Krefeld De Greiff und der Alkohol

Krefeld · Kein Trinker-Witz: Wasser hatte zu Zeiten von Cornelius de Greiff einen schlechten Ruf.

 Cornelius de Greiff saß nach einer Jagd in Linn lieber in einem Wirtshaus wie Wienges als in seinem nagelneuen Haus Greiffenhorst.

Cornelius de Greiff saß nach einer Jagd in Linn lieber in einem Wirtshaus wie Wienges als in seinem nagelneuen Haus Greiffenhorst.

Foto: Philip Lethen

Alkohol spielte bis tief ins 19. Jahrhundert nicht nur als Genussmittel eine Rolle, sondern als alltägliches Getränk. Wasser hatte einen schlechten Ruf, weil es oft Krankheiten auslöste. So trank man von Kindesbeinen an Vergorenes. Mit teils absonderlichen Konsequenzen - Cornelius de Greiff schreibt dazu:

An die hochwohllöblichen Krefelder anno domini 2017!

 Dujardin dürfte Cornelius de Greiff gekannt haben - seit 1870 wurde im Hause Melcher Cognac gebrannt oder besser ein Getränk nach dem Vorbild von Cognac. Melcher arbeitet mit dem französischen Winzer Dujardin zusammen.

Dujardin dürfte Cornelius de Greiff gekannt haben - seit 1870 wurde im Hause Melcher Cognac gebrannt oder besser ein Getränk nach dem Vorbild von Cognac. Melcher arbeitet mit dem französischen Winzer Dujardin zusammen.

Foto: Philip Lethen

So wisstet, dass wir es nicht besser wussten. Als ich 1781 geboren wurde, tranken die Leute fast nur Vergorenes, weil Wasser in dem Ruf stand, krank zu machen. Warum, war damals unklar - heute nicht mehr: Gerade Flusswasser war oft verseucht mit Dingen, die Gott sei's geklagt als Ausscheidungen des Leibes oft genug im Fluss landeten und näher zu benennen der gute Geschmack verbietet. Und dass Wasser genießbar, wenn es abgekocht sei - solcher Zusammenhang war bis tief ins 19. Jahrhundert nicht bekannt.

Bedenkt: Noch im Sommer 1892 gab es in Hamburg eine große Cholera-Epidemie, da das Trinkwasser ungefiltert aus der Elbe bezogen wurde, in die Fäkalien direkt einflossen. Von den 17.000 Erkrankten starben 8.000. Auch London litt immer wieder unter Cholera-Epidemien mit Tausenden Toten. Die Leute dachten, diese Art Pestilenz würde durch ungute Gerüche - Miasmen genannt - ausgelöst. 1854 entdeckte der vortreffliche Gelehrte John Snow bei einer Epidemie, dass die Todesfälle sich im Bereich einer Wasserpumpe in einer bestimmten Straße häuften. Nachdem er die Pumpe außer Betrieb gesetzt hatte, endete das große Sterben. Seitdem war klar: Übles Wasser war der Todesbote!

 Die historische Brennerei Dujardin sieht aus, als sei dort bis vor einer Woche noch Dujardin produziert worden.

Die historische Brennerei Dujardin sieht aus, als sei dort bis vor einer Woche noch Dujardin produziert worden.

Foto: Philip Lethen

Das ahnten die Menschen irgendwie auch vorher, und so tranken sie lieber Vergorenes. Schon die Kinder! Überliefert ist, dass Goethes Sohn August als 12-jähriger Knabe regelmäßig bei des Dichters Herzensfreundin Charlotte von Stein zu Gast war und dort zuvörderst dem Champagner zusprach, bis sich Madame de Stein bei Goethe über den betrunkenen Sprössling beklagte. Goethe selbst soll drei Flaschen Wein am Tag getrunken haben.

 Die historische Sudhaus bei Wienges an der Neusser Straße ist restauriert worden.

Die historische Sudhaus bei Wienges an der Neusser Straße ist restauriert worden.

Foto: Philip Lethen

Freilich, Alkohol in Maßen galt und gilt als der Gesundheit förderlich. Wir in Krefeld hatten in der Nachbarstadt Uerdingen den vortrefflichen Wilhelm Heinrich Melcher, der 1780 die Erlaubnis zum Brennen von Korn- und Wacholderschnaps erhielt. Nach 1870 wird Cognac in Deutschland bekannt. Die Melchers lernen die Familie Dujardin auf Chateau Merigots in der Charante kennen und kaufen fortan einen großen Teil ihrer Weine dort - zur Produktion von Dujardin. Nach dem Ersten Weltkrieg durfte das Getränk nicht mehr Cognac heißen - sei's drum, geschmeckt hat's. Trefflich ist auch das Bier in Krefeld. 1807 gründete Johannes Michael Wienges das Brauhaus Wienges an der Sternstraße. 1893 heiratete seine Enkelin Maria Wienges August Gleumes - so wurde dort aus Wienges Gleumes. Wienges wiederum wurde 1875 an der Neusser Straße wiedereröffnet, von Maria Wienges' Bruder Heinrich. Beide Häuser sind bis heute treffliche Wirtsstuben mit trefflichem Bier.

 Blick in den Spiegel bei Dujardin - die Technik in der Brennerei entfaltet umwerfenden Charme.

Blick in den Spiegel bei Dujardin - die Technik in der Brennerei entfaltet umwerfenden Charme.

Foto: Philip Lethen

Bekannt ist auch die alte Hausbrauerei Et Bröckske; selbige Brauerei, die 1838 von Hermann Josef Wirichs gekauft und als Rhenania-Brauerei fortgeführt wurde; 1888 zog sie an den Königshof, wo bis heute gutes Bier gebraut wird. Und schließlich wird ja seit kurzem ein neues Bier in der Stadt gemacht - das "Schlüffken" am Nordbahnhof der Familie Furth. So lebt die Tradition weiter, und es bleibt zu wünschen, dass sie Bestand hat. Denn, werte Mitbürger, ich selbst bin nach der Jagd in Linn auch lieber in ein Wirtshaus gegangen als in mein neues Jagd- und Lusthaus Greiffenhorst. Mein Seel, so ein Wirtshaus ist doch besser fürs Gemüt als ein erhabenes Schlösslei n!

Nicht verschweigen will ich, dass es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die "Branntweinpest" gab - zu viele arme Leute haben zu viel üblen Fusel getrunken. Es tobte ein Streit unter Politiker und Gelehrten, ob Arbeiter Branntwein zur Stärkung ihrer Gesundheit brauchten - Reichskanzler Bismarck neigte letzterer Meinung zu. Ihm widersprachen Ärzte und Sozialreformer wie der Alkoholgegner Wehberg. Er meinte, Arbeiter tränken erst zur Betäubung ihres Hungergefühls und dann aus Sucht - Branntwein als Gesundheitstrunk sei pure Fantasie. "Gebt den Arbeitern höheren Lohn, und ihr habt die Geißel der Menschheit besiegt", forderte Wehberg. Recht hatte er; und euch Heutigen sei gesagt: Genießt in Maßen. Nur so gereichen Wein, Branntwein und Bier zur Freude.

Es grüßt euch, wackere Bürgerschar, demütigst euer Cornelius de Greiff

(RP)
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