Krefelder Museen Der dunkle Raum

Krefeld · Historische Textilien dürfen nicht zu lange dem Licht ausgesetzt sein. Da die kostbaren Exponate des Textilmuseums in Corona-Zeiten nicht zurückgeschickt werden, sind sie abgedunkelt: ein fast gespenstisches Szenario.

 Alles abgedunkelt und verhüllt: Die lichtempfindlichen Stoffe im Deutschen Textilmuseum werden geschützt. Denn sie dürfen dem Tageslicht nicht allzu lange ausgesetzt werden.

Alles abgedunkelt und verhüllt: Die lichtempfindlichen Stoffe im Deutschen Textilmuseum werden geschützt. Denn sie dürfen dem Tageslicht nicht allzu lange ausgesetzt werden.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Die Augen brauchen eine Weile, nachdem man durch die mit dunkelgrünem Filz verhangene Tür getreten ist: Es scheint finster, nur kleine Lichtsplitter dringen in das obere Geschoss, mächtige Körper schieben ihre Schatten um ein weniges vor sich her. Dann, nach ein paar Minuten, schälen die Augen die Gestalten heraus: Es sind mit Stoff verhüllte Objekte.

In Benediktinerbraun oder nachtigem Schwarz stehen sie bewegungslos in der ersten Etage des Textilmuseums und sehen doch so aus, als warteten sie auf ihren Auftritt. Ein Heckentheater kommt einem in den Sinn oder noch eher eine tageslichtlose Bühne: „Ich habe hier gleich an Theater gedacht“, sagt Museumsleiterin Annette Schieck, die von der besonderen Atmosphäre in den gedämpften Räumen verzaubert ist.

Wer die Ausstellung „Zeitkolorit“ mit den prachtvollen Kleidern und seltenen Stoffen vor der Schließung des Museums gesehen hat, ahnt, was sich unter den Tuchen verbirgt. Bauhausmeister Ittens Zeichnungen ruhen unter glattem Schwarz, das Kleid aus Anneliese Ittens „Spaziergänger“-Stoff bekam eine braune Hülle. Sie wurde von kundiger Hand in einen wundersamen Faltenwurf gegossen – ob hier wohl Christo Pate für die antikisierende Drapage gestanden hat? Dann kommt eine knappe Verkleidung auf Maß für das dunkelblaue Kleid mit weißen Punkten; für diese Vitrine ist es ein Himbeerton, der die klaren Konturen belässt. Den tiefen Hintergrund bilden fein gekleidete Schneiderpuppen. Sie wurden in die dunkelste Ecke geräumt, damit ihnen nichts geschieht.

Denn die Verhüllungen mit ihrer märchenhaften Wirkung haben einen sehr realistischen Grund: Die Objekte der Ausstellung – aus dem eigenen Bestand und auch Leihgaben – dürfen dem Licht nicht unnötig ausgesetzt werden. „Es ist eine Empfehlung an Museen, Textilien nicht länger als etwa sechs Monate zu zeigen“, erklärt Annette Schieck, „und sie danach für eine lange Zeit nicht mehr ans Licht zu holen.“ Und so musste eine Lösung für die bunten schönen Stücke von „ Zeitkolorit“ gefunden werden, die seit Ende September 2019 gezeigt wurden. Am 16. März waren die Türen plötzlich für Besucher geschlossen, nachdem man die Ausstellung noch im Februar bis in den Mai hinein verlängert hatte.

Die Leihgeber haben sich damit einverstanden erklärt, dass ihre Objekte noch einige Zeit im DTM verharren. In Zeiten von Corona ist das Zurücksenden von Leihgaben derzeit auch gar nicht machbar – wer soll einpacken, transportieren, auspacken, archivieren?

Den mit Strass und Pailletten bestickten Charlestonkleidern aus den 20er Jahren ist eine andere Ruhezeit verordnet worden. Sie wurden schon in der Ausstellung regelmäßig ausgetauscht, nun liegen sie wieder in ihren Kartons in säurefreiem Seidenpapier: Die glänzende Dekoration dieser Stücke ist so schwer, dass sie den Stoff auf Dauer zu stark dehnen würden. Die Spiegel in ihrer Vitrine wurden nicht verhängt: Die Puppen darin stehen im Schatten und sind auch von der Rückseite zu sehen. Sie sind nackt und wirken im wenigen Licht wie Skulpturen.

Künstlerisch kommt die gegenüberliegende Seite mit ihrem Oberlicht daher. Auf weiß getünchtem Backstein wird hier aus der Geschichte der Hochschule Niederrhein erzählt – um Farbe in die Kleidung zu bekommen, gingen Textil- und Chemieindustrie eine erfolgreiche Verbindung ein. Unterlagen zum entsprechenden Fachunterricht hängen hier an der Wand und liegen in Vitrinen. Doch jetzt sind sie ihrer Farbigkeit beraubt. Schwarze Tücher schützen vor Licht und verwandeln einen textilen Regenbogen in ein monochrom schwarzes Kunstwerk.

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