Hans-Hennig von Grünberg "Das wird ein fantastisches Gebäude"

Krefeld · Der Hochschul-Präsident spricht über die Konzentrationsfähigkeit von Studenten, über die Vorbereitungen auf den doppelten Abiturjahrgang, über den Hochschul-Ausbau und die Frage, warum Krefeld sich kaum als Hochschulstadt begreift.

 Hans-Hennig von Grünberg im Interview mit unserer Redaktion.

Hans-Hennig von Grünberg im Interview mit unserer Redaktion.

Foto: Lammertz, Thomas

Sie haben fünf Kinder und beobachten als Vater auch das Schulsystem.

 Markant ist besonders die Außenfassade: Während das Erdgeschoss rundherum verglast ist, besteht die Fassade aus einer metallisch perforierten Haut, die sich je nach Tageszeit verändert: der Erweiterungsbau für die Hoschule Niederrhein wird ein Blickfang.

Markant ist besonders die Außenfassade: Während das Erdgeschoss rundherum verglast ist, besteht die Fassade aus einer metallisch perforierten Haut, die sich je nach Tageszeit verändert: der Erweiterungsbau für die Hoschule Niederrhein wird ein Blickfang.

Foto: HN.

von Grünberg: Ja, ich habe sozusagen fünf Messstationen im System (lacht): ein Kindergartenkind, ein Grundschulkind, zwei Kinder am Gymnasium und ein Kind in der Hochschule.

Zugleich beobachten Sie, wie Studenten von der Schule für die Hochschule vorbereitet werden. Sind die Studenten dümmer geworden?

von Grünberg: Aber nein. Interessant ist, dass junge Menschen heute eine andere Form der Wissensspeicherung haben. Früher hatte man Wissen in einem gewissen Maße präsent, heute hat man sein Smartphone in der Tasche und kann sein Wissen jederzeit bei Wikipedia abrufen. Dieses Abfragen von Online-Wissen nutzen die jungen Leute sehr offensiv, viel offensiver, als man sich das selbst erlauben würde.

Der Bonner Didaktiker Volker Ladenthin sieht das kritisch: Er befürchtet, dass methodische Fähigkeiten der Problemlösung und der Wissensaneignung verloren gehen; er sieht die Fähigkeit zur Konzentration, ja die Wissenschaftsfähigkeit einer ganzen Generation gefährdet.

von Grünberg: Nein, das ist gewiss eine Übertreibung. Aber ich habe schon den Eindruck, dass ich in meiner Schulzeit wesentlich mehr geschrieben, geübt und gerechnet habe. Allein in der Mathematik habe ich viel mehr Aufgaben eines Typs gelöst, als es meine Kinder heute tun müssen. Wir mussten auch mehr Aufsätze schreiben, überhaupt: mehr schreiben.

Hat die Fähigkeit zur Konzentration bei den Studenten nachgelassen?

Von Grünberg Vielleicht ein wenig. Aber das ist ein rein persönlicher Eindruck.

Und methodische Fähigkeiten?

von Grünberg Schwer zu sagen. Man darf bei all dem eines nicht vergessen: Unser Wissen wächst exponentiell; die jungen Leute heute müssen mit wesentlich mehr Wissen umgehen, als wir es noch vor dreißig Jahren mussten. Zum Beispiel das Fach "Informatik". Das gab es zu meiner Schulzeit einfach nicht.

Haben Sie den Eindruck, dass die Schulen die Studenten angemessen vorbereiten?

von Grünberg Schul- und Hochschulsystem passen heute nicht wirklich zueinander. Wir haben in Deutschland gegenwärtig 16 000 Studiengänge, davon alleine 7200 Bachelor-Studiengänge. Diese Studiengänge sind konzipiert mit vergleichsweise exklusivem Blick auf die einzelnen Wissenschaftsgebiete und Berufsfelder. Und zwar in einem ganz anderen Maße, als Schulen das heute tun können, die ja ein ganz anderes Bildungsideal verfolgen. Für so manchen modernen Studiengang scheint mir die Schule die jungen Leute nicht optimal vorzubereiten.

Nächstes Jahr müssen die Hochschulen den doppelten Abiturjahrgang aufnehmen. Sind Sie gerüstet dafür?

von Grünberg Ja, wir haben im Rahmen des Hochschulpaktes wirklich außerordentlich viel Geld bekommen, und das Geld ist rechtzeitig gekommen; insofern gilt der oft gescholtenen Politik einmal ein großes Lob. Damit konnten wir erheblich mehr Professuren einrichten: Ausgehend von 215 Professoren im Jahr 2010 haben wir derzeit 250 Professoren, Ende 2013 sind es dann gar 262 Professoren. Und wir bauen sehr viel. Dazu gehört etwa das Modulgebäude im Krefelder Süden für 15 Millionen Euro. Baubeginn ist Frühjahr 2013, das Gebäude soll im Sommer 2014 fertig sein. Das wird ein fantastisches Gebäude, auf das ich mich wie ein Kind freue — ein Kubus mit Innenhof und viel Glas. Wir haben aktuell 12 600 Studenten und rechnen für 2013 mit 13 400 Studenten — die Kapazität ist da, um ihnen ein vernünftiges Studium zu ermöglichen.

Krefeld begreift sich kaum als Hochschulstadt. Woran liegt's?

von Grünberg Ich glaube, es hängt auch damit zusammen, dass die Hochschule Niederrhein nicht in der Innenstadt präsent ist. Es war ein Fehler, die Hochschule damals nicht in der Mitte der Stadt zu erbauen. Für unsere Präsenz in der Stadt war es auch nicht förderlich, den Fachbereich Design aus der Innenstadt auf das Campusgelände geholt zu haben. Dieser Fachbereich hat eine über hundertjährige Geschichte, und es ist eine Krefelder Geschichte, die wesentlich mit dem alten Gebäude an der Petersstraße zu tun hat. Auch ein Stück Stadtidentität. Mit dem Umzug auf den Campus Krefeld West ist diese Tradition aufgegeben worden. Gott sei Dank sind die Designer in dem wunderbaren Bernhard-Pfau-Bau am Frankenring gelandet, den wir mit Ausstellungen und Ringvorlesungen gerade neu für uns entdecken. Die Campusatmosphäre dort mit grünem Innenhof: großartig.

Gibt es strategische Projekte für die nahe Zukunft?

von Grünberg Fachhochschule bedeutet dreierlei: Praxis, Praxis, Praxis. Nicht nur in der Lehre, sondern auch und vor allem in der Forschung, wo wir uns mehr und mehr auf anwendungsorientierte Verbundforschung konzentrieren, also Großprojekte, die im Verbund mit anderen Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen umgesetzt werden. Auch möchten wir gerne die Zusammenarbeit mit den Niederlanden ausbauen. Wir haben vor zwei Jahren ein großes deutsch-niederländisches Projekt zur Erforschung von "funktionalen Oberflächen" an die Hochschule Niederrhein geholt und dafür siebeneinhalb Millionen Euro Drittmittel eingeworben. Bei der Fachhochschulforschung geht es ja um markt- und produktnahe Problemlösungen. Nicht zuletzt, indem wir Projekte von und für die Wirtschaft machen, können wir die Praxis in der Lehre sicherstellen.

Gibt es weitere Beispiele?

von Grünberg Mehrere. Beispielsweise hat die Professorin Sylvia Thun als noch relativ neue Professorin am Fachbereich Gesundheitswesen mit ihrem Kollegen Hubert Otten 1,5 Millionen für das Thema E-Commerce im Gesundheitswesen geholt. Bei dem Forschungsprojekt geht es darum, die Einkaufsprozesse im Gesundheitswesen transparenter zu gestalten. Profiteure sollen Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte sein, aber auch die Hersteller von Medizintechnik.

Jens Voß führte das Interview.

(RP/jco)
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