Interview „Die Wälle müssen zum Wahrzeichen werden“

Kreled · Christoph Borgmann, Vorsitzender der Werbegemeinschaft, fordert einen Masterplan für Krefeld.

 Christoph Borgmann, Vorsitzender der Werbegemeinschaft, betreibt in der City ein Sportgeschäft.

Christoph Borgmann, Vorsitzender der Werbegemeinschaft, betreibt in der City ein Sportgeschäft.

Foto: Thomas Lammertz/Lammertz, Thomas (lamm)

Muss die Stadt einen „Masterplan City Krefeld“ aufstellen?

Borgmann Unbedingt, auch wenn das Wort „Masterplan“ oft überzogene Erwartungen weckt. Aber ein klarer Plan, der mindestens zehn Jahre mit ehrgeizigen und machbaren Zielen versehen ist und auf den sich alle Parteien im Konsens verständigen, kann für eine große Aufbruch-
stimmung in einer Stadt sorgen und somit das Interesse vieler Investoren wecken. Das Beispiel „Mönchengladbach 2.0“ zeigt, wie so etwas funktionieren kann. Von daher habe ich nicht zuletzt durch den gerade von der IHK und der Stadt ins Leben gerufenen „Aktionsplan Wirtschaft“ berechtigte Hoffnung, dass jetzt endlich etwas in dieser Richtung passiert.

Wie sehen Sie die derzeitige Situation in der Krefelder Innenstadt?

Borgmann Herausfordernd, aber mit sehr großem Potenzial! Das Wichtigste ist, dass Politik und Verwaltung erkennen, welch große Strahlkraft der Innenstadtkern einer Großstadt haben kann und sollte. Die Innenstadt ist eigentlich immer die Visitenkarte einer Stadt und ehrlich gesagt besteht hier schon ein gewaltiger Verbesserungsbedarf: Die Visitenkarte Krefelds ist zugegebenermaßen ziemlich zerknittert und  ramponiert.

Was würde die Krefelder City aus Ihrer Sicht attraktiver machen?

Borgmann Das ist schwer in einem Satz zu beantworten, da es hierzu einer Vielzahl von Maßnahmen bedarf. Die wichtigsten Punkte für mich sind:

a) Das klare Bekenntnis von Politik und Verwaltung, dass auf die Innenstadt ein ganz besonderes Augenmerk gelegt werden muss, das heißt natürlich auch finanziell.

b) Die vier Wälle müssen mit allerhöchster Priorität „herausgeputzt“ werden, sie müssen das „Wahrzeichen“ von Krefeld werden, neben der Dio-Kirche. Jeder Krefelder, der fremden Besuchern die besonders schönen Dinge der Stadt zeigen will, muss als erstes zu den Wällen fahren, das ist meine Vision!

c) Und dafür muss es einen „Quantensprung“ in Sachen Sicherheit und Sauberkeit geben, es reicht nicht, dass diese Punkte ein „bisschen“ besser werden, sondern sie müssen viel, viel, viel besser werden. Das von Oberbürgermeister Frank Meyer vorgestellte Konzept „Handeln und Helfen“ unterstützen wir ausdrücklich, aber es muss jetzt auch schnell sichtbare Erfolge zeigen. Es gibt noch eine Vielzahl weiterer wichtiger Punkte, wie zum Beispiel im kürzlich vorgestellten Zehn-Punkte-Plan dargestellt, aber ich glaube, sollten diese ersten Maßnahmen sichtbar angegangen werden, werden weitere automatisch folgen.

Viele fordern für die Innenstadt neue Verkehrs- und Parkraumkonzepte. Wie bewerten Sie das?

Borgmann Das letzte Parkraumkonzept stammt meines Wissens aus den 80er Jahren, ist also mehr als 30 Jahre alt. Insofern beantwortet sich diese Frage fast von selbst. Was ich mir allerdings wünsche, ist, dass ein Konzept erstellt wird, welches sich an den Wünschen und Bedürfnissen aller Beteiligten orientiert, und nicht aus irgendwelchen ideologischen Hintergründen meint, die Nutzer einer Innenstadt – und damit meine ich Bewohner, Angestellte, Händler, Dienstleister sowie Besucher und Kunden gleichermaßen – „erziehen“ zu wollen. Das geht nämlich in den allermeisten Fällen schief. Somit wird so ein Konzept zugegebenermaßen sehr kompliziert, aber ein solcher Ballungsraum ist nun mal auch komplexer als ein Gewerbegebiet auf der grünen Wiese. Es lohnt sich also, das von allen Seiten zu beleuchten. Von daher warte ich mit Spannung auf das in Auftrag gegebene Mobilitätskonzept.

Wie sehen Sie die Situation des Einzelhandels in der Innenstadt?

Borgmann Der Einzelhandel steht im Moment sicherlich vor einer großen Bewährungsprobe. Der Online-Anteil ist im „Non-Food“-Bereich bei etwa 15 bis 20 Prozent angelangt, das ist schon beachtlich. Allerdings sind die Wachstumsraten bei den Online-Anbietern auch nicht mehr steigend. Das heißt im Klartext, dass diese jetzt auch zwingend Geld verdienen müssen und sie ihre Geschäfte nicht mehr nur über Wachstumsprognosen finanzieren können, insofern wird das jetzt spannend werden, wer wirklich über nachhaltig rentable Konzepte verfügt und wer nicht. Ich glaube, dass diejenigen Geschäfte, die diese „Durststrecke“ der vergangenen Jahre geschafft haben, sich jetzt selbstbewusst der Zukunft stellen können. Aber eines ist klar: Der Kunde von heute ist wesentlich anspruchsvoller geworden, als er es früher war. Als stationärer Einzelhändler muss daher heutzutage deutlich mehr geleistet werden als früher, und zwar in allen Belangen. Speziell in Krefeld tut sich im Moment enorm viel, die südliche Hochstraße (ab Neumarkt) war vergangenes Jahr mit sehr vielen Leerständen der größte Problembereich. Heute registriere ich mit Freude, dass dort sehr viele neue Geschäfte entstanden sind (das Besteck- und Porzellangeschäft) oder demnächst eröffnen (Kostüme Deiters am Neumarkt). Und auch bei der Königstraße bin ich mir sicher, dass wir dort in nächster Zeit wieder einige neue Geschäfte begrüßen können.

Welche Chance haben inhabergeführte Geschäfte?

Borgmann Ehrlich gesagt, gibt es für mich keine Unterscheidung, ob ein Geschäft inhabergeführt ist oder nicht. Es gibt eigentlich nur die Unterscheidung, ob ein Geschäft gut ist oder schlecht, beziehungsweise erfolgreich oder nicht erfolgreich. Und da in der Regel die erfolgreichen Geschäfte diejenigen sind, die über ein klares Konzept verfügen, sich aber auch schnell auf Marktveränderungen einstellen können, sind inhabergeführte Geschäfte per se nicht im Nachteil.

Viele Bürger hadern mit dem Leerstand. Wie schätzen Sie die Situation ein?

Borgmann Leerstände spiegeln den „Markt“ wider, sie sind das Ergebnis von Angebot und Nachfrage. Kein Händler macht freiwillig sein Geschäft zu, wenn er dort gute Geschäfte macht, insofern stecken ja hinter Geschäftsschließungen oft auch Schicksale für Angestellte, Geschäftsinhaber oder auch Vermieter. Ich erlebe das ja häufig in Gesprächen im Bekanntenkreis, der Gesprächsverlauf geht dann oft so: „Hast Du schon gehört, das Geschäft x/y hat zugemacht? Ist das nicht furchtbar?“ Auf meine Gegenfrage „Wann hast Du denn das letzte Mal dort etwas gekauft?“, ernte ich dann meistens betretenes Schweigen. Mir liegt es fern, Kunden „erziehen“ zu wollen, sie handeln in der Regel sehr rational, aber manchmal würde ich mir schon wünschen, dass der ein oder andere zumindest darüber nachdenkt, ob er bestimmte Produkte nicht regional einkauft und damit die heimische Wirtschaft stärken will, bevor er es aus reiner Bequemlichkeit bei internationalen Online-Anbietern per Mausklick bestellt.

Verwaltung und Politik sind auf der Suche nach einem geeigneten Konzept für das Seidenweberhaus. Was sind Ihre Eindrücke?

Borgmann Zunächst einmal handelt es sich ja in der Tat um eine fundamentale Entscheidung für die Krefelder Innenstadt, die mit hohen Investitionen verbunden ist, von daher ist es richtig, das von allen Seiten zu beleuchten. Meines Erachtens sind aber alle Argumente ausgetauscht, jetzt müssen endlich die Alternativlösungen im Detail einander gegenübergestellt werden, und dann muss es zu einer Entscheidung kommen. Diese Entscheidung wird nicht allen zu 100 Prozent schmecken, aber dies darf nicht das Argument sein, es nicht zu entscheiden. Natürlich wünsche ich mir, dass mit einer neuen Lösung mehr Menschen in die City kommen, das muss das Ziel sein. Von daher fand ich die kürzlich von der Verwaltung ins Spiel gebrachte Lösung, die Funktionen des Stadthauses in die Achse Theaterplatz-Rathaus umzusiedeln, äußerst spannend. Alles, was Leben in die Innenstadt bringt, ist positiv und gut.

In Krefeld hat sich die Geschäftswelt in den vergangenen Jahren stark verändert. Ist die Arbeit des Werberings schwieriger geworden?

Borgmann Die Werbegemeinschaft ist gut aufgestellt, wir haben ein sehr gutes Vorstandsteam, wo alle sich mit hohem zeitlichen Engagement einbringen, übrigens alles ehrenamtlich. Von daher schaue ich positiv in die Zukunft. Dennoch sind die Ansprüche von Besuchern und Kunden der Innenstadtveranstaltungen stetig gewachsen. Daher wir müssen permanent schauen, wie wir noch mehr Qualität in die Veranstaltungen hineinbekommen. Hier müssen wir – glaube ich – noch enger mit dem Stadtmarketing zusammenarbeiten, denn alle Veranstaltungen sind im Endeffekt auch imagebildend für Krefeld. In der Tat schwieriger geworden ist die Zusammenarbeit mit vielen Filialisten. Hatten früher Filialleiter noch einen gewissen Handlungsspielraum und verfügten über ein gewisses lokales finanzielles Budget, so ist das in den vergangenen Jahren immer mehr zusammengestrichen worden. Das empfinde ich als höchst unsolidarisch, aber auch betriebswirtschaftlich unsinnig, denn lokale Handlungsspielräume sorgen für zusätzliche Motivation bei den Angestellten. Wir verfügen in unserem Firmenverbund selbst über Filialen, hier haben die lokalen Verantwortlichen sogar die Pflicht, sich ins örtliche Geschehen einzubringen.

Welche Hürden stehen bei der Belebung der City im Weg?

Borgmann Die Thematik der Sicherheitskonzepte stellt uns vor immer größer werdende organisatorische und auch finanzielle Hürden, speziell nach dem furchtbaren Vorfall in Münster. Diese Auflagen werden in allen Städten höchst unterschiedlich gehandhabt, über viele Anforderungen kann man oft nur den Kopf schütteln. Und ehrlich gesagt, kein Sicherheitskonzept der Welt kann für 100-prozentige Sicherheit sorgen, wenn einer oder eine Gruppe etwas Böses im Schilde führt. Dessen muss man sich einfach bewusst sein.

Wo sehen Sie die anderen, vielleicht ganz modernen Ansprüche der Krefelder an ihr Zentrum?

Borgmann Davon gibt es eine ganze Menge. Wenn ich sehe, dass es zum Beispiel in vielen Städten dieser Welt ganz normal ist, über ein freies WLan-Netz zu verfügen, dann sind wir hier – nicht nur in Krefeld, sondern in ganz Deutschland – noch Lichtjahre zurück. Die digitale Aufholjagd muss wirklich jetzt beginnen. Ein weiterer ganz wesentlicher Anspruch in der jetzigen Zeit ist Schnelligkeit, davon können wir in Krefeld in allen Belangen gar nicht genug bekommen.

Auswärtige bewerten die Vielfalt der Angebote in Krefeld unterm Strich deutlich besser als Einheimische. Warum?

Borgmann Weil Krefeld einfach besser und schöner ist, als es viele Einheimische sehen. Das ist für mich generell eines der größten Geheimnisse Krefelds: Warum wird immer nur das Negative herausgestellt und dem Positiven so wenig Beachtung geschenkt? Rätselhaft…..

Was passiert in der restlichen Innenstadt außerhalb des Kernbereichs um die Hochstraße?

Borgmann Die Achse Rheinstraße, nördliche und südliche Hochstraße, Königstraße, Behnisch-Quartier und große Teile des Ostwalls werden auch in Zukunft einen sehr kompakten Teil des Einzelhandels abbilden. Um diese „Kompaktheit“ werden wir von anderen Städten beneidet.

Was sind für Sie die zentralen Faktoren für eine vitale und funktionierende Innenstadt?

Borgmann Gute Erreichbarkeit mit unterschiedlichsten Verkehrsmitteln, ein guter Mix aus Wohnen, Arbeiten, Handel, Gastronomie und Kultur, spannende und qualitätsvolle Architektur, grüne Oasen sowie das Herausarbeiten der absoluten Besonderheiten - Wälle und Platz um die Dio-Kirche - und das Herz der Stadt an der Achse Schwanenbrunnen, evangelischer Kirch-Platz und Platz an der alten Kirche.

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