Krefeld Der Zufluchtsort im Bahnhof

Krefeld · Mit dem Bau des Krefelder Bahnhofs vor 100 Jahren wurde auch die Bahnhofsmission errichtet. Mittlerweile verzeichnet die Diakonie monatlich 800 Besucherkontakte. Beim "Tag der Bahnhofsmission" feierte das Haus sich.

Am Samstag haben die 20 Mitarbeiter der Bahnhofsmission ihre Erfolgsgeschichte gefeiert. Beim bundesweiten "Tag der Bahnhofsmission" sind in Krefeld mehr als hundert Reisende, Neugierige und Stammgäste am Gleis 1 bei einem Gottesdienst und Mittagessen zusammen gekommen. Bahnhofsmission-Leiterin Ute Clevers hat sich über das gemischte Publikum gefreut: "Es ist immer ein besonderer Moment, wenn man sich zuhört und dabei voneinander lernt."

Mit dem Bau des Krefelder Bahnhofs entstand vor fast 100 Jahren auch die Bahnhofsmission. Zunächst kümmerte man sich dort vor allem um junge Frauen, die vom Land in die Städte zum Arbeiten kamen. Später waren es zurückkehrende Soldaten, Gastarbeiter, Flüchtlinge, Asylsuchende und arbeitslose Jugendliche.

Der Bahnhof ist ein Lebensraum, der ständig in Bewegung ist. Da setzt die Arbeit der Bahnhofsmission an. Noch bis 2004 war es eher eine Suppenküche, heute sind die Bahnhofsmissionen Anlaufstellen für alle, und eng mit den psycho-sozialen Einrichtungen der Stadt verbunden. Fast 800 Besucherkontakte gibt es in Krefeld pro Monat, etwa 70 Prozent davon sind sogenannte Stammgäste. Der Rest sind hilfesuchende Reisende.

"Die Menge an Kontakten zeigt, wie Menschlichkeit am Bahnhof nötig ist. Es ist ein Segen, wenn in der Hektik ganz punktuell Ruhe eintritt", sagt Hannelore Heume, Pressesprecherin der Diakonie Krefeld-Viersen. Wie die Ruhe aussieht, liegt im Auge des Betrachters, sagt Clevers: "Für den einen sind es fünf Minuten Zeit haben, für andere das Nähzeug, für wieder andere ein warmer Kaffee oder eine Toilette."

100 Missionen in Deutschland

Die Bahnhofsmission ist eine der ältesten ökumenischen Kooperationen in der sozialen Kirchenarbeit. Alle 100 Missionen in Deutschland werden von evangelischen oder katholischen Einrichtungen getragen.

Die Arbeit am Brennpunkt Bahnhof fußt auf Mut machende Evangelien und christlicher Nächstenliebe: "Das neue Testament berichtet, wie Jesus auf die Menschen zugeht, ihnen zuhört und nach Wegen sucht, gemeinsamen Wegen. Das sind die Geschichten, die berühren. Die Nächstenliebe ist mir im Umgang mit den Menschen wichtig", erklärt Clevers ihre Motivation. Dennoch ist der Glaube keine Verpflichtung: "Bei uns spricht das Herz. Es sind alle Menschen gleich. Erst einmal ist man Mensch, dann Christ."

Der Umgang mit den Menschen erfordert Fingerspitzengefühl. Viele sind so traumatisiert oder verletzt, dass ein normales Leben für sie nicht mehr infrage kommt. "Wir haben hier unten einen Bettler sitzen, dem kann ich keine Wohnung oder einen Job beschaffen. Das wäre nicht sein Leben. Aber ich kann mich jeden Tag zu ihm setzen und fünf Minuten mit ihm reden. So fühlt er sich weiterhin als Mensch und nicht als jemand, der stört." Beim Helfen müssten immer die Grenzen der Menschen bewahrt bleiben. "Ich kann jedem ein Angebot machen; ob es passend ist, entscheidet der Mensch aber selbst."

In den nächsten drei Jahren will Clevers die Arbeit ausweiten: So sollen zwischen Krefeld und Venlo Mitarbeiter der Bahnhofsmission Menschen in den Zügen begleiten, die die Bahnfahrt alleine nicht bewältigen können. Dafür werden Ehrenamtler gebraucht. Wichtig für Freiwillige ist, dass sie zuhören können, ohne zu urteilen. Die Arbeit sei nicht immer einfach, aber den Dank und die Freude der Menschen bekomme man direkt zu spüren.

(RP)
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