Polizeiseelsorger aus Krefeld Dolmetscher zwischen den Welten

Krefeld · Der 56-jährige Pfarrer Folkhard Werth spricht über den Umgang mit dem Tod und seelische Erfahrungen im Grenzbereich. Er ist einer von sieben hauptamtlichen rheinischen Polizeiseelsorgern, entsprechend groß ist sein Einsatzgebiet.

 Folkhard Werth ist seit 2009 Polizeiseelsorger in Krefeld, Duisburg, Kleve, Oberhausen, Wesel und Essen. Zuvor war der 56-jährige Notfallseelsorger für die Feuerwehr im Kreis Düren.

Folkhard Werth ist seit 2009 Polizeiseelsorger in Krefeld, Duisburg, Kleve, Oberhausen, Wesel und Essen. Zuvor war der 56-jährige Notfallseelsorger für die Feuerwehr im Kreis Düren.

Foto: Thomas Lammertz

Es ist nicht unbedingt das "Blaulicht-Adrenalin", das Pfarrer Folkhard Werth an seiner Arbeit reizt. Der evangelische Geistliche aus Uerdingen sieht sich mehr als Begleiter von "Menschen in Uniform, die das Gewaltmonopol des Staates handhaben müssen. Sie halten ihren Kopf für den Staat hin." Gleichzeitig kennt der 56-Jährige den Umgang mit Tod und seelischen Erfahrungen im Grenzbereich. Viele Jahre hatte er bereits als Notfall-Pfarrer für die Feuerwehr im Kreis Düren gearbeitet, bevor er sich 2009 bei der Polizei bewarb. Werth bekam den Job und trägt nun die Polizeianstecknadel am Revers. Er ist einer von sieben hauptamtlichen rheinischen Polizeiseelsorgern, entsprechend groß ist sein Einsatzgebiet: Krefeld, Duisburg, Kleve, Oberhausen, Wesel und Essen gehören dazu.

Duisburg - bei diesem Wort sind Gedankenabläufe programmiert. Auch im Kopf von Folkhard Werth. Die Loveparade-Tragödie brachte auch ihn als Theologen an den Rand der Belastbarkeit. Fast zwei Tage am Stück stand der Pfarrer für Hilfesuchende bereit. Angehörige von Opfern oder Zeugen, aber auch Einsatzkräfte mussten und wollten betreut werden. Besonders die Kriminalbeamten waren tief getroffen. Wie tief eine solche Katastrophe in die Seele geht, zeigt der Zeitraum, über den sich Polizisten an "ihren Pfarrer" gewandt haben.

Trotz dieser Szenarien hat der Theologe den Schritt zum Polizeiseelsorger nie bereut. Nach seinem Studium unterrichtete er 20 Jahre Religion an einer Berufsschule. Es folgte der Wechsel in die Notfallseelsorge. Denn Werth liebt die Menschen, nimmt ihre Schicksale auf - und vermittelt Lebensfreude. Und das, obwohl er gesteht: "Durch die Arbeit ist mir der Tod näher gekommen."

2009 folgte der vorerst letzte Jobwechsel. Das Büro des Uerdingers ist im Polizeipräsidium Essen, doch seine Arbeitsplätze sind die Wachen im Ruhrgebiet und am Niederrhein. Parallel ist das Handy das vielleicht wichtigste Utensil. "Erreichbarkeit steht im Mittelpunkt." Werth kümmert sich um die Psyche von Polizeibeamten, die in ihrem Job immer wieder belastende Entscheidungen treffen müssen oder von jetzt auf gleich mit Situationen wie Verstümmelung menschlicher Körper oder dem Tod konfrontiert werden. "Es sind die unterschiedlichsten Anlässe, die Polizisten dazu bringen, mit mir zu sprechen. Manchmal ist es aber auch nur die Zwickmühle zwischen einerseits formal richtigem Handeln und andererseits dem Zweifel, rein menschlich vielleicht doch Fehler gemacht zu haben."

Wenn die Einsatzkräfte ihre Schusswaffe gebrauchen, sind die Dienste eines Seelsorgers allerdings am nötigsten. Silvester 2015 war eine Frau getötet worden. "Hier ist neben der psychologischen auch die seelsorgerische Begleitung wichtig", so der Pfarrer. Immer wieder - wenn gewünscht - sucht er das Gespräch mit dem Beamten.

Auch äußerlich steht Folkhard Werth ganz bewusst zu seinem Job. Der zweifache Familienvater trägt den typischen blauen Polizeiparker - allerdings mit dem Schriftzug "Seelsorge". Damit ist am Einsatzort für alle Seiten der Auftrag des Pfarrers deutlich erkennbar und führt nicht zu unliebsamen Überraschungen. Denn auch die hat Werth schon erlebt. Eifrige Kollegen hatten in den Anfängen den vermeintlichen Zivilisten mit sanftem Druck weg vom Tatort und hinein in eine gaffende Menge geschoben: "Von den Umherstehenden hatten allerdings einige zuvor registriert, dass ich aus einem Polizeiwagen gestiegen war. Außer bösen Blicken und ein paar Kommentaren habe ich zwar nichts einstecken müssen, das hätte aber auch schnell anders enden können."

Die Kraft für die Arbeit als "seelische Stütze und Dolmetscher zwischen den Welten" schöpft Werth aus der Familie und den Gesprächen mit seiner Partnerin. "Und im Hintergrund kann ich auch auf mein Netzwerk aus Pfarrern und Seelsorgern im Umkreis zurückgreifen."

Übrigens: Offiziell hat Werth an Silvester in diesem Jahr keinen Dienst gehabt. Trotzdem hat er an diesem Abend keinen Alkohol getrunken. - und das Handy war auch diesmal an.

(RP)
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