Krefeld Die Geschichte eines schlimmen Todes

Krefeld · Ein Mann wird aus dem Krankenhaus entlassen - und stirbt Stunden später an Darmverschluss. Die Angehörigen fragen sich, ob das Krankenhaus die sich anbahnende Katastrophe nicht hätte bemerken müssen. Darmverschluss ist rasch lebensbedrohlich.

 Winfried und Sabine Hubmann berichten vom Tod ihres Vaters nach einem Darmverschluss. Er starb noch an dem Tag kurz vor Mitternacht, an dem er aus dem Helios-Klinikum in Hüls entlassen worden war.

Winfried und Sabine Hubmann berichten vom Tod ihres Vaters nach einem Darmverschluss. Er starb noch an dem Tag kurz vor Mitternacht, an dem er aus dem Helios-Klinikum in Hüls entlassen worden war.

Foto: Thomas lammertz

Die Geschwister Hubmann stehen vor einem möglicherweise langen Weg der Gutachten: Die Frage ist, ob der Tod ihres Vaters hätte verhindert werden können. Die Geschichte dahinter ist schlimm: Ihr 89-jähriger Vater ist morgens aus dem Helios-Krankenhaus in Hüls entlassen worden - und kurz vor Mitternacht gestorben an den Folgen eines Darmverschlusses. Die Geschwister sagen: Das Krankenhaus hat Anzeichen für die sich anbahnende Katastrophe übersehen. Das Krankenhaus erwidert: Behandlung und Entlassung waren einwandfrei; der Fall ist tragisch und schicksalhaft. Nun haben sich beide Seiten darauf geeinigt, die Gutachterkommission der Ärztekammer Nordrhein einzuschalten.

Nichts deutete auf eine so dramatische Wendung hin, als Winfried Hubmann seinen Vater am 10. Mai ins Krankenhaus einliefern ließ. Hubmann ist selbst Betreuer in der Altenpflege und hat auch seinen Vater intensiv gepflegt. Grund für die Einlieferung: Der Vater wirkte insgesamt schwächer, kurzatmiger; der Sohn machte sich Sorgen, dass irgendetwas mit dem Herzen nicht stimmte. Der alte Herr kam schließlich ins Helios nach Hüls, in die Geriatrie dort. Die Untersuchungen, so berichtet es Hubmann, ergaben keinen Befund; das EKG war unauffällig, der Vater war seinem Alter gemäß gesund. Dennoch blieb er in der Klinik, "wir päppeln ihn etwas auf", habe ein Arzt gesagt, berichtet Hubmann. 16 Tage blieb der Vater schließlich im Krankenhaus. Was den Sohn im Nachhinein umtreibt: Für drei Tage in diesem Zeitraum sei ein für den Vater wichtiges Medikament abgesetzt worden, das er zur Verdauung brauchte. Als der Sohn intervenierte und drängte, es wieder einzusetzen, wurde es wieder verabreicht.

In den Tagen vor der Entlassung hat sich das Gesamtbefinden des Vaters nach Darstellung der Geschwister eher verschlechtert: Ihm war schlecht, er war appetitlos, der Bauch war gebläht, die Verdauung funktionierte nicht richtig. In der Klinik seien eine rektale Untersuchung vorgenommen und ein Klistier verabreicht worden; der Vater habe auch Stuhlgang gehabt, aber nur wenig - trotz der Vergabe von Abführmitteln, berichtet der Sohn. Dann sei der Vater am Dienstag nach Pfingsten entlassen worden. Der Sohn sagt: Die Klinik hätte die Anzeichen eines Darmverschlusses erkennen und Standarduntersuchung anwenden müssen: Ultraschall, Röntgen oder Darmspiegelung.

Der Zustand des Vaters jedenfalls verschlechterte sich nach der Entlassung an jenem fatalen Dienstag rasch. Er hechelte, ihm war schlecht, "er war nicht in der Lage, sich auf einen Stuhl zu setzen", berichtet der Sohn. Erst dachte man, es liege an der Anstrengung der Entlassung und der Überführung nach Hause. Doch etwas stimmte ganz und gar nicht - Pfleger alarmierten am Nachmittag die Tochter. Als sie zu ihrem Vater kam, war sie entsetzt: "Mein Vater brodelte", beschreibt sie ihren Eindruck; das Atmen war begleitet von brodelnden Geräuschen; wie sich später herausstellte: Lunge und Bronchien waren zu diesem Zeitpunkt schon mit Material aus dem Darm geflutet, der arme Mann erbrach es auch - eineinhalb Liter Flüssigkeit sollen es gewesen sein.

Der Mann kam schließlich mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus Maria Hilf und dort auf die Intensivstation. Da war es wohl schon zu spät, resümieren die Geschwister: Das Material in der Lunge provoziere eine Sepsis, eine Blutvergiftung, sagt der Sohn; sein Vater starb kurz vor Mitternacht. Das Helios-Klinikum reagierte mit Bestürzung und Betroffenheit auf den Fall; allerdings sieht es keine Behandlungsfehler. Hier die Stellungnahme der Klinik auf Anfrage unserer Zeitung:

"Wir haben den Angehörigen gegenüber unsere aufrichtige Anteilnahme zum Ausdruck gebracht. Auch in der Klinik hat die Nachricht zum plötzlichen Tod des Patienten große Betroffenheit ausgelöst. Wir haben den stationären Verlauf daraufhin eingehend geprüft und mit allen an der Behandlung Beteiligten noch einmal ausführlich diskutiert. Nach kritischer Bewertung gibt es aktuell keinen Hinweis darauf, dass das Versterben des Patienten ursächlich durch einen Behandlungsfehler verursacht wurde, vielmehr scheint es sich um einen schicksalhaften Verlauf zu handeln. Auch wenn Patienten in einem altersentsprechend guten Allgemeinzustand entlassen werden, können gerade bei älteren Patienten andere oder neue Erkrankungen in einem sehr kurzen zeitlichen Abstand eskalieren, was so vorher nicht immer abzusehen ist. Natürlich wissen wir aber um die Möglichkeit, dass auch wir uns irren können und haben den Angehörigen daher zugesichert, das von ihnen gewünschte Verfahren bei der unabhängigen Gutachterkommission der Ärztekammer Nordrhein uneingeschränkt zu unterstützen. Wir sind der Überzeugung, dass die Begutachtung des Sachverhaltes durch eine unabhängige Stelle im Sinne beider Beteiligten eine sinnvolle und faire Lösung darstellt. Deshalb werden wir das Begutachtungsverfahren aktiv einleiten."

Die nächste Station wird die Gutachterkommission bei der Ärztekammer Nordrhein sein. Diese 1975 gegründete Stelle hat nach eigenen Angaben die Aufgabe "festzustellen, ob einer Ärztin oder einem Arzt, die der Ärztekammer als Mitglied angehören, ein Behandlungsfehler in Diagnostik oder Therapie vorzuwerfen ist". Die Teilnahme ist freiwillig. Die Feststellungen der Kommission sind für die Beteiligten nicht rechtsverbindlich, sind aber "sehr häufig Grundlage für eine außergerichtliche Erledigung von Arzthaftpflichtstreitigkeiten".

Die Geschwister Hubmann wollen den Weg der Gutachten weitergehen: "Wir möchten vor allem, dass sich so etwas nicht wiederholt", sagen sie.

(RP)
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