Katholische Kirche Druck für Reformen immer größer

Krefeld · Auf dem Neujahrsempfang der Region Krefeld/Meerbusch im Bistum Aachen wurde deutlich, dass in der katholischen Kirche immer mehr Gläubige auf Erneuerung der als starr empfundenen Sturukturen drängen.

 Moderne Zeiten beim Neujahrsempfang der Region Krefeld/Meerbusch – thematisch ging es vor allem um Reformen ( v.l.): Hans-Joachim Hofer (Vorsitzender des Krefelder Katholikenrates), Generalvikar Klaus Pfeffer, Pastoralreferentin Elisabeth Vratz und Regionalvikar Thosten Obst.

Moderne Zeiten beim Neujahrsempfang der Region Krefeld/Meerbusch – thematisch ging es vor allem um Reformen ( v.l.): Hans-Joachim Hofer (Vorsitzender des Krefelder Katholikenrates), Generalvikar Klaus Pfeffer, Pastoralreferentin Elisabeth Vratz und Regionalvikar Thosten Obst.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Für den traditionellen Neujahrsempfang der Region Krefeld/Meerbusch im Bistum Aachen, die 126.000 katholische Christen repräsentiert, hatten die Veranstalter das Pax-Christi-Gemeindezentrum an der Glockenspitz gewählt. Der lichte ansprechende Kirchenbau birgt gediegene moderne Kunst der Siebziger. Nichts lässt auf die Alarmstimmung schließen, die den Tenor des offiziellen Teils der Veranstaltung durchzog. In seiner Begrüßung verwies der Vorsitzende des Katholikenrates, Hans-Joachim Hofer, auf den schweren Vertrauensverlust, den die Kirche derzeit durchmache. „Wir wollen und müssen uns verändern“, sagte der Vertreter des maßgeblichen kirchlichen Laiengremiums mit Blick auf die in diesem Jahre beginnende zweite Phase des synodalen Erneuerungsprozesses.

Dieser soll neben der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle strukturelle Neuerungen bewirken, die den Zölibat, die Stellung von Frauen im Kirchenbereich und die Mitarbeit von Laien betreffen. Mit der Einladung des Essener Generalvikars Monsignore Klaus Pfeffer hatte man einen guten Griff getan. Das in den fünfziger Jahren neu gegründete Essener Ruhrbistum stand vor zwölf Jahren dicht vor dem finanziellen Ruin. Seit seiner Gründung hatte das Bistum die Hälfte der Gläubigen verloren. Der Essener Kirchenmann sieht die Gründe der heftigen Krise, die die Kirche durchlaufe, in einem gesellschaftlichen Umschwung, der von Teilen der Kirche noch nicht verstanden worden sei.

Anschaulich beschrieb Pfeffer die Selbstverständlichkeit, mit der er als Junge im ländlichen Sauerland widerspruchslos von den Eltern zur Sonntagsmesse geschickt wurde. Heutzutage gebe es diese festen Milieus nicht mehr, was selbst den Ruhrbischof Overbeck zu der Feststellung gebracht habe, die alte Zeit sei vorbei.

Pfeffer zitierte den kanadischen Phliosophen Charles Taylor, der den heutigen Menschen als Teil eines säkularen Zeitalters beschrieb. Diese Feststellung stehe gegen eine Kultur der Selbstverständlichkeit, auf der die Kirche immer noch Fuß zu fassen suche. Die Kirche sei heute gefordert, auf die Frage schlüssige Antworten zu geben, was es denn einem bringe, wenn er sich der Kirche weiter zugehörig fühl.? Oder konkreter: Wie kann man mit christlichen Impulsen im täglichen Leben bestehen?

Die Krise des Essener Bistums führte zu einer grundlegenden Neuorientierung, ausgehend von Fragestellungen wie: Welche christliche Selbsterfahrung nehmen welche Besucher aus dem Gottesdienst mit? Wie variantenreich ist das Glaubensangebot? Wie verläuft das tägliche Leben der Gemeindemitglieder und wie wirksam sind dabei die kirchlichen Aussagen? Wie nah ist die Kirche noch den heutigen Christen? Pfeffer wollte Mut machen, als er schilderte, wie er seinen Urlaubsort Cluny in Burgund als Kleinstadt erlebte, die ihre große Zeit als klösterliches Reformzentrum im Mittelalter erlebte. Von der damals größten Kirche Europas seien nur Trümmer erhalten.

Aber es sei nicht nur Abbruch spürbar. Ganz in der Nähe zeige das von Frere Roger gegründete multikonfessionelle Glaubenszentrum von Taizé vor allem bei Jugendlichen einen spürbaren Aufschwung. Es gebe also nicht nur Abbruch, sondern genügend Aufbruch, wenn man die richtigen Schlüsse aus der heutigen Situation ziehe. In Essen habe man die Trauzeremonie den Wünschen der zu Trauenden angepasst. Mit einem Pool spezieller Traupriester zelebriere man in ausgesuchten Traukirchen nach den Wünschen der Paare offene Trauzeremonien. Neben zum Kirchenbeitritt verpflichtender Taufen biete man einen Taufsegen für die Familien, der in dieser Form eine erste Annäherung an die Kirche darstellen soll.

Während Pastoralreferentin Elisabeth Vratz „die Beheimatung unserer Kirche in Fremdheit“ umschlagen sieht, beklagte Regionalvikar Thorsten Obst den allgemeinen Klerikalismus, der Neues behindere. Die Zeiten seien aber nicht so. Bis 2030 müssen 50 Prozent aller Kosten eingespart werden. Von den derzeit noch 260 aktiven Priestern im Bistum Aachen würden in wenigen Jahren nur noch 90 übrig bleiben. Obst sieht die bevorstehende Regionalkonferenz als letzte Chance, das kirchliche Steuer herumzudrehen. Dazu müsste offen und konstruktiv diskutiert werden. Damit war genügend Stoff für anschließende Gespräche beim inoffiziellen Teil der Veranstaltung gegeben.

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