Krefeld Doktor Faustus - brillant vorgetragen

Krefeld · Beethoven und Thomas Manns Roman "Doktor Faustus" ergaben eine wunderbare Mischung - und Theaterintendant Grosse bewies einmal mehr, dass er als Schauspieler mit schöner Sprechkultur begann.

 Michael Grosse erwies sich als brillanter Vorleser Thomas Mannscher Prosa, deren Sätze lang sind, aber Silbe für Silbe klingen und s(w)ingen.

Michael Grosse erwies sich als brillanter Vorleser Thomas Mannscher Prosa, deren Sätze lang sind, aber Silbe für Silbe klingen und s(w)ingen.

Foto: Stutte

Die Frage, warum Ludwig van Beethoven seine Klaviersonate Nr. 32 in c-Moll, opus 111, nur zweisätzig komponierte, obwohl die Sonatenform eigentlich drei Sätze vorsieht, hat seit ihrer Entstehung 1822 so manchen Kopf beschäftigt. Dass man daraus auch einen geistvoll-unterhaltsamen Abend im Theater machen kann, bewiesen am Freitag Generalintendant Michael Grosse, Pianist André Parfenov und Thomas Mann-Forscher Frank Weiher im Glasfoyer des Stadttheaters.

Thomas Mann nämlich hat im achten Kapitel seines Romans "Doktor Faustus" prima Vorarbeit geleistet. Dort lässt er seinen Erzähler den schrulligen Vortrag des Musiklehrers Wendell Kretzschmar zu dieser Sonate wiedergeben. Das ist nicht nur "eine der grandiosesten Musikbeschreibungen der Weltliteratur", wie Grosse findet, sondern zugleich ein wunderbares Schmunzelstück für Liebhaber der deutschen Sprache.

Manns Meisterschaft im Satzbau ist das eine. Dass der ansonsten eher zur Arroganz neigende Autor seine sprachliche Finesse diesmal bis zur Selbstparodie trieb, gibt dem Text zusätzlichen Reiz, und Grosse, dem feingesponnene Ironie ebenfalls nicht fremd ist, erwies sich als brillanter Vorleser. Ob es um das Desinteresse der Mitmenschen an solchen Vorträgen ging, um sprachliche Eigenheiten Kretzschmars oder um die tief empfundene Liebe von Thomas Mann zur Musik - Grosse gestaltete es mit eleganter Süffisanz so lebendig und vergnüglich, dass die Hörer im gut besuchten Saal gebannt an seinen Lippen hingen und zwischendurch auch gern lachten.

Zuvor hatte Frank Weyer mit einer kompakten Einführung dafür gesorgt, dass der Text in seinen Feinheiten auch von Nicht-Kennern des Romans verstanden werden konnte, insbesondere die Figur des Kretzschmar, in dessen Ausführungen viel Theodor W. Adorno steckte - inklusive eines folgenreichen Missverständnisses. Manche Textstelle erschloss sich aus ihrer ungebrochenen Aktualität heraus, zum Beispiel als Mann seinen Erzähler sinngemäß sagen ließ, wie leicht das Volk bei seinen niederen Instinkten zu packen sei und dass Religion nicht immer das geeignete Mittel sei, diese unter Verschluss zu halten. Dazu brauche es des aufgeklärten, humanistischen Geistes. Wie wahr! Als Parfenov sich dann an den Flügel setzte und das besprochene Opus glänzend interpretierte, verstand man mühelos, warum dem ergreifenden Abschied am Ende des zweiten Satzes kein dritter Satz hatte folgen dürfen, und spendete freudigen Applaus.

Im "Doktor Faustus" geht es um den Komponisten Adrian Leverkühn, der Schwierigkeiten hat, Neues und Großes zu schaffen. Mann verknüpft diese Problematik selbstkritisch mit den geistesgeschichtlichen Wurzeln des Nationalsozialismus.

Theodor W. Adorno leistete dem Wagnerianer Mann wesentliche Hilfestellung zum Verständnis der Musik Beethovens.

(RP)
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