Handwerk Die Baubranche bekommt ein neues Gesicht

Krefeld · Die Baubranche wird jünger, bewusster und stellt sich den Herausforderungen der Zeit. Abiturientin Esther ist ein Beispiel für die neue Generation an Handwerkern. Sie erweitert aktuell ihren Horizont mit einem Team von Auszubildenden bei einem Projekt des BZB im Indischen Ozean.

 Mit diesem Aufsteller und Lehrling Esther werben die Bildungszentren des Baugewerbes (BZB) für die Ausbildung zum Maurer.

Mit diesem Aufsteller und Lehrling Esther werben die Bildungszentren des Baugewerbes (BZB) für die Ausbildung zum Maurer.

Foto: BZB

Die Baubranche ist im Wandel. Sie muss sich verändern. Nachhaltigkeit, graue Energie, Klimawandel sind nur einige Stichwörter für die große Herausforderung. Die Branche weiß darum. Und sie ist weiter, als viele denken. Esther Schoofs ist ein Beispiel für junge, intelligente und bewusst lebende Menschen, die in den Bildungszentren des Baugewerbes (BZB), in den Berufsschulen und ihren Lehrbetrieben das berufliche Rüstzeug erlernen.

Das BZB feiert in diesen Tagen sein 40-jähriges Bestehen. Während der Jubiläumswoche ist ein zehnköpfiges Team von Auszubildenden verschiedener Gewerke rund 10.000 Kilometer entfernt auf der französischen Insel La Reunion östlich von Madagaskar im Indischen Ozean, um andere Kulturen, andere Arbeitsweisen und andere Menschen kennenzulernen. Für die 23-jährige Esther war sofort klar, dass sie mitreisen möchte. Die Abiturientin ist neugierig und lebt bewusst. Das ist auch ein Grund, warum sie sich fürs Handwerk und für eine Maurerlehre entschieden hat. Sie möchte mit den Händen arbeiten, etwas Sinnvolles tun und am Ende des Tages sehen, was sie geschafft hat.

Ihr Lehrherr Antonius Kiwall beschäftigt sich hauptsächlich mit historischer Substanz, mit denkmalgeschützten Gebäuden und bevorzugt über Generationen bewährte Methoden. Esther arbeitet mit alten Klinkern oder mit Lehm und rührt den Mörtel ohne chemische Zusätze, die ein Trocknen beschleunigen oder verzögern. Das ist eine Qualität, die der jungen Frau im männerdominierten Umfeld gefällt.

 Das Projekt heißt „Women can build“.

Das Projekt heißt „Women can build“.

Foto: BZB

Anfangs hat sie sich gegen ihr Alleinstellungsmerkmal sanft gewehrt. Doch mit Unterstützung der Europäischen Union stellt auch das BZB in dem Projekt „Women can build“ heraus, dass auch Frauen der Zugang zu den Berufen der Baubranche offen ist. In der Werkhalle der Maurer baut jeder Lehrling ein freistehendes Mauerstück auf. „Das ist eine klassische Aufgabe“, sagt Esther. Sie beginnt mit dem Aufbau eines neuen Mauerwerks und setzt die erste Reihe, die die Form der Konstruktion vorgibt. „Wenn der erste Stein schräg steht, bekommt man nicht so ein schönes gerades Lot hin. Die unterste Schicht gibt das gesamte Maß vor“, erklärt Esther. Sie setzt Ecksteine, misst präzise mit der Wasserwaage aus, ob diese gerade stehen und befestigt eine Schnur an deren Ecken, um die Höhe für die nächsten Steine vorzugeben. „Wenn ich den nächsten Stein setze, sehe ich anhand der Schnur, ob dieser auf einer Höhe mit den anderen liegt. Somit ist dieser automatisch in Waage.“

 Im BZB lernt Esther die Handgriffe fürs Mauern.

Im BZB lernt Esther die Handgriffe fürs Mauern.

Foto: BZB

Esther wird von Antonius Kiwall, Maurermeister und Restaurateur der Antonius Kiwall & Söhne GbR, einem Betrieb für handwerkliche Denkmalpflege mit einem Schwerpunkt auf nachhaltigem Bauen, ausgebildet. Die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung findet im BZB Krefeld statt. Sie hatte vorab auch Praktika in einer Zimmerei, in der Flechtwerkgestaltung, Raumausstattung und Landwirtschaft gemacht und  ein freiwilliges Jahr bei der Stiftung Denkmalpflege absolviert, ehe sie sich für eine Ausbildung zur Maurerin entschied.

 Ein BZB-Team ist derzeit auf La Reunion, um zu lernen.

Ein BZB-Team ist derzeit auf La Reunion, um zu lernen.

Foto: BZB

In ihrer Klasse ist Esther die einzige Frau. Woran könnte das liegen? „Ich glaube, dass das Vorurteil von Männern auf der Baustelle, die Mädels hinterherpfeifen immer noch in vielen Köpfen vorherrscht. Außerdem fürchten viele Frauen wahrscheinlich, dass sie schwere Lasten tragen müssen. Dabei gibt es Erleichterung durch Technik wie den Maurerkran oder Winkelschleifer. Bei vielen Aufgaben, die früher per Hand ausgeführt wurden, nutzt man heutzutage Maschinen“, sagt sie.

In ihrem Ausbildungsbetrieb lernt sie auch, nachhaltig zu arbeiten. Dort werden Baustoffe eingesetzt, die weniger Abfall produzieren und bereits verwendete Materialien wiederverarbeitet. Im Sinne der Kreislaufwirtschaft nutzt der Betrieb Baumaterialien, die sich auch nach dem Abbruch voneinander trennen lassen, um dann erneut eingesetzt zu werden. Die BZB entwickeln derzeit einen kostenfreien Online-Kursus zum Thema „Umgang mit Bau- und Abbruchabfällen“, gemeinsam mit vier weiteren Partnern des europäischen Projektes „CODESMA“. Der Kursus steht ab April 2020 Interessierten, vom Auszubildenden bis zum Bauleitenden, zur Verfügung.

Verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen, klimafreundlichere Arbeitsweisen, die Vermeidung von Abfällen: In ihrer Ausbildung zur Maurerin begegnet Esther den Anforderungen des aktuellen Zeitgeistes und gestaltet den nachhaltigen Wandel mit. „Man sollte nie aufhören, mit etwas Neuem anzufangen. Es gibt immer etwas zu entdecken und zu lernen, sonst würde es auch irgendwann langweilig werden“, so ihr Fazit.

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