Museen in Krefeld Chemie – ein Quantensprung für die Mode

Krefeld · Im 19. Jahrhundert machten synthetische Farben bunte Stoffe erschwinglich. Diese Entwicklung zeigt das Textilmuseum.

 Eine Laborsituation haben die Kuratorinnen Annette Schieck, Isa Fleischmann-Heck und Katrin Lindemann im Eingangsbereich zusammengestellt.

Eine Laborsituation haben die Kuratorinnen Annette Schieck, Isa Fleischmann-Heck und Katrin Lindemann im Eingangsbereich zusammengestellt.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Der Quantensprung in der Mode begann mehr oder weniger mit einem Zufall. Weil die Malaria in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein gravierendes Problem war, wurde nach Heilmitteln wie Chinin geforscht. Bei seinen Experimenten entdeckte ein Student 1856, dass aus Teer, eigentlich Abfallprodukt der Kohleverarbeitung, ein leuchtend violetter Farbstoff entstand. Dieses Mauveïn war der erste synthetische Farbstoff. Edles Indigo und teures Purpur, das sich nur die Reichen leisten konnten, waren nun künstlich herstellbar und für jedermann erschwinglich. Die Mode wechselte in immer kürzeren Abständen, mal waren die Violett- und Pinktöne en vogue, in den nächsten Jahren ein Rostrot. Mode und Chemie im Farbenrausch zeigt die Ausstellung „Zeitkolorit“, die am Sonntag, 29. September, im Deutschen Textilmuseum eröffnet wird.

Die Zusammenhänge von Mode und Farbchemie war bisher ein weitgehend unerforschtes Feld. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert ein Verbundprojekt zum Thema „Weltbunt“, das über die Jahre 2017 bis 2020 läuft. 600.000 Euro stehen zur Verfügung, um die historische Farbstoffsammlung der Hochschule Niederrhein (HN) zu erforschen, mit Blick auf die Anwendung der synthetischen Stoffe in der Mode. Projektpartner sind das Textil-Technikum Rheydt, die TH Köln und die TU Dresden.

 Typisch 1920er Jahre: ein violettes Charleston-Kleid mit Kettstichstickerei (l.) und das Kleine Schwarze wurden lichtecht.

Typisch 1920er Jahre: ein violettes Charleston-Kleid mit Kettstichstickerei (l.) und das Kleine Schwarze wurden lichtecht.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Die HN hat mehr als 10.600 sogenannter Halbpfundflaschen mit Farbstoffen. Einige tragen so plastische Namen wie Victoriaviolett oder Pfauenblau, manche nur eine Formel. Andere Etiketten sind so verblasst oder beschädigt, dass die Aufschrift nicht mehr zu entziffern. und immenser Schatz: „Die Entdeckung synthetischer Farben war der Einstieg der Chemie in die Industrie“, sagt Professor Jürgen Schram von der HN. Apothekerschränke mit Laborflaschen sind Zentrum der Ausstellung. Von dort aus lassen sich verschiedene Bereiche erschließen, die nicht nur die Geschichte der Farbenchemie von den 1850er bis 1930er Jahren erzählen, sondern auch die Entwicklung der HN aus einer Färbeschule und anhand von 50 Kleidern und Kostümen, wie die chemische Revolution im Alltag aussah. Giftige Nebenwirkung und Wasserverschmutzung wurden damals schon benannt.

 Diese Halbpfundflaschen enthalten synthetisch hergestellte Farbstoffe.

Diese Halbpfundflaschen enthalten synthetisch hergestellte Farbstoffe.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

In viele Themen können Besucher anhand der Infotafeln tief einsteigen, erleben, dass Krefeld Vorreiter war mit seinem Ausbildungsmodell von Industriefertigungshallen, die in die Schulen integriert waren. Oder wie Musterbücher Anleitungen geben, wie ein Farbton zusammengemischt wird. Oder wie Farben in den Textilien haltbar und lichtfest wurden. Ein grünes Seidenkleid aus den 20er Jahren offenbart, dass die Trägerin nie ohne Jäckchen ausging. Am Rücken ist das Kleid nicht verschossen. Eine großartige, fundierte Ausstellung.

Übrigens: Der Student hat seine Entdeckung patentieren lassen und ist reich geworden.

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