Krefeld Ehrenamtler als Deutschlehrer für Flüchtlinge

Krefeld · Rund die Hälfte der 150 Asylbewerber, die an der Westparkstraße wohnen, nehmen an Sprachkursen teil, die Freiwillige organisieren.

 Mit Bilderbüchern zum Vokabeln lernen und Raufasertapete als Tafelersatz behelfen sich die ehrenamtlichen Deutschlehrerinnen Ina Hünnicke (hinten) und Irmgard Hoefer.

Mit Bilderbüchern zum Vokabeln lernen und Raufasertapete als Tafelersatz behelfen sich die ehrenamtlichen Deutschlehrerinnen Ina Hünnicke (hinten) und Irmgard Hoefer.

Foto: Thomas Lammertz

Es ist noch ein langer Weg für Ali, Sander, Jasin und die anderen Teilnehmer des Deutsch-Kurses: Hochkonzentriert folgen die Männer aus Albanien, Mazedonien und Irak dem Unterricht von Ina Hünnicke. Einige sprechen schon ein paar einfache Sätze, andere stehen noch ganz am Anfang und lernen erst mal, sich vorzustellen. Die Asylbewerber, die im ehemaligen Altenheim an der Westparkstraße untergekommen sind, haben Glück. Denn dass sie die Möglichkeit bekommen haben, Deutsch zu lernen, ist der Initiative einer Gruppe ehrenamtlicher Helfer um Organisatorin Jenny Latz zu verdanken. Sieben Sprachkurse mit rund 70 Teilnehmern - zur Hälfte Männer, zur Hälfte Frauen - haben die Freiwilligen auf die Beine gestellt.

"Der Wunsch der Flüchtlinge, in Deutschland anzukommen, ist groß", sagt Jenny Latz, die beruflich viele Jahre Deutsch als Fremdsprache unterrichtet hat. Sprache sei natürlich der Schlüssel zur Integration. Doch Anspruch auf Deutschkurse haben die Asylbewerber erst mal nicht. Daher ist das Interesse an den ehrenamtlich organisierten Kursen groß, das Angebot hat sich schnell herumgesprochen.

Weil im Wohnheim kein Platz für ein Klassenzimmer ist, helfen die angrenzenden Schulen Vera Beckers und die Kaufmannsschule aus, auch im Pfarrheim St. Thomas Morus finden Kurse statt. Einer davon sogar mit Kinderbetreuung. "Die Kinderbetreuung für unseren Mutter-mit-Kind-Kursus habe ich über den UnternehmerinnenStammtisch organisiert", erzählt Latz. "Das ging ruck zuck: eine Mail an den Verteiler, und schon haben sich mehrere Frauen gemeldet." So können die jungen Mütter sich jetzt besser aufs Deutschlernen konzentrieren, während ihre Kleinen betreut spielen.

Die Gruppen zu je etwa zehn Teilnehmern hat Latz nicht nach Herkunftsländern, sondern nach voraussichtlichem Lerntempo eingeteilt. Eine Gruppe, "Überflieger" genannt, hat sogar zweimal pro Woche Unterricht und macht schnelle Fortschritte. In dieser Gruppe lernen Flüchtlinge, die zum Beispiel in ihrem Heimatland bereits studiert haben. Obwohl alle Kurse sich an Erwachsene richten, sind immer mal wieder auch Jugendliche dazwischen. "Manche sind schon seit Monaten hier und haben trotz Schulpflicht noch keinen Platz an einer Schule zugewiesen bekommen", berichtet Latz. Auch jüngere schulpflichtige Kinder, erzählt sie, würden nur teilweise beschult. "Wir haben hier einen Fall, wo eine Neunjährige an einer Grundschule untergekommen ist, die zehnjährige Schwester jedoch bis jetzt gar nicht zur Schule gehen kann."

Die meisten der ehrenamtlichen Sprachlehrer sind Lehrer oder Sozialpädagogen. So wie Ina Hünnicke. Als Sozialpädagogin hat die Mutter von drei Kindern im Bereich Alphabetisierung gearbeitet. Die Pegida-Demonstrationen und die Teilnahme an Gegen-Demos waren für Hünnecke das Schlüsselerlebnis, sich für Flüchtlinge zu engagieren.

"Ich erlebe die Bewohner als sehr freundlich, höflich und wissbegierig", erzählt sie. "Sie freuen sich über Kleinigkeiten, allein schon darüber, dass man sie kennenlernen möchte." Kontakte zu Menschen außerhalb des Heims seien selten. Dass den meisten Männern in ihrem Kursus die Abschiebung in die Herkunftsländer droht, macht sie "fassungslos". "Den Leuten, die zu uns kommen, geht es in ihrem Heimatland schlecht. Sie zurück zu schicken, ist grob fahrlässig. Zumal sie dort ja auch Unterdrückung und Verfolgung erlebt haben", sagt sie.

Mit einer Rolle Raufaser-Tapete ersetzt Hünnecke die Tafel, ein Bilderbuch hilft, den Flüchtlingen Wörter des Alltags zu erklären. "Die Unterrichtsmaterialien müssen wir selber beschaffen, Hilfe von der Stadt gibt es keine", berichtet die Pädagogin. Neben dem Sprachunterricht würden sie und ihre Kollegen vieles "nebenbei" organisieren, mal sei es eine fehlende Babyausstattung, mal die Begleitung zu Emmaus oder dem Kleiderladen der Caritas. "Es fehlen Informationen und Begleitung", sagt Hünnecke. "Die Leute wissen nicht, dass sie auf bestimmte Dinge Anspruch haben, und es sagt ihnen auch keiner."

Doch das Ehrenamt solle nicht zu einer Überforderung führen: "Wir können nicht alles machen", sagt Hünnecke. Einmal im Monat treffen sich die Sprachkurs-Leiter und tauschen sich aus. Aktuell werden noch neue Lehrer gesucht, die nach einer Einarbeitung als Springer eingesetzt werden sollen.

(RP)
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