.

 In der Oldtimer-Servicewerkstatt von Jörg Enger an der Moerser Straße findet neben der Restaurierung auch umfassende Beratung statt.

In der Oldtimer-Servicewerkstatt von Jörg Enger an der Moerser Straße findet neben der Restaurierung auch umfassende Beratung statt.

Foto: Lammertz

Krefelds Hinterhöfe sind ein Quell für Innovationen. Das zeigte die Stadt am Samstag mit ihrem Aktionstag "Garagen und Hinterhöfe". Dafür wurde vom Stadtmarketing eine Liste von Unternehmen zusammengestellt, die eben dies erfüllen: Kleine Betriebe von Menschen, die eine kreative Idee haben und diese einfach umsetzen.

Dabei reicht die Spanne von Metallbetrieben, Denkmalpflegern, einer Oldtimerwerkstatt oder Design-Gitarrengurten, bis hin zu einer Naturbrotbäckerei oder einer Konditorei. Und auch das Alter der Betriebe variiert stark. So gibt es beispielsweise das Unternehmen van Beek. Der gelernte Schlosser und Maschinenbauingenieur Manfred van Beek arbeitete jahrelang in der Industrie. Dann wünschte seine Frau sich eine "Feuerkugel", eine Stahlkonstruktion, in der dekorativ ein Feuer entzündet werden kann. Diese baute er selbst und bekam viel Zuspruch und so konstruierte er zunächst weitere Prototypen.

 Reiner Schönbeck und Ulrich Ruf fertigen und verkaufen Designobjekt aus Edelstahl.

Reiner Schönbeck und Ulrich Ruf fertigen und verkaufen Designobjekt aus Edelstahl.

Foto: Lammertz Thomas

Mit der Zeit entschied er sich dann, sich mit selbst konzipierten Grills, Smokern, Öfen und dergleichen Artikeln selbstständig zu machen. Wichtig ist ihm dabei vor allem, nachhaltig zu arbeiten. Alles wird in Deutschland gefertigt. Als Brennstoffe nutzt er Holz, Holzkohle oder - vor allem - Holzpellets. Für diesen Energieträger konstruierte er nun eine Weltneuheit: einen Holzpellet-Heizpilz. Das Gerät funktioniert ähnlich wie die bekannten Gas-Heizpilze, die oft in der Gastronomie zu sehen sind, verbrennt aber Holzpellets und ist damit kostengünstiger im Betrieb und klimaneutral zugleich.

Er ist sehr neu im Geschäft und baut das Unternehmen gerade auf. Andere Betriebe bestehen seit vielen Jahren. So wie die Oldtimer-Servicewerkstatt von Jörg Enger an der Moerser Straße. Diese gibt es seit den frühen 1980-er Jahren, und sie bietet alles rund um alte Autos. Dabei umfasst der Service wirklich jeden Bereich, von der Kaufentscheidung über die Restaurierung bis zum möglichen Verkauf.

 In der Shedhalle der Samtweberei klang der interessante Aktionstag mit Live-Musik von sechs Bands aus.

In der Shedhalle der Samtweberei klang der interessante Aktionstag mit Live-Musik von sechs Bands aus.

Foto: Lammertz Thomas

"Wenn jemand den Wunsch hat, einen Oldtimer zu kaufen, dann helfen wir bei der Beratung, bei der Suche nach dem passenden Objekt und bei der Instandsetzung. Arbeiten, die wir nicht selbst durchführen können, vermitteln wir ebenfalls", sagt Inhaber Enger. Dabei deckt er auch jede Preisklasse ab. Manchmal, so sagt er, müsse er auch Kunden vor sich selbst schützen und ihnen von Investitionen abraten. So habe einst ein Kunde seinen Oldtimer verkaufen, zuvor aber den Motor aufarbeiten wollen. "Da habe ich abgeraten", erzählt er. "Die Maßnahme hätte rund 18.000 Euro gekostet, den Wert aber nur um 2000 bis 3000 Euro erhöht. Das stand in keinem Verhältnis."

Bei anderen Unternehmen geht es um geringere Beträge. So bei der Buchbinderei von Kerstin Knauth auf der Winkelstraße. Die Binderei existiert schon seit rund einem halben Jahrhundert. Sie selbst übernahm sie vor gut zehn Jahren vom Vorbesitzer, der in Rente ging. Zuvor hatte sie sieben Jahre als Angestellte dort gearbeitet. Doch auch der Voreigentümer hatte das Unternehmen bereits übernommen.

 Maschinenbauingenieur Manfred van Beek bekommt Anregungen von seiner Frau - für einen Heizpilz mit Pelletbefeuerung.

Maschinenbauingenieur Manfred van Beek bekommt Anregungen von seiner Frau - für einen Heizpilz mit Pelletbefeuerung.

Foto: Lammertz Thomas

Kunden sind vor allem Liebhaber, Studenten mit Bachelor- oder Masterarbeiten, Männer im Rentenalter, die Familienchroniken schreiben - das seien tatsächlich ausschließlich Männer - oder Menschen, die Bücher restaurieren lassen. Die Verbindung aus altem Handwerk und neuen Ideen schaffen Reiner Schönbeck und Ulrich Ruf. Die beiden Freunde betreiben Unternehmen für Designobjekte, vor allem aus Edelstahl. Während sich Schönbeck vor allem auf Badezimmerartikel konzentriert, verkauft Ruf hochwertige Werbeartikel. Lesezeichen aus hauchdünnem Stahl, Nussknacker oder "Nussdrängler", mit denen Walnüsse gespalten und nicht zerquetscht werden, Kugelschreiber, Feuerzeuge oder Anspitzer stehen in seinem Sortiment. Beide achten darauf, vor allem lokal zu produzieren. "Das ist auch für Unternehmen ein klares Verkaufsargument", berichtet Ruf. Überhaupt spielt Regionalität und Nachhaltigkeit bei den Unternehmen eine große Rolle. Und so geht von Krefelds Hinterhöfen auch eine Kraft zur sozialen und ökologischen Verantwortung aus. Die kurzweilige Tour durch die Hinterhöfe endete mit einem Konzert von mehreren Nachwuchsbands in der Samtweberei.

(RP)
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