Krefeld Der Indiana Jones aus Linn

Krefeld · Ulrich Esters hat die Lizenz zum Schätze suchen. Der 48-Jährige ist im Auftrag der Linner Museumsleiterin Jennifer Morscheiser auf dem Grabungsfeld in Gellep unterwegs, wo früher einmal ein römisches Heerlager gestanden hat.

Bei den Grabungen in Gellep haben die Archäologen Reste eines römischen Brennofens entdeckt.

Foto: Lammertz Thomas

Eigentlich sind sie für Archäologen eher eine Plage: die Sondengänger. In der Regel 35 bis 50 Jahre alt, männlich, an Technik interessiert, heimatverbunden und redselig. So charakterisiert sie Jennifer Morscheiser, Leiterin des Museums Burg Linn, und verantwortlich für die größte Krefelder Grabung aller Zeiten auf dem 37.000 Quadratmeter großen Gelände am Castellweg in Gellep, wo demnächst Europas größte Mühle gebaut werden soll.

Bis Jahresende müssen die Fachleute ihre Grabungsarbeiten beendet haben - dann soll dort eine Mühle gebaut werden.

Foto: Lammertz Thomas

Die Zeit ist knapp. Die Funde sind spektakulär (wir berichteten). Inzwischen sei das fünfte Pferdeskelett aus der Bataverschlacht gefunden worden. Gräben, Mauern, Löcher, Brunnen - die Entdeckungen sind eine Fundgrube für Experten. Ulrich Esters kümmert sich mit seinem Detektor um andere Dinge - um Münzen, Plomben, Schmuck, Schnallen, um Metallenes. "Auf den großen Goldfund warte ich noch heute", sagte der Linner, der seinen Lebensunterhalt bei der Stadtwerke Tochter EGK verdient. Für ihn sind es die ideellen Werte, nicht der materielle Wert seiner Entdeckungen, die ihn weiter antreiben.

Morscheiser und Esters haben sich bei der Deutschen Schatzsuchermeisterschaft in der Nähe von Trier kennen und schätzen gelernt. So stand der Zusammenarbeit auf dem Terrain des römischen Castells nichts im Wege. Esters sucht mit seinem Metalldetektor bis in eine Tiefe von 15 bis 20 Zentimeter. Funde sichert er, versieht das Tütchen mit Datum und exakten GPS-Koordinaten. Das sei wichtig, sagt Jennifer Morscheiser. So ließen sich oftmals Reste von Bauwerken mit Hilfe der Münze zeitlich zuordnen. Esters ist seit frühester Kindheit für Heimatgeschichte begeistert. Sein Onkel hat den damals Sechsjährigen mit zu den Arbeiten zur Erweiterung des Wendebeckens genommen, um ihm die Reste des ausgebuddelten römischen Hafens zu zeigen. "Ich war aber mehr an den großen Lastwagen interessiert", erzählte Esters. Das Feuer für seine Passion entfachte dann ein eigener Fund - eine römische Haarnadel, die er heute noch besitzt. Danach war's um ihn geschehen. Er streifte über Äcker und Felder immer auf der Suche nach römischen Scherben, Münzen oder sonstigen Kostbarkeiten. Aus der kindlichen Begeisterung ist mit den Jahren nicht nur ein imposantes Wissen zur Geschichte Krefelds gewachsen, sondern auch die Leidenschaft für den Umgang mit dem Metalldetektor. Esters geht abends gleichsam auf Streife, um unangemeldete Kollegen von der illegalen Suche abzuhalten. "Ich habe eine besonders große und starke Taschenlampe", sagte er. Damit scheine er den ungebetenen Schatzsuchern einmal ins Gesicht, und dann suchen sie das Weite. Nahezu täglich reisen Schatzsucher aus den Niederlanden, Belgien, Hessen und dem gesamten Rheinland an, um in Gellep etwas zu entdecken. "Die finden aber nichts mehr", erklärten Morscheiser und Esters.

Der 48-jährige Ulrich Esters ist täglich mit seinem Metalldetektor als Sondengänger offiziell im Auftrag der Stadtarchäologen auf dem Untersuchungsfeld in Gellep am Castellweg unterwegs.

Foto: Thomas Lammertz

Zum einen hätten die Archäologen und Esters mit seinen rund zehn offiziellen Sondengänger-Kollegen besonders gründlich gearbeitet, und zum anderen seien es historische Abfallgruben, die für die Krefelder Forscher wertvolle Informationen etwa über Metallrecycling vor gut 2000 Jahren preisgeben.

"In Krefeld gibt es eine lange Tradition der Raubgräberei", berichtet die Museumsleiterin. Das nächtliche Tun sei aber keineswegs ungefährlich. Auf dem Areal seien Brunnen. Die seien zwar gesichert, aber wer möchte schon im Dunkeln in den Schacht stürzen? Darüber hinaus sei das Treiben illegal. Es verstoße gegen das Denkmalschutzgesetz und verletze Hausrecht.

Bis heute werden Raubgrabungen häufig als Schatzsuche bagatellisiert und als Kavaliersdelikt wahrgenommen. Drastische Gefängnisstrafen für Raubgräber wurden in den Jahren 2011 und 2012 etwa in Großbritannien, Griechenland und China verhängt. Prinzipiell wurden Gefängnisstrafen für Raubgrabungen und Antikenhehlerei auch schon im 19. Jahrhundert angedroht.

Ulrich Esters muss etwaige strafrechtlichen Folgen nicht befürchten. Er ist offiziell und mit Genehmigung der Museumsleiterin auf dem 3,7 Hektar großen Untersuchungsgebiet mit Spaten und Metalldetektor unterwegs.

(sti)