Krefeld Deutschlands beste Rollstuhltänzer

Krefeld · René Moetz sitzt seit seiner Kindheit aufgrund einer erblich bedingten Erkrankung im Rollstuhl. Mit Anika Deblin wurde er jüngst Deutscher Meister – im Tanzen. Ausdruck und Armbewegungen ersetzen dabei den fehlenden Seitwärtsschritt.

 Die beiden Krefelder René Moetz und Anika Deblin trainieren in den Räumlichkeiten des TC Seidenstadt am Krefeld Hauptbahnhof. Zu Wettkämpfen tragen die beiden ein spezielles Outfit.

Die beiden Krefelder René Moetz und Anika Deblin trainieren in den Räumlichkeiten des TC Seidenstadt am Krefeld Hauptbahnhof. Zu Wettkämpfen tragen die beiden ein spezielles Outfit.

Foto: Thomas Lammertz

René Moetz sitzt seit seiner Kindheit aufgrund einer erblich bedingten Erkrankung im Rollstuhl. Mit Anika Deblin wurde er jüngst Deutscher Meister — im Tanzen. Ausdruck und Armbewegungen ersetzen dabei den fehlenden Seitwärtsschritt.

Die Rumba gilt als tänzerischer Inbegriff des gegenseitigen Umwerbens von Mann und Frau. In diesem lateinamerikanischen Tanz, dessen Wurzeln in Kuba liegen, geht es für das Tanzpaar darum zu zeigen, wie Mann und Frau einander umgarnen. Mal scheint sie von der Fahne zu gehen, und er betört sie, dann ist es umgekehrt, und am Ende gibt's ein Happy End und sie kriegen sich. Auch Anika Deblin und René Moetz vom TC Seidenstadt beherrschen dieses wechselhafte Spiel auf der Tanzfläche perfekt. Sie gibt die Verführerische, er den glühenden Verehrer — und umgekehrt. Der einzige Unterschied zu anderen Tanzpaaren: René Moetz sitzt dabei im Rollstuhl.

Seit seiner Geburt hat der 34-Jährige aufgrund einer erblich bedingten Krankheit mit dem Rollstuhl zu tun. Früher hat er darin Basketball gespielt, ehe er 1993 zum Tanzen wechselte. Zwei Jahre später bestritt er sein erstes Turnier, und inzwischen ist er sechsfacher deutscher Meister im Rollstuhltanzen — den jüngsten Titel gewann er in diesem Jahr mit Anika Deblin. "Im Grunde kann ich mit dem Rolli alles machen, was andere mit ihren Füßen tun — außer einen Seitwärtsschritt", sagt Moetz. "Das ist eben das Schöne daran, dass man so auch mit einem Fußgänger tanzen kann. Darum sagt man auch, dass Rollstuhltanzen gelebte Integration ist."

Arme und Gesicht sind wichtig

Weil die Beinarbeit keine Rolle spielt, kommt es beim Tanzen im äußerst beweglichen, 3000 Euro teuren Sportrollstuhl vor allem auf den Ausdruck des Gesichtes und die Armbewegungen an. "Die Emotionen, die beim Rollstuhltanz geweckt werden, sind darum viel intensiver als bei den Fußgängern, und der Funke springt dabei auch viel schneller auf die Zuschauer über", erzählt Moetz. Kein Wunder also, dass sich dazu die Rumba als Liebestanz besonders gut eignet.

Dennoch ist Anika Deblin lediglich auf der Tanzfläche seine Partnerin — auch wenn dies angesichts der schmachtenden wechselseitigen Blicke manch ein Zuschauer anderes vermuten könnte. Seit knapp anderthalb Jahren tanzen die beiden zusammen. "Am Anfang hat mich das Tanzen mit ihm schon Überwindung gekostet. Nicht weil er im Rollstuhl sitzt, sondern weil ich nicht wusste, wie er den Rollstuhl kontrollieren kann. Mittlerweile nehme ich das Ding aber gar nicht mehr wahr — es sei denn, er fährt mir über die Füße, aber das kommt so gut wie nicht vor", erzählt sie und lacht.

Überhaupt lachen die beiden sehr viel, sie verstehen sich gut — vielleicht ist auch das mit ein Grund für ihre jüngsten Erfolge. Deutscher Meister sind sie in diesem Jahr geworden — etwa 20 Paare gibt es in Deutschland insgesamt, die auf Leistungsebene Rollstuhltanz betreiben —, und nur wenige Wochen zuvor gewannen sie die offene belgische Meisterschaft. Damit wären sie auch für die Weltmeisterschaften 2016 qualifiziert, doch die sind in Rio und somit vor allem finanziell kaum erschwinglich. Und paralympisch ist die Sportart auch (noch) nicht. "Die Paralympischen Spiele wären natürlich ein Traum", sagt Anika Deblin.

So bleibt den beiden nur die Teilnahmen an den wenigen Turnieren im europäischen Raum, vor allem in den Benelux-Ländern. Sechs, sieben davon gibt es im Jahr, und daran nehmen sie auch teil. Der nächste Wettkampf ist im November in Venlo. Und bis dahin üben sie weiter im Saal der Räumlichkeiten des TC Seidenstadt am Krefelder Hauptbahnhof — natürlich auch an der Rumba.

(RP/ac/top)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort