Rückblick auf die Anfänge Corona: Warum Krefeld glimpflich davonkam

Krefeld · Am 11. März gab es die ersten vier Corona-Fälle in Krefeld. Nach dramatischen zwei Monaten sind die Zahlen glimpflich, das Infektionsgeschehen kam nicht annähernd in Katastrophen-Nähe. Eine wesentliche Ursache: Die Stadt hatte Glück im Unglück, die Pandemie erreichte sie relativ spät.

 11. März – die ersten Coronafälle in Krefeld werden bekannt: Pressekonferenz der Stadt Krefeld unter Leitung von Oberbürgermeister Frank Meyer (l.).

11. März – die ersten Coronafälle in Krefeld werden bekannt: Pressekonferenz der Stadt Krefeld unter Leitung von Oberbürgermeister Frank Meyer (l.).

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Vor zwei Monaten, am 11. März, kam Corona nach Krefeld. Heute, zwei Monate später, kann man sagen: Die Katastrophe blieb bislang aus; die Zahlen zeigen, dass Krefeld, Stand 11. Mai, glimpflich davonkam. Und das ist der Stand: Bei 230.000 Einwohnern gibt es insgesamt 553 Infizierte und 21 Todesopfer im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion. Der glimpfliche Verlauf hat einen wesentlichen Grund: Die Pandemie erreichte Krefeld relativ spät. Der erste Corona-Kranke Deutschlands wurde Ende Januar aus Bayern gemeldet, die Epidemie von Heinsberg wurde um den 25. Februar ruchbar. Als es Krefeld traf, war die Politik in Bund und Land soweit alarmiert, dass sie zu drastischen Maßnahmen bereit war. Wie sehr das ganze Land reif war dafür, war in Krefeld am 11.März noch nicht klar: Schulschließungen, hieß es etwa in der Pressekonferenz der Stadt Krefeld am 11.März, seien nicht geplant; man werde verfahren wie in anderen Infektionsfällen üblich. Es kam anders; die Ereignisse sollten sich überschlagen. Der Shutdown begann in Krefeld fünf Tage später, das Virus hatte also kaum Zeit, sich auszubreiten.

12. März: Am Tag zwei der Krefelder Corona-Ära waren zehn Infizierte identifiziert; zugleich erhob sich eine Flut von Absagen; täglich mussten wir im Telegrammstil Absagen vermelden: Benefizveranstaltung der Labersäcke, Trödelmarkt des Pfiffikus, Klaviermeisterkurse in Krefeld und und und. Corona würgte mit wachsendem Tempo das öffentliche Leben ab.

 13. März: Die Stadt eröffnet ein Diagnosezentrum für Corona-Tests an der Schwertstraße.

13. März: Die Stadt eröffnet ein Diagnosezentrum für Corona-Tests an der Schwertstraße.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

13. März: Die Stadt eröffnet an der Schwertstraße ein Diagnosezentrum für Corona-Tests. Das Zentrum wird überrannt von Anfragen. Auch sonst überschlagen sich die Ereignisse:  Die Landesregierung in Düsseldorf verfügt, dass die Schulen zu Montag, 16. März, geschlossen werden. Krefeld hat an diesem 13. März gerade einmal 16 erkannte Corona-Infizierte. Man spürt: Die Angst vor einer Katastrophe durch Corona steckt den Verantwortlichen auf allen Ebenen in den Knochen.

17. März:  Schlagzeile in der Krefelder Stadtpost:  „Coronavirus legt Leben in Krefeld lahm“. Sechs Tage nach den ersten Corona-Fällen ist vollends klar, dass der Kampf gegen diese Pandemie historische Ausmaße annimmt. Krefeld verzeichnet nun 43 Corona-Infizierte. Zugleich rückt die Abiturientia in den Fokus. Die Generation Corona hat gleich mehrere Schläge wegzustecken. Das Abitur wird ganz anders ausfallen; die für die jungen Leute bedeutsamen Rituale zum Ende der Schulzeit fallen plötzlich weg. Der Schritt ins Erwachsenenleben soll sang- und klanglos erfolgen. Peng, knall, tschüss, das war’s: Viele der jungen Leute haben an diesem Schubs nach vorn schwer zu knabbern. Das zeigt auch, wie sehr die Schule als Schutz- und Schonraum wahrgenommen wird. Die Trauer um das abrupte Ende der Schulzeit ist auch dies: eine Liebeserklärung an die Schule.

 Ab dem 18. März müssen die Gastro-Betriebe schließen – das Foto vom Neumarkt zeigt, warum: Die Menschen sind noch zu sorglos  beieinander.

Ab dem 18. März müssen die Gastro-Betriebe schließen – das Foto vom Neumarkt zeigt, warum: Die Menschen sind noch zu sorglos  beieinander.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

18. März: Von diesem Tag an müssen in Krefeld auch die Gastronomie-Betriebe schließen. Hintergrund: Immer noch sitzen die Menschen dort dicht auf dicht.  Das Wetter ist schön, ein RP-Foto vom Neumarkt  an diesem Tag zeigt, dass die Menschen tun, was man bei schönem Wetter in der Stadt tut: beisammensitzen, Kaffee trinken, quatschen, lachen. Unter Pandemiebedingungen sind solche Gute-Laune-Ansammlungen gefährlich, weil der Beginn von Infektionsketten. In Krefeld ist jetzt so ziemlich alles auf null gefahren, auch Kitas und die Kommunalpolitik; Geschäfte dürfen nur noch in Ausnahmefällen öffnen. Ein schwerer Schlag für den Einzelhandel. In Krefeld wurden nun 54 Corona-Infizierte diagnostiziert.

26. März: 15 Tage nach der ersten entdeckten Infektion gibt es das erste Todesopfer in Zusammenhang mit Corona. Eine mehr als 90 Jahre alte Person  „mit multiplen Vorerkrankungen“ stirbt nach einer Corona-Infektion. Bis dahin sind die Zahlen in Krefeld nicht explodiert, sondern kontinuierlich gestiegen. Hier die Zahlen der als infiziert Erkannten seit dem 11. März: 4 – 10 – 16 – 21 – 35 – 36  – 43 – 54 – 62 – 76 – 84 – 93 – 98 – 103 – 117 – 138 am 26. März. Stand 26.März: Zwölf an Corona Erkrankte werden im Krankenhaus stationär behandelt, vier davon auf der Intensivstation. Krefeld, das über 99 Intensivbetten verfügt, ist Lichtjahre von einer Katastrophe entfernt.

 Am 23. April öffnen weiterführende Schulen öffnen wieder – mit Sicherheitshinweisen wie hier im Berufskolleg Uerdingen.

Am 23. April öffnen weiterführende Schulen öffnen wieder – mit Sicherheitshinweisen wie hier im Berufskolleg Uerdingen.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

27. März: Die Mitarbeiter vom Kommunalen Ordnungsdienst, die die Kontaktverbote in der Stadt überwachen müssen, versiegeln die erste Kneipe, in der verbotenerweise gefeiert wurde. Doch im Großen und Ganzen, so bilanziert die Stadt, halten sich die Leute an die Abstandsgebote. Am Montag, 31. März, wird die zweite Kneipe zwangsgeschlossen, am 3. April ein freikirchlicher Gottesdienst beendet.

 Allein im Seniorenheim St. Raphael starben elf Bewohner im Zusammenhang mit Corona.

Allein im Seniorenheim St. Raphael starben elf Bewohner im Zusammenhang mit Corona.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

30. März: Die Stadt legt den Fokus ihrer täglichen Corona-Berichte auf einen neuen Wert: die Zahl derer, die eine Corona-Infektion überstanden haben.  34 Krefelder gelten an diesem Tag – 14 Tage, nachdem sie positiv auf Corona getestet worden waren – als gesundet. Der Stand an diesem Tag: 208 Infizierte, 27 davon im Krankenhaus, sechs davon auf der Intensivstation. Die Zahl der 34  Genesenen ist ein Trostfaktor, den die Stadt in der Folge zunehmend betonen wird. Am Donnerstag, 9.April, beginnt die Tagesbilanz der Stadt erstmals nicht mit der Gesamtzahl der als infiziert Erkannten, sondern mit der Zahl der  „aktuell Infizierten“, nämlich 153 Menschen, neben der Zahl der Genesenen, nämlich 147. Die Gesamtzahl der Infizierten taucht auf, aber deutlich weiter hinten (305). Das ist, einerseits, ein Stück unauffällige Mutmach-Pädagogik zur Beruhigung, andererseits durchaus  faktenorientiert: Immer noch steigen die Zahlen nicht exponentiell, sondern linear. Im Schnitt kommen pro Tag zehn Infizierte hinzu.

 Am 20. April dürfen die Läden zum Teil wieder öffnen – zunächst mit einer Größe bis 800 Quadratmeter Verkaufsfläche. Das Foto zeigt Christoph Borgmann.

Am 20. April dürfen die Läden zum Teil wieder öffnen – zunächst mit einer Größe bis 800 Quadratmeter Verkaufsfläche. Das Foto zeigt Christoph Borgmann.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

8. April: Zwei weitere Todesfälle werden vermeldet, und wieder gehören die Opfer zur Gruppe der besonders Gefährdeten: ältere Menschen mit Vorerkrankungen. Es ist ein Tag, an dem die Pandemie auch sonst zeigt, wie gefährlich sie ist: Die Gesamtzahl der bekannten Infektionen springt um untypische 20 auf 292. Die Stadt nennt zur Relativierung die Zahl der aktuell Infizierten: noch 155, 20 weniger als am Vortag. Es gibt nun im Zahlenwerk der Stadt fest verankert zwei Kurven zur Pandemie: die Gesamtzahl der bekannten Infizierten und die Zahl der Gesundeten beziehungsweise der aktuell noch  Infizierten.

9. April: Corona fordert seinen Tribut: Es gibt zwei weitere Tote, beide um die 80, beide mit Vorerkrankungen, beide in Kliniken verstorben.

Das Osterwochenende vom 10. bis zum 12. April: Die Stadt setzt einen positiven Akzent in ihrer Berichterstattung: „Mehr Genesene als Infizierte“ lautet Überschrift am Karfreitag, am Ostersamstag „Weiter sinkende Zahlen“. Der Stand am Sonntag: aktuell 113 Infizierte, 205 Genesene, insgesamt 323 Infizierte.

14. April: Corona schlägt dort zu, wo die Menschen am verwundbarsten sind: im Altenheim. Die Stadt meldet vier Tote aus einem Seniorenwohnheim St.Raphael. Krefeld hat nun, gut einen Monat nach Ausbruch der Pandemie in der Stadt,  acht im Zusammenhang mit Corona Verstorbene zu beklagen.

17 April: Auch ein historisches Datum: Erstmals darf in Krefeld der Muezzinruf öffentlich ertönen; parallel dazu läuten die Glocken um 19 Uhr;  Christen, Juden und Moslems hatten sich auf diese Geste der Solidarität für die Dauer der Schließung der Gotteshäuser verständigt.

20. April:  40 Tage nach dem ersten Auftreten von Corona in Krefeld beginnt die Phase der Lockerungen, der Wiedereinstieg in die Normalität. Die Schulen sollen sich auf Öffnungen vorbereiten, der existenziell getroffene Einzelhandel darf bis zu einer Größe von 800 Quadratmeter Verkaufsfläche wieder öffnen. Zugleich steigt in Krefeld die Zahl der Corona-Toten: Aus dem Haus Raphael werden nun sieben Tote gemeldet, insgesamt hat Krefeld damit zwölf Tote im Zusammenhang mit Corona zu beklagen, das jüngste Opfer war 50 Jahre alt. In dieser Phase werden die meisten Toten vermeldet. Am 21. April sterben zwei weitere Menschen im Zusammenhang mit Corona, am 24. April ebenfalls zwei, am 26., 27.  und 30. April je eine Person. Macht 19 Verstorbene, von denen elf im Seniorenheim St. Raphael lebten.

23. April: Die weiterführenden Schulen öffnen wieder – mit starken Einschränkungen und relativ wenigen Schülern. Der Start gelingt im Großen und Ganzen; dennoch ist unter der Hand die Skepsis groß, dass die Abstandsregelungen von den Schülern eingehalten werden.

27. April: Von nun an gilt die Mundschutzpflicht in Geschäften und im ÖPNV. Öffnen dürfen nun auch große Geschäfte, sofern sie ihre Verkaufsfläche auf 800 Quadratmeter reduzieren – vorausgegangen waren Proteste vieler  Händler.

4. Mai: Knapp zwei Monate nach Ausbruch der Pandemie in Krefeld beginnt die Woche der Wiederöffnungen: Zoo und Frisöre öffnen am Montag, ab Mittwoch öffnet der Botanische Garten, ab Donnerstag können Spielplätze und Kultureinrichtungen wie Museen, Mediothek und Musikschule wieder besucht werden, und die Grundschulen nehmen schrittweise den Betrieb wieder auf. An diesem Montag verzeichnet Krefeld 527 Infizierte insgesamt, 21 Tote im Zusammenhang mit Corona, 389 Genesene und 117 aktuell noch Infizierte. Die Lockerungen müssten rückgängig gemacht werden, wenn die Zahl der Neuinfizierten in einer Woche bei 117 liegt; diesen Wert hat die Stadt nie erreicht; er lag in der Spitze bei 104 entdeckten Neuinfizierten (wobei diese Zahl  von der Zahl der Tests abhängig ist).

10. Mai: Das Bild bleibt unauffällig Seit dem 11. März wurden 551 von rund 230.000 Einwohnern positiv auf Corona getestet; 21 Personen sind im Zusammenhang mit Corona gestorben; 450 der Infizierten gelten als genesen.17 Infizierte werden im Krankenhaus behandelt, davon zwei auf der Intensivstation. Die Katastrophe ist bisher abgewendet.

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