Ehemaliger Weltklasse-Stabhochspringer Tim Lobinger spricht in Krefeld über seine Krebserkrankung

Krefeld · Der ehemalige Weltklasse-Hochspringer Tim Lobinger spricht beim 2. Krefelder Krebstag über seinen Kampf gegen den Krebs. Er hat darüber ein bewegendes Buch geschrieben.

 Tim Lobinger zählte einst zu den besten Stabhochspringern der Welt.

Tim Lobinger zählte einst zu den besten Stabhochspringern der Welt.

Foto: imago/AFP, AFP

Zu den bewegendsten Passagen dieses Buches gehört ein Brief von Tim Lobingers Tochter an Fee den Krebs. Für den Vater war sein Krebs-Tagebauch ein wichtiges Mittel, mit seiner Angst fertigzuwerden, und so hat er auch die Tochter eingeladen, ihre Gedanken aufzuschreiben. Sie wählte die direkte Anrede an den Krebs, schrieb ihm einen Brief und klagte, klagte auch an, was sie nicht verstehen werde: „Ich meine den Schmerz, den du nicht nur deinem jeweiligen Opfer, sondern der gesamt Familie bringst.“ Ihr Vater hat 2017 erfahren müssen, dass er an einer seltenen, aggressiven Form der Leukämie erkrankt ist. Am Samstag berichtet Tim Lobinger über seinen Kampf gegen die Krankheit, über seine Angst, seine Zuversicht. Es ist eine Geschichte mit offenem Ende: Lobinger erlitt 2018 einen Rückfall; der Krebs ist noch nicht besiegt.

Krebs ist immer schrecklich, bei Tim Lobinger wird besonders deutlich, wie hart dieser Schicksalsschlag ist. Lobinger schien zuvor ein Begünstigter des Schicksals zu sein: ein wirklich schöner Mann, ein wunderbarer Sportler, der bei aller knallharten, auch gefährlichen Arbeit des Sports doch lustvoll mit der Öffentlichkeit flirtete. Ein Mannsbild, 1,93 Meter groß, mit einer Figur, für die auch Tarzan noch hätte ins Fitnessstudio gehen müssen. Im Jahr 2000 war Lobinger - dezent - nackt auf dem Titelblild des „stern“ zu sehen, er stylte sein Haar zum Wuschelzopf und wusste offenbar um die Wirkung. Sportlich schrieb er Geschichte: Er war der erste Deutsche, der im Freien die Sechs-Meter-Marke übersprang, er trat viermal bei Olympia an, wurde Welt- und Europameister in der Halle und errang weitere Medaillen.

Lobinger ist bei all dem auch ein Familientier: Vater von drei Kindern, eng verbunden mit seiner Familie, auf Engste dann wieder mit seiner Frau verbunden, obwohl beide als Paar schon vor seiner Erkrankung getrennt waren. So sehr er Publicity genoss und zelebrierte, so wenig war er ein oberflächlicher Party-Knaller. Dann kam die Krankheit.

Sie machte sich 2016 - Lobinger war 44 Jahre alt - bemerkbar. Lobinger fühlte sich matt, antriebslos und schlapp, er hatte plötzlich öfters Nasenbluten und einmal unerklärlichen Schmerz in der Brust, der aber wieder verschwand. Wegen des Nasenblutens ging er irgendwann zum HNO-Arzt; der entdeckte dann miserable Blutwerte bei Lobinger - am Ende stand die Diagnose „Plasmazell-Leukämie“, eine seltene, aggressive Form von Leukämie.

Lobinger beschreibt all das in seinem Buch direkt und ohne Schnörkel; eben das macht es so berührend und auf vertrackte Weise zu einer anstrengend-fesselnden Lektüre. Andres als im Titel zu erwarten („Verlieren ist keine Option“) übertreibt Lobinger die bei seiner Biographie naheliegende Sportler-Wettkampf-Metaphorik nicht. Im Gegenteil, zu den berührendsten Passagen gehören jene, in denen er von Angst, Tränen, Einsamkeit und der verstörenden Erfahrung berichtet, dass er, der auf Wettkampf gepolt und ein eisern Trainierender war, plötzlich nichts mehr tun konnte. Weder der Ausbruch der Krankheit noch der Kampf dagegen lagen in seiner Macht. Er fühlte sich wie ein Ausgelieferter - ausgeliefert an ein blind zuschlagendes Schicksal, an Ärzte und deren Kunst, an eine Krankheit, die fremd und gnadenlos in ein intaktes, gutes Leben einbrach.

Das Buch hat kein Happyend. Lobinger, der 2017 eine anstrengende Therapie überstand und das Glück hatte, einen 100prozentig passenden Stammzellenspender zu finden, erlitt einen Rückfall. Im Januar dieses Jahres wurden wieder Krebszellen bei ihm entdeckt. Wenn Lobinger am Samstag in Krefeld von seiner Krankheit berichtet, dann spricht da jemand, der weiß, dass er nicht weiß, ob er den Kampf gegen die Krankheit gewinnt.

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