Christoph Borgmann "Die Kunden ticken anders"

Krefeld · Christoph Borgmann ist seit einem Jahr Vorsitzender der Werbegemeinschaft. Wir sprachen mit ihm über Herausforderungen des Handels, Sauberkeit in der City und den trügerischen Segen von Fördermillionen.

 Christoph Borgmann, Vorsitzender der Krefelder Werbegemeinschaft und Geschäftsführer von Intersport Borgmann.

Christoph Borgmann, Vorsitzender der Krefelder Werbegemeinschaft und Geschäftsführer von Intersport Borgmann.

Foto: Thomas Lammertz

Beginnen wir mit einem kurzen Rückblick. Überregional konnte man lesen, dass das Weihnachtsgeschäft bundesweit ganz ordentlich war. Wie war es in Krefeld?

Borgmann Unterm Strich war es im stationären Handel bei uns stabil. Wenn Sie mich fünf Tage vor Weihnachten gefragt hätten, hätte ich gesagt: mies. Aber zum Ende hin war es dann doch zufriedenstellend.

Spielte die Besonderheit, dass zwischen dem vierten Advent und Heiligabend noch eine Woche lag, eine Rolle?

Borgmann Wir hatten 2011 die gleiche Konstellation. Wenn wir die Zahlen vergleichen, muss man schon sagen: Es ist mühsam.

Und wie ist die Stimmung jetzt am Beginn des Jahres?

Borgmann Allen Beteiligten ist bewusst, dass die Zeiten nicht einfach sind und es großer Anstrengungen bedarf, um erfolgreich zu sein. Man muss nicht drumherumreden: Der Onlinehandel ist stärker gewachsen als der stationäre. Das bedeutet für die stationären Händler: Sie müssen ihre Stärken stärken, noch mehr auf Erlebniseinkauf setzen, und sie müssen ihre Kunden besser verstehen. Die Kunden ticken heute eben anders.

Und wie ticken sie?

Borgmann Kunden von heute sind informierter. 39 Prozent der Einkäufe im stationären Handel werden mittlerweile online vorbereitet. Solche Kunden muss man anders ansprechen, man muss qualifiziert auf ihr Vorwissen eingehen. Das stellt neue Anforderungen an die Mitarbeiter, den Kunden dort abzuholen, wo er steht. Ich werde nicht müde, das immer wieder zu predigen.

Zu Zeiten der Baustelle an der Haltestelle Ostwall/Rheinstraße hat der Handel über massiven Frequenzverlust geklagt. Ist das jetzt nach Abschluss der Baustelle besser geworden?

Borgmann Ja, es ist besser geworden, aber das Thema Frequenzverlust hat sich damit für den Handel nicht erledigt. Es gibt generell Frequenzverluste in den Städten. Das hat auch mit veränderten Lebensbedingungen zu tun. Heute sind oft beide Ehepartner berufstätig, damit werden die Zeitfenster zum Einkaufen schlicht enger.

Also ist Frequenzverlust Schicksal?

Borgmann Nein, natürlich muss man versuchen, Frequenz zu schaffen; das tun wir ja auch, zum Beispiel durch die Events in der City. Jeder Händler muss sich aber auch tagtäglich auf die neue Lage einstellen. Der Wettbewerb ist härter geworden, und wir werden härter abgestraft als früher, wenn etwas nicht stimmig ist. Werbung, digitale Präsenz im Internet, die Gestaltung des Geschäfts, eine präzisere Einstellung auf Wünsche und Bedürfnisse der Kunden - Händler müssen hier mit Leidenschaft und Herzblut dabei sein. Gerade der berühmte digitale Wandel wird immer noch vernachlässigt. 82 Prozent der Kunden suchen heute Informationen im regionalen stationären Handel. Das heißt, dass ich als Händler online auch auffindbar sein muss.

Wo sehen Sie Krefeld? Gemessen an der Zahl der Großbaustellen in der Stadt kann man sagen, dass die City ihr Gesicht verändert, verjüngt.

Borgmann Ja, das ist so, und das ist gut. Die Entwicklung ist sehr positiv.

Haben Sie das Gefühl, dass Pflege und Verschönerung der City intensiv genug betrieben werden?

Borgmann Da würde ich mir mehr wünschen. Wir haben die Grundsatzentscheidung in Krefeld getroffen, die ganze City als Einkaufscenter zu begreifen. Und da kann man doch mehr in Sachen Sauberkeit, Pflege und Verschönerung tun. Wir brauchen mehr Herzblut und auch mehr Geld. Vor allem Sauberkeit ist ein wichtiger Punkt. Ich sehe beim Thema Sauberkeit aber auch die Händler in der Pflicht. Ganz ehrlich: Wer kein Geld hat, regelmäßig seine Scheiben zu reinigen, der sollte besser kein Geschäft eröffnen. Und man muss auch an die Adresse der Bürger sagen: Es ist manchmal unverständlich, wie mit öffentlichem Eigentum umgegangen wird. Ich will hier nicht immer nur die Stadt in die Pflicht nehmen.

Die Stadt sagt zum Beispiel, dass die Einhausung der Treppenabgänge für die Rathaus-Tiefgarage mit 300.000 Euro zu teuer sei.

Borgmann Na ja, ich frag mich schon manchmal, wo solche Kosten herkommen. Für 300.000 Euro bekommt man ein Einfamilienhaus. Generell ist es auch eine Frage der Prioritäten. Nehmen Sie das Stichwort Förderprogramme. Es hört sich immer gut an, wenn eine Stadt Millionen an Fördergeld bekommt. Man darf aber nicht vergessen, dass die Stadt immer auch einen Eigenanteil liefern muss. Ich plädiere dafür, sich erst einmal auf die grundlegenden Dinge zu konzentrieren. Dazu gehören für mich Sauberkeit in der City und saubere, sichere Parkhäuser. Hier müssen wir vorankommen.

Stichwort verkaufsoffener Sonntag. Die Gewerkschaft Verdi macht Front dagegen, der erste Krefelder verkaufsoffene Sonntag ist durchwachsen gewesen. Verlieren diese Sonntage an Bedeutung?

Borgmann Nein. Es sind gute Gelegenheiten für eine Stadt, entspannte Atmosphäre für einen Erlebniseinkauf zu schaffen. Ich gehöre aber nicht zu denen, die eine Ausweitung fordern; der offene Sonntag muss eine Ausnahme bleiben, und im Prinzip können wir mit vier verkaufsoffenen Sonntagen pro Standort auch gut leben. Allerdings ist das Gesetz, das wir in NRW haben, untauglich für die Praxis. Eine Regelung besagt zum Beispiel, dass an verkaufsoffenen Sonntagen die Eventfläche so groß sein muss wie die Einzelhandelsfläche. Für Krefeld wären das 100.000 Quadratmeter. Das geht doch nicht. Eine andere Auflage lautet: Es müssen mehr Besucher des Events wegen kommen als zum Einkaufen. Wie soll man so etwas denn kontrollieren? Hier wird dem stationären Handel das Leben unnötig schwergemacht. Im Übrigen haben wir in Krefeld Verdi frühzeitig ins Boot geholt und arbeiten gut mit der Gewerkschaft zusammen. Wenn ich an die Klagen in anderen Städte denke, verstehe ich die Gewerkschaft manchmal nicht. Ausfallende Umsatzerlöse an solchen Sonntagen schwächen den Handel weiter und bedrohen am Ende Arbeitsplätze. Unabhängig davon: Dieses Gesetz ist einfach schlecht; das muss dringend verbessert werden.

Sie sind nun etwa ein Jahr Vorsitzender der Werbegemeinschaft. Wo steht der Verband?

Borgmann Ich denke, wir sind auf einem guten Weg. Die Zahl der Mitglieder ist von 42 auf 68 gestiegen; bis 2018 wollen wir auf 100 Mitglieder anwachsen. Wir haben eine sehr motivierte Vorstandsmannschaft, mit der es großen Spaß macht zusammenzuarbeiten. Ich bin froh, dass wir zunehmend Gastronomen mit ins Boot holen; gastronomische Konzepte sind für Stadtfeste und überhaupt für das Erlebnis Innenstadt sehr wichtig. Da wünsche ich mir noch mehr Engagement.

Gibt es für dieses Jahr Veränderungen bei den Veranstaltungen?

Borgmann Ja. Es wird kein Ski-Event mehr geben; die Veranstalter aus Kaiserwinkl ziehen nach Aachen weiter. Das ist auch Ok nach zwei Jahren. Neu ist: Es wird im Sommer auf dem Dionysiusplatz eine karibische Nacht geben; der Platz wird mit Sand aufgeschüttet, und es wird entsprechende Angebote geben. Wir als Einzelhandel ziehen mit und begleiten das Ganze. Das wird eine runde Sache.

JENS VOSS FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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