Krefeld Der Steuer-Sumpf von Krefeld

Krefeld · Der Bund der Steuerzahler hat so etwas noch nie erlebt: Massen von Steuerakten lagen jahrelang unbearbeitet im Krefelder Steueramt. Der zuständige Kämmerer wechselte jetzt nach Düsseldorf. Dort ist man irritiert über die Vergangenheit des neuen Finanz-Chefs. Inzwischen wurde eine neue Fehlbuchung bekannt.

Das sagen Leser zum Krefelder Finanzskandal
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Foto: Thomas Lammertz

Wenn der Bund der Steuerzahler (BdSt) der öffentlichen Hand wegen des Umgangs mit Steuergeldern auf die Finger schaut, decken diese Finanzwächter so manchen Skandal auf. Doch so etwas wie nun in Krefeld, das hat der stellvertretende Vorsitzende des BdSt in NRW, Eberhard Kanzki, in mehr als 20 Jahren noch nie erlebt. Die Stadt hat über Jahre massenhaft Gewerbesteuerakten nicht bearbeitet, also von diesen Firmen auch kein Geld bekommen. Und das ausgerechnet in Krefeld — finanziell seit langem klamm, auf jeden Cent angewiesen.

Zuständiger Kämmerer in einem erheblichen Teil der fraglichen Zeit war Manfred Abrahams (51) — ein Finanz-Experte von exzellentem Ruf und seit 1. Juni ranghöchster Dezernent und Stadtdirektor hinter Oberbürgermeister Dirk Elbers in Düsseldorf. "Abrahams Sachkunde sucht ihresgleichen. Er ist die Nummer eins unter den Kämmerern in NRW", sagt auch Eberhard Kanzki vom BdSt. Zugleich betont er aber: "Politisch ist Abrahams als Kämmerer für die Versäumnisse in Krefeld verantwortlich."

Die Vorgeschichte: Vor wenigen Wochen sickerte durch, dass das Krefelder Rathaus im Juli 2008 versehentlich knapp 800 000 Euro als Steuerrückzahlung an ein Unternehmen überwiesen hatte, das kurz danach pleite ging. Die Verwaltungsspitze erfuhr erst 2009 von dieser Panne. Das Geld war weg.

Eine Untersuchung sollte klären, wie es zu der peinlichen Panne kommen konnte. Am Ende musste Krefelds OB Gregor Kathstede einräumen, noch weitaus Schlimmeres sei entdeckt worden. Der Chef des Steuer- und Liegenschaftsamtes hatte in Dienstzimmern, auf Fluren, in Schränken, Schubladen oder simplen Umzugskartons Massen von Gewerbesteuerakten gefunden, die darauf warteten, abgearbeitet zu werden. Teilweise lagen sie schon Jahre unerledigt herum.

Wie viele genau das waren, wurde bisher noch nicht veröffentlicht: Man spricht von hunderten Fällen, möglicherweise mehr. Welche Summen der Stadt dadurch entgangen sind, ist ebenfalls bislang ungeklärt. Fest steht, dass eine Reihe von Veranlagungen inzwischen wohl verjährt sind.

Krefelds OB hat das Ganze inzwischen zur Chefsache gemacht, er leitet die weitere Untersuchung selbst. Die SPD-Opposition hat Kathstede zum Rücktritt aufgefordert. Der OB aber weist die Verantwortung von sich und sieht sie beim zuständigen Dezernenten — und das war im fraglichen Zeitraum Manfred Abrahams.

Der jedoch ist nicht mehr im Dienste Krefelds, sondern nun in Düsseldorf. Die bürgerliche Mehrheit im Düsseldorfer Rathaus aus CDU und FDP steht weiterhin zu Abrahams, den sie auswählte und holte. Aber unter der Hand ist auch aus diesen politischen Kreisen zu hören, dass sie irritiert sind über die Krefelder Geschehnisse und nun abwarten, was da noch raus komme. In Krefeld wird jedenfalls überlegt, ob der Ex-Kämmerer disziplinarisch zu belangen sei. Sollte man diese Frage mit ja beantworten, müsste geklärt werden, wer dieses Verfahren in Gang bringt — der alte oder der neue Dienstherr.

In Düsseldorf ist man wenig erfreut von dem Gedanken, den mit viel Vorschusslorbeeren angeheuerten Finanz-Experten Abrahams in ein solches Verfahren zu schicken und fürchtet um den guten Ruf: Dank seiner Schuldenfreiheit hat sich die NRW-Landeshauptstadt bundesweit den Nimbus einer finanzstarken und soliden Kommune schaffen und halten können.

Das Innenministerium, das für die kommunale Finanzaufsicht zuständig ist, gibt sich noch gelassen. "Die Missstände in Krefeld sind ein Einzelfall. Es gibt keinen Grund, deshalb am bestehenden System der kommunalen Selbstverwaltung zu zweifeln", sagt eine Sprecherin des Ministeriums. Auch der Bund der Steuerzahler fordert eine Aufklärung der Krefelder Missstände durch das dortige Rechnungsprüfungsamt. "Die müssen klären, wer für was verantwortlich ist."

Manfred Abrahams, seit 1981 in Krefeld tätig, weist jede Schuld von sich: Er habe von den Erkenntnissen über verschlampte Steuerakten nichts wissen können. Ein weitere Panne, die nun durch ein neues Prüfergebnis bekannt wurde und das unserer Zeitung seit gestern vorliegt, fällt jedoch ebenfalls in seine Amtszeit: Demnach hat es in Krefeld eine weitere Fehlbuchung von etwa 600 000 Euro gegeben.

Nach Bekanntwerden der ersten irrtümlichen Buchung über 800 000 Euro hatte Manfred Abrahams noch versichert, es handele sich um einen Einzelfall. Die nun bekannt gewordene Panne verlief immerhin glimpflich: Die Stadt konnte das Geld zurückbuchen.

(RP)
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