Die Niederrheinischen Sinfoniker in Krefeld Großer Jubel fürs Elefantenkonzert von Sergej Rachmaninow

Krefeld · Gastdirigent Marcus Bosch und der Klaviervirtuose Konstantin Emelyanov glänzten mit einer Interpretation, die für russische Künstler ungewöhnlich ist. Wie er das „unspielbare“ Werk bändigte.

 Konstantin Emelyanov am Piano beisterte das Publikum mit der „Rach3“

Konstantin Emelyanov am Piano beisterte das Publikum mit der „Rach3“

Foto: Samla Fotoagentur/samla.de

Lange galt das 3. Klavierkonzert d-Moll op. 30  von Sergej Rachmaninow als „unspielbares Elefantenkonzert“, und Berechnungen haben ergeben, dass es von allen Klavierkonzerten das mit den meisten Noten pro Sekunde im Solopart ist. Der Komponist selbst bewältigte die drei in Bezug auf Virtuosität, Lyrik, Eleganz, Ausdauer und Kraft enormen Anforderungen erst nach ausgiebigem Üben, und lediglich Wladimir Horowitz gestand Rachmaninow „eine bessere Interpretation“ zu. In Deutschland war Walter Gieseking der Erste, der sich den Herausforderungen stellte. Heute gehört „Rach3“ zu den Meilensteinen in der Karriere jedes Pianisten.

Beim 4. Sinfoniekonzert im Seidenweberhaus war der junge russische Klaviervirtuose Konstantin Emelyanov, der 2019 den 3. Preis und den Publikumspreis beim 16. Internationalen Tschaikowsky-Wettbewerb gewann, Solist des „Elefantenkonzertes“. Er überraschte das Publikum mit einer Wiedergabe, die für russische Musik völlig ungewohnt ist. Über weite Strecken war seine Herangehensweise an klassischen Vorbildern orientiert –  mit dieser bestechenden Durchsichtigkeit könnte auch Haydn oder Mozart interpretiert werden. Das kam dem eingängigen, von zahlreichen liedhaften Passagen durchzogenen Opus sehr entgegen - selbstverständlich standen dem ganz unauffällig agierenden Künstler in den opulenten Steigerungen auch mächtiger und  kraftvoller Zugriff zu Gebote. So genossen die Zuhörer eine großartige und aufgrund ihrer Andersartigkeit ungemein fesselnde Wiedergabe auf allerhöchstem Niveau, dem die Niederrheinischen Sinfoniker - umsichtig geleitet von Gastdirigent Marcus Bosch – sorgsam abgewogenes und adäquates Geleit gaben. Für den frenetischen Applaus dankte der bescheidene Gast mit zwei kapriziösen Zugaben.

Marcus Bosch, vielen Musikfreunden vielleicht noch aus seiner zehnjährigen Tätigkeit als überaus rühriger Generalmusikdirektor in Aachen bekannt, ist nach siebenjähriger GMD-Tätigkeit in Nürnberg seit 2020 Chefdirigent der Norddeutschen Philharmonie Rostock. Er hat internationale Dirigierverpflichtungen und leitet eine Direktionsklasse an der Musikhochschule  München. 2010 gründete er die Opernfestspiele in seiner Heimatstadt Heidenheim.

Als Bosch  - passend zum Rachmaninow-Klavierkonzert – die 5. Sinfonie B-Dur op.100 von Sergej Prokofjew auswählte, konnte noch niemand ahnen, dass es inzwischen für die Akteure wie für das Publikum kaum möglich ist, ein solches Werk unbelastet anzuhören. Der Komponist selbst brachte das groß besetzte teils äußerst opulente Opus am 13. Januar 1945, dem Tag des kriegsentscheidenden Sieges der Roten Armee an der Westfront, zur Uraufführung. Der Deutung, es sei eine patriotische Sinfonie, hat der Tonschöpfer nie widersprochen.

Vom Gastdirigenten überlegen und sorgfältig geführt, stellte das in allen Belangen bestens disponierte Orchester die musikalischen Gedanken wie auch die rhythmische Vielfalt (mit teils tänzerischen Anklängen) der vier sehr gegensätzlichen Sätze überzeugend dar. Bosch hatte die Zügel zwar fest in der Hand, konnte aber auch loslassen, um der Vielzahl solistischer Glanzleistungen Raum zu geben. Großer Beifall.

Zweites Konzert: Freitag, 3. Februar,  20 Uhr, Seidenweberhaus

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