Serie Denkmalschutz Das Haus, das Mies abreißen wollte

Krefeld · Das Gartenhaus zur Villa Esters wird denkmalgerecht saniert. Dass es die Zeiten überdauert hat, ist ein kleines Wunder.

 Im Innern des Gartenhauses: Kirchenmalermeisterin Fabienne von der Hocht mit Klaus Palm von der Stadt. In dem Haus lebte nach dem Krieg die Familie Esters, unter anderem die Tochter von Josef Esters mit ihren drei Kindern.

Im Innern des Gartenhauses: Kirchenmalermeisterin Fabienne von der Hocht mit Klaus Palm von der Stadt. In dem Haus lebte nach dem Krieg die Familie Esters, unter anderem die Tochter von Josef Esters mit ihren drei Kindern.

Foto: Thomas Lammertz

Es ist schön, reich zu sein und Geschmack zu haben. Man kann die Dinge ruhig angehen. 1923 ließ Josef Esters, Mitgründer der Vereinigten Seidenwebereien AG und sehr vermögend, für eines seiner Grundstücke ein Gartenhaus anfertigen. Ein paar Jahre später fasste er den Entschluss, auf dem Grundstück auch eine Villa zu bauen - eine Doppelvilla, zusammen mit seinem Kollegen und Freund Hermann Lange. Der Rest ist Architekturgeschichte: Ludwig Mies van der Rohe entwarf ab 1927 die Villen. Mies hätte das Gartenhaus am liebsten gleich abgerissen, passte es doch mit seiner Karl-May-Blockhütten-Anmutung so gar nicht zu der Avantgarde-Architektur, die er im Sinn hatte. Doch das Gartenhaus blieb. Heute steht es unter Denkmalschutz und wird gerade fachgerecht restauriert.

 Die Fensterläden sind rekonstruiert, die Farbe nach historischem Rezept neu gemischt. Die Blockhaus-Anmutung wie überhaupt das ganze Haus hat Architekt Ludwig Mies van der Rohe gestört; er hätte das Ganze am liebsten abgerissen.

Die Fensterläden sind rekonstruiert, die Farbe nach historischem Rezept neu gemischt. Die Blockhaus-Anmutung wie überhaupt das ganze Haus hat Architekt Ludwig Mies van der Rohe gestört; er hätte das Ganze am liebsten abgerissen.

Foto: Lammertz Thomas

Das war knapp, und es blieb lange knapp. "Es gab einen lebhaften Diskurs über den Abriss, bevor das Gartenhaus dann 2007 unter Denkmalschutz gestellt wurde", berichtet Klaus Palm. Er ist beim Zentralen Gebäudemanagement der Stadt zuständig für Gebäudeinstandhaltung. Das Haus hat aus Sicht der Denkmalschützer sehr wohl einen Wert für sich. Entworfen wurde es möglicherweise von den Architekten Hans Poelzig oder Richard Riemerschmid; beides renommierte bis berühmte Namen. Gebaut wurde das Haus bei den Hellerau-Werken Dresden; damals einer der ersten Adressen im Holzbau, was Qualität und Innovation anging. Hellerau war führend bei der neuen Fertigteilbautechnik. Das Haus war von vornherein nicht als gehobene Bretterbude geplant: Es war unterkellert, es gab eine Toilette, es war tatsächlich sehr viel Haus für ein Gartenhaus. Deftig dann wieder die Blockhaus-Anmutung der Außenseite. Esters wird seinen "Lederstrumpf" schon gekannt und in seinem Garten ein bisschen vom letzten Mohikaner geträumt haben. Zurzeit wird das Haus von Kirchenmalermeisterin Fabienne von der Hocht (Malerwerkstatt von der Hocht, Oppum) restauriert. "Die gesamte Farbfassung wird, soweit sie nicht mehr trägt, heruntergeholt und erneuert. Ich habe die Farben nach historischem Rezept auf Leinölbasis neu gemischt", berichtet sie. Gemeint sind die Farben Grün und Weiß. Ansonsten wird das Holzwerk im Innern gereinigt. Marode, verfaulte Stücke wurden ersetzt, zwei Fensterläden rekonstruiert und ergänzt. Auch der Dachstuhl wurde repariert, der Schiefer erneuert. Kosten insgesamt: 100.000 Euro, wobei zwei Drittel vom Bund kommen, genauer vom "Bundesprogramm Nationale Projekte des Städtebaus / Zukunftsinvestitionsprogramm (ZIP)". Parallel dazu werden die Häuser Esters und Lange saniert, so dass am Ende das Gesamtensemble wiederhergestellt ist.

 Der grüne Gebäudeteil mit Veranda vorn wurde um 1945 an das hintere, schmalere Gebäude angebaut.

Der grüne Gebäudeteil mit Veranda vorn wurde um 1945 an das hintere, schmalere Gebäude angebaut.

Foto: Lammertz Thomas

Das kleine Blockhaus im Garten und die Mies-Villa Esters haben eine gemeinsame, bewegte Geschichte hinter sich. Nach Kriegsende wurde die Villa Esters von britischen Truppen belegt; die Familie zog übergangshalber ins Gartenhaus. Die Familie Lange in der Nachbarvilla gestatteten den Exilierten die Mitbenutzung ihrer Bäder. In dieser Phase wurden in den Gärten beider Villen Gemüse für den Eigenbedarf angebaut; das Essen wurde in der Küche von Haus Lange zubereitet und von einer Haushälterin in das Gartenhaus Esters gebracht.

1947 konnten die Eheleute Esters in ihr Haus auf der Hohenzollernstraße umziehen. ln dem folgenden Jahr wohnte die Tochter von Josef Esters mit ihren drei Kindern in dem Sommerhaus. Danach residierte dort bis 1953 Sohn Reinhard Esters. 1956 konnte die Familie wieder in ihre Villa einziehen. So jedenfalls wurde die Entwicklung von Katharina van der Zande für einen Beitrag zum Tag des offenen Denkmals rekonstruiert - sie schöpfte dabei besonders aus den Berichten von Reinhard Esters. Seit 1978 werden Villa und Garten von der Stadt als Museum genutzt. Das Sommerhaus diente zeitweilig als Atelier und wird bis heute als Ausstellungsraum und für Workshops genutzt.

So ist dieses Gartenhaus randvollgesogen mit Geschichte und Geschichten. Im Schatten der Weltarchitektur Mies van der Rohe erzählt es von den Menschen, die diesem seltsamen Architekten, der Häuser bauen wollte, die an ineinandergeschachtelte Schuhkartons erinnern, eine Chance gaben und so Architekturgeschichte schrieben. Normale, nette Menschen, die den Aufenthalt im Garten liebten. Denn mit einem Ort für eine Sommerfrische fing alles an.

(RP)
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