Krefeld Columbine-Bild bleibt im Museum

Krefeld · Als erstes Museum besitzt Krefeld ein Rope Painting von Fabian Marcaccio – ein Bild, bei dem Farbe durch Seilgewebe gepresst wird. Damit könnte Krefeld wieder Wegweiser bei zeitgenössischer Kunst sein. Marcaccios Bilder steigen im Wert, fast alle aus der Ausstellung sind verkauft.

 Das Bild "Eric & Dylan" zeigt die toten Jugendlichen nach dem Amoklauf an der Columbine High School, unten rechts ist das Gewehr zu erkennen.

Das Bild "Eric & Dylan" zeigt die toten Jugendlichen nach dem Amoklauf an der Columbine High School, unten rechts ist das Gewehr zu erkennen.

Foto: KKM

Als erstes Museum besitzt Krefeld ein Rope Painting von Fabian Marcaccio — ein Bild, bei dem Farbe durch Seilgewebe gepresst wird. Damit könnte Krefeld wieder Wegweiser bei zeitgenössischer Kunst sein. Marcaccios Bilder steigen im Wert, fast alle aus der Ausstellung sind verkauft.

 Museumsleiter Martin Hentschel mit dem angekauften Bild "Eric & Dylan": Hier ist die massive Farbe, die durch das Gitter aus Schnüren gepresst ist, zu erkennen: raumgreifend wie ein Objekt.

Museumsleiter Martin Hentschel mit dem angekauften Bild "Eric & Dylan": Hier ist die massive Farbe, die durch das Gitter aus Schnüren gepresst ist, zu erkennen: raumgreifend wie ein Objekt.

Foto: Lothar Strücken

Eric und Dylan gehen nicht zurück in die USA. Jetzt ist es beschlossene Sache, dass Fabian Marcaccios Bild vom Massaker an der Columbine High School in den Krefelder Kunstmuseen bleibt. Der Förderverein "Freunde der Krefelder Kunstmuseen" hat mit dem Fonds "Wirtschaft engagiert sich" das fast drei Meter große Gemälde "Eric & Dylan" angekauft.

Krefeld könnte damit wieder den Ruf als Spürnase bei zeitgenössischer Kunst polieren — wie in den 1960er Jahren, als Yves Klein mit seiner Ausstellung an der Wilhelmshofallee seinen internationalen Durchbruch erlebte. Denn gerade der 48-jährige Künstler aus Argentinien, der seit einem Vierteljahrhundert in New York lebt, ist auf dem Kunstmarkt eine Anlage mit steigendem Kurs.

"Zumindest sind wir das erste Museum, das eines der neuen Rope Paintings angekauft hat", sagt Museumsleiter Martin Hentschel. Bei den Robe Paintings ersetzt Marcaccio die Leinwand durch ein Geflecht aus Seilen und Schnüren, durch die er mit einem eigens entwickelten Apparat die Farbe durchpresst, damit sie wie bei einer Skulptur in den Raum ragt.

Zum Preis sagt Hentschel nur: "Der ist uninteressant, weil das Bild im Museumsbesitz sowieso dem Kunstmarkt entzogen ist." Und als Dauerleihgabe der Museumsfreunde könne es auch nicht verkauft werden. "Dass der Wert innerhalb von Jahrzehnten um 2000 Prozent steigen kann, ist nicht ungewöhnlich.

Doch nicht deshalb war gerade dieses Bild Hentschels Wunschankauf: "Es passt hervorragend in unser Museum", sagt er. Denn bereits 2008 kam eine Doppelarbeit von Marcaccio in Museumsbesitz: die Zeichnung "Drag Draftant" — ein abstrahierter Gewehrkolben in Kohle auf einer PVC-Platte; der Kohlestaub lässt sich wie eine Rauchspur auf der Wand weiterziehen — und das Video "Line (Draftant)", eine Kamerafahrt über eine Art Schützengraben, die den Eindruck verbrannten Landes erweckt. Die drei Arbeiten verbindet das Thema Gewalt, es sind drei unterschiedliche Genres eines Künstlers.

Es gibt die thematische Nähe: die Todesdarstellung in der abendländischen Kunst. Sie verbindet Marcaccio mit anderen Werken des Museums — etwa Sigmar Polkes Soldatenbild "Im Westen nichts Neues" oder Andy Warhols "The Most Wanted Man" und Richard Artschwagers "Two Point Perspective", die alle die Frage aufwerfen, inwieweit die Täter auch Opfer sind. Aber die Krefelder "Marcaccios" sind auch Marksteine im Werk des Künstlers. Die noch bis 19. August laufende Ausstellung hat Marcaccio eigens für das Haus Esters gemalt. Seine Technik, die Leinwand aus Seilen zu knüpfen und die Farbe durchzudrücken ("Rope Painting") ist frisch. "In ,Eric & Dylan' hat er — anders als in den anderen Werken - die Springseile und Plastikschläuche auch inhaltlich verwendet", sagt Hentschel.

Das Bild, dessen wuchernde Farbe sich den Raum einverleibt, zeigt — aus einigen Metern Abstand betrachtet — die beiden jugendlichen Amokläufer Eric und Dylan, die sich in der Schulbibliothek selbst gerichtet haben. Die Spuren von Blut und Verwüstung sind greifbar. Im Vordergrund ist noch die Waffe erkennbar, die Bücher der Bibliothek sind nurmehr Farbfetzen, zerfleddert wie die Ideologien der beiden Schüler. Springseile laufen bis zum Arm eines Täters, der so als Marionette gekennzeichnet wird. Die gebogenen Kunststoffröhrchen lassen sich als Sauerstoffschläuche deuten. Dass die Verknüpfungsstelle an ein Hakenkreuz erinnert, ist kein Zufall. In Marcaccios Bildern lässt sich lesen und immer wieder Neues entdecken.

Es ist kein leicht zugängliches Bild. Das macht für Hentschel den Wert der künstlerischen Position deutlich: "Kunst hat sich nie selbst erklärt, auch in früheren Jahrhunderten nicht. Den Zugang muss man sich erarbeiten." Bei Marcaccio geht das übers Internet — wer die Bildertitel eingibt, wird von Informationen überflutet. Auch das ist Kalkül, denn "Eric & Dylan" basiert auf einem Polizeifoto vom Tatort, das irgendwie ins Internet gelangt war.

Gut besucht, sagt Hentschel, sei die Ausstellung bisher gewesen. Dass zeitgleich Marcaccios Skulpturen im Duisburger Lehmbruck-Museum zu sehen sind, habe sich bemerkbar gemacht. Für Fabian Marcaccio ist die große Schau im Haus Esters ein Erfolg: Fast alle Bilder hat er verkauft, und es gibt Anfragen von weiteren Museen für Ausstellungen.

(RP)
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