Krefeld Das Abenteuer Christo

Krefeld · Vor 45 Jahren hat der Verhüllungskünstler das Haus Lange in Krefeld verpackt - ein großes Abenteuer. Im KWM wird die Erinnerung an die Aktion zurzeit mit neuer Nahrung versorgt. Dort sind Grafiken, Skizzen und Fotografien von Christo zu sehen.

 Haus Lange im "Verpackungsjahr" 1971. Bevor Christo Innenräume und Parkwege in Stoff verhüllte, steckte die Wiener Künstlergruppe Haus-Rucker-Co die Stadtvilla in eine weiße Traglufthalle, in der Besucher aus Lautsprechern Vogelstimmen, Waldesrauschen und Gewitter hörten.

Haus Lange im "Verpackungsjahr" 1971. Bevor Christo Innenräume und Parkwege in Stoff verhüllte, steckte die Wiener Künstlergruppe Haus-Rucker-Co die Stadtvilla in eine weiße Traglufthalle, in der Besucher aus Lautsprechern Vogelstimmen, Waldesrauschen und Gewitter hörten.

Foto: Stadt Krefeld/Kunstmuseen

1971 war ein aufregendes Kunstjahr für Krefeld. Das Haus Lange hat dank spektakulärer Aktionen weltweit als Aushängeschild der Avantgarde für Aufsehen gesorgt. Verhüllungskünstler Christo - der jüngst erst Besucherströme mit seinen schwimmenden Stegen "Floating Piers" an den norditalienischen Iseo-See lockte, hatte wesentlichen Anteil daran: Er verpackte die Innenräume und Parkwege von Haus Lange. Im wiedereröffneten Kaiser-Wilhelm-Museum wird das Abenteuer von vor 45 Jahren wieder in Erinnerung gerufen mit Skizzen, Grafiken und Fotografien des Projekts "Verpackte Fußböden und verpackte Parkwege" in der laufenden Ausstellung "Abenteuer unserer Sammlung". Diese Studien waren seinerzeit parallel zur Aktion an der Wilhelmshofallee im KWM ausgestellt worden.

 Blick in die laufende Ausstellung "Abenteuer unserer Sammlung" im Kaiser-Wilhelm-Museum: Arbeiten von Christo.

Blick in die laufende Ausstellung "Abenteuer unserer Sammlung" im Kaiser-Wilhelm-Museum: Arbeiten von Christo.

Foto: KKM

Der gebürtige Bulgare Christo brauchte für seine Verhüllungsaktion im und um Haus Lange riesige Rollen Packpapier, meterweise Klebeband und Stoffbahnen. "Fenster für Fenster, die Heizkörper, Vitrinen und Wandsockel in Haus Lange verschwanden unter dem Packpapier. Um seine Finger vor dem Tesafilmkrepp zu schützen, trug Christo türkisfarbene Gummihandschuhe. Angesichts der großen Aufgabe half ihm der Hausmeister des Kaiser-Wilhelm-Museum. Der durfte allerdings nicht selbst kreativ werden, sondern arbeitete dem wortkargen Meister zu", überliefert das Stadtarchiv. Das Außergewöhnlichste an der Aktion: Christo verlangte nicht einmal ein Honorar. Das war nicht selbstverständlich. Denn der Aktionskünstler war damals bereits sehr bekannt. In Paris hatte er 1958 Flaschen verpackt, 1962 ein Fahrrad. Auch die Kunsthalle Bern war bereits Kunstobjekt geworden. Das KWM hatte im Vorjahr erstmals in Deutschland "Christo, Wrapped Coast 1 000 000 SQ.FT. - 305 000 Quadratkilometer verpackte Küste" gezeigt: Christo hatte da Bereiche der australischen Küste verhüllt.

 Paul Wember und Christo auf den Stoffwegen um Haus Lange.

Paul Wember und Christo auf den Stoffwegen um Haus Lange.

Foto: Stadt Krefeld
 Meterweise Stoffbahnen brauchte Christo, um die Räume in Haus Lange auszulegen, Fenster, Heizkörper und Sockel verschwanden später unter Packpapier.

Meterweise Stoffbahnen brauchte Christo, um die Räume in Haus Lange auszulegen, Fenster, Heizkörper und Sockel verschwanden später unter Packpapier.

Foto: Stadt Krefeld

Bevor Christo die von Ludwig Mies van der Rohe geplante Stadtvilla an der Wilhelmshofallee einpacken konnte, musste sie erst ausgepackt werden. Die Wiener Künstlergruppe Haus-Rucker-Co hatte Haus Lange bereits im Februar 1971 für die Ausstellung "Cover - Überleben in verschmutzter Umwelt" in eine Traglufthalle aus weißem, beschichtetem Gewebe gesteckt. Das Nachrichten-Magazin "Der Spiegel" berichtete damals: "Die Gruppe, zu der sich die Architekten Laurids Ortner, 29, und Günter Kelp, 29, sowie der Maler Klaus Pinter, 30, zusammengetan haben, will nämlich nicht erst den Mief und Müll der Zivilisation selbst vorführen. In einem Zeitsprung simulieren die drei vielmehr das Leben mit der vorausgesetzten totalen Verpestung, ein Leben in synthetischen Reservaten." So verschwand das Krefelder Museum ganz unter einer zwölf Meter hohen Traglufthalle, in der Besucher aus Lautsprechern Vogelstimmen, Waldesrauschen und Gewitter hörten. Eine Quarzlampe simulierte die Sonne. An einer Luft-Tankstelle konnten sechs Personen gleichzeitig reinen Atem mit Fichtennadelduft schöpfen. Die Ausstellung kostete rund 150.000 D-Mark. Sowohl das Land als auch die Wirtschaft halfen bei der Finanzierung des Projekts. Die Investition zahlte sich unter anderem in einer bundes- und europaweiten Berichterstattung aus. 10 000 Menschen besuchten die Ausstellung - ein immenser Erfolg.

(RP)
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