Krefeld Der kleinste Stammtisch Krefelds

Krefeld · Nach dem Startschuss 1977 bei Herbst Pitt erlebte der Stammtisch um Bürgermeister Kurt Wilhelm seine Hochzeit. Inzwischen ist er auf zwei Personen geschrumpft: Helga Wilhelm und Hans Jürgen Herzog halten die Tradition aufrecht.

 Helga Wilhelm und Hans Jürgen Herzog bilden den kleinsten Stammtisch Krefelds und treffen sich regelmäßig montags im Nordbahnhof. Die Anfänge der geselligen Runde liegen bei Herbst Pitt.

Helga Wilhelm und Hans Jürgen Herzog bilden den kleinsten Stammtisch Krefelds und treffen sich regelmäßig montags im Nordbahnhof. Die Anfänge der geselligen Runde liegen bei Herbst Pitt.

Foto: Thomas Lammertz

Der kleinste Stammtisch Krefelds tagt regelmäßig montags im Nordbahnhof: Er besteht mittlerweile nur noch aus zwei Personen. Hans-Jürgen Herzog und Helga Wilhelm halten eine lange Tradition aufrecht, die 1977 in der Gaststätte Herbst Pitt begann. Helga Wilhelms Vater Kurt gehörte zu den Mitbegründern der illustren Runde. Der frühere Bürgermeister der Stadt Krefeld hatte unter anderem Willi Gather (Unternehmer), Horst Sendler (Arzt), Burkhard Bannitza (Amtsleiter), Hemut Jäger (Immobilien), Günter Albrecht (FDP-Fraktionschef), dessen Frau Dorle und Tochter Petra, Ilse Stefen (Bürgermeistergattin), Sabine Haberland (Sparkasse), Eduard Lampmann (Bürgervereine) und Fritz Wohlgemuth (DLRG) um sich versammelt, um die große und kleine Politik in geselliger Runde aufs Korn zu nehmen. "Die Themen haben sich kaum geändert", berichtet Viktor Furth, Inhaber des Nordbahnhofs, und seinerzeit Wirt im Herbst Pitt. Zu den Lieblingsthemen habe damals wie heute der Ostwall gehört.

Das waren alles Krefelder Originale, schwärmt Furth von alten Zeiten. Was sich in den ganzen Jahren nicht geändert hat, ist die Vorliebe der Stammtischbrüder und -schwestern, die Zeitgenossen spöttisch unter die Lupe zu nehmen, die gerade das Lokal betraten.

Das ist auch bei Helga Wilhelm und Hans Jürgen Herzog nicht anders. Ihr Stammplatz ist mitten im Lokal mit unverstelltem Blick auf den Eingang. Auch wenn bei der früheren Lehrerin und dem ehemaligen Projektleiter bei Siemens ausschließlich Hochdeutsch die Sprache der Unterhaltung ist, wissen die beiden, welche Informationen sich mit der Einleitung "Hässe all jehü-ert" angekündigt haben. Aussehen, gesellschaftliche Fehltritte, Berufliches und Finanzielles wurden und werden besonders gerne ausgetauscht oder hinterfragt.

Damals war der Kreis der Krefelder noch vertrauter und überschaubarer. Das Verhältnis zu den Zeitgenossen direkter. Auch innerhalb der Runde wurden bisweilen kleine Gemeinheiten ausgetauscht. Am liebsten ging es aber gegen Dritte. "Das war immer ein Riesenandrang", berichtet Furth. An dem runden Stammtisch hatten eigentlich nur sechs Personen Platz. "Die saßen aber mit 14 Teilnehmern in zwei Reihen darum."

Nach dem Tod von Kurt Wilhelm 1983 fragte der Internist Horst Sendler Helga Wilhelm, ob sie nicht den Platz ihres Vaters am Stammtisch einnehmen wolle. Ihre Entscheidung hat sie bis heute nicht bereut. Mit Hans Jürgen Herzog bildet sie ein eingespieltes Team. Nach einer kurzen Zwischenstation im Bröckse zogen sie 1991 mit Viktor Furth in den Nordbahnhof. Ohne Stammtischwimpel geht es seitdem sehr gesittet zu. "Zwei Stuffkamp gehören zum Ritual, und danach gibt's nur noch Apfelschorle und Alkoholfreies", versichern die beiden. Ihre Interessen drehen sich um Lokalpolitik (beide sind aus der FDP ausgetreten), Konzerte, Reisen und Musik. Die aktive Golferin Helga Wilhelm schwärmt darüber hinaus für die Krefeld Pinguine. Hans Jürgen Herzog radelt mit Begeisterung durch die Städte und Dörfer des Niederrheins.

Die Zeit des kleinsten Stammtischs Krefelds neigt sich allerdings jetzt dem Ende zu. Helga Wilhelm will ihre Heimatstadt verlassen und in den Süden an den Bodensee ziehen. "Dann bin ich alleine wohl ab April der allerkleinste Stammtisch Krefelds", erklärt Herzog schmunzelnd.

(RP/ac)
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