Kindertheater in Krefeld Das Aschenbrödel-Wunder im Kresch
Krefeld · Erstmals zeigt das Stadtkindertheater ein Märchenstück: „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“. Die Geschichte hat die schönste Botschaft, findet Regisseurin Isolde Wabra: „Es geht um das Wunder eines Werdegangs“.
Manche Menschen, so heißt es, halten Märchen für unmodern. Für unzeitgemäß. Für längst überholt in einer hochdigitalisierten Welt. Im Kreschtheater kommen Verfechter dieser These nicht weit. „Wir laden in eine ganz analoge Veranstaltung ein, in der Schauspieler wirklich da sind. Und wir erzählen eine Geschichte, die absolut unrealistisch ist. Wir führen unsere Zuschauer also aus der Welt, wie sie ist, hinein in eine Welt, wie sie sein sollte. Da soll einer sagen, das sei nicht modern“, sagt Helmuth Wenderoth vom Kresch-Theater. Zum ersten Jahresende als Leiterin des Stadt-Kinder- und -Jugendtheaters hat Isolde Wabra das klassische Weihnachtsmärchen am Kresch eingeführt. „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ hat am Sonntag, 1. Dezember, Premiere in der Fabrik Heeder.
1799 Kinder haben bereits reservierte Plätze in den Schul- und Kindergartenvorstellungen. „Aber wir machen im Advent auch Familientage, denn Märchen gehören einfach in die Weihnachtszeit“, sagt Wabra. Die Entscheidung für den Klassiker, der Generationen als Film begleitet hat, fiel ihr leicht: „Das Märchen hat eine so schöne Botschaft: Jemand, der eigentlich unsichtbar ist und für niemanden Wert hat, schafft es in so eine Position zu kommen. Das ist das Wunder eines Werdegangs“, sagt sie. „Jedes Kind kann irgendetwas, die Eltern müssen es nur sichtbar machen.“
Märchen sind eine ernsthafte Angelegenheit. „Sie zeigen, dass wir mehr sein können, als wir sind“, sagt Dramaturg Wenderoth. Und das sei auch die ureigene Aufgabe von Theater. So sehen es auch die Schauspieler, die derzeit in der Heeder proben. Christof Laubisch war vier Jahre lang der Prinz in Stadttheater-Weihnachtsmärchen. „Ich bin froh, dass ich jetzt andere Rollen spiele“, sagt er. Er ist der Lehrer – und eine Taube. „Die Rollen kann man nicht naturalistisch anlegen.“ Dann wäre der Lehrer für die Kinder vielleicht unsympathisch, fürchtet er. Und eine Taube? Geht nicht. „Wir überzeichnen, um sie nahbarer zu machen.“ So hält es auch Ingrid Krusat-Dahmen mit den Requisiten: Die Torte, die die Stiefmutter auftischt, ist zu groß, die Äpfel sind zu rot, das Brot ein riesiger Weckmann.
Ganz klassisch geht Regisseurin Wabra die Geschichte an. „Aber wir spielen modern“, sagt sie. Die Qualität von Sprache ist ihr sehr wichtig. „Wir überlegen sehr genau, mit welcher Sprache wir die Kinder füttern.“ Märchen leben von Archetypen. Konflikte unter Geschwistern und zwischen Tochter und (Stief-)mutter sind Kindern vertraut. Da wird es in der Aufführung modern. Sogar ein Rap kommt vor. Schnell geht es zu. Vor allem die Umzüge müssen im Eiltempo ablaufen. Frank Andermahr hat dazu eine Bühne gebaut, die sich wie ein Pop-up-Bilderbuch in drei Spielorte verwandeln lässt: den Gutshof, wo Aschenputtel mit der Stieffamilie lebt, das Schloss des Prinzen und den Wald. „Für Märchen geben wir alles“, sagt Kim Sophie Scheele. Sie ist frisch von der Schauspielschule ans Kresch gekommen. Die Rolle von Aschenbrödel ist ihre erste in einem Märchen. „Toll ist, dass sie so vielfältig ist. Erst bin ich das schüchterne Ding, das alle übersehen. Dann darf ich aber mutig sein und mich wehren.“
Nicht nur große Botschaften sollen Kinder im Theater erleben. Sie sehen auch einen Alltag, den viele so nicht mehr erleben. „Zum Beispiel das gemeinsame Essen in der Familie“, meint Wenderoth. Er hält das Theater für einen Aufbewahrungsort von Werten, die in Vergessenheit zu geraten drohen. „Wir machen keinen Quatsch vor und mit Kindern. Wir wollen sie anregen, zu überlegene: Was wäre, wenn deine Welt ein Märchen wäre?“ Ein bisschen Traum, ein bisschen Wunsch. „Und manchmal werden auch im Leben Träume wahr“, sagt Isolde Wabra.