Colonia Dignidad Sektenarzt Hopp erneut im Visier der Justiz

Krefeld · Der in Krefeld lebende Sektenarzt Hartmut Hopp ist erneut ins Visier der Justiz geraten. Es geht um die Tötung Oppositioneller in Chile in der der Zeit der Pinochet-Diktatur und die Mitwirkung der Führungsriege von Colonia Dignidad. Die Staatsanwaltschaft Krefeld überprüft „erweiterte Vorwürfe“ aus Chile.

 Heinrich Franz Wagner war Opfer von Colonia Dignidad und demonstrierte im Juni in der City mit 50 Unterstützern gegen den in Krefeld lebenden früheren Sektenarzt Hartmut Hopp.

Heinrich Franz Wagner war Opfer von Colonia Dignidad und demonstrierte im Juni in der City mit 50 Unterstützern gegen den in Krefeld lebenden früheren Sektenarzt Hartmut Hopp.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Eine Fachdolmetscherin mit juristischer Ausbildung ist derzeit damit beschäftigt, Hunderte Seiten zu übersetzen, die Oberstaatsanwalt Axel Stahl als Teilnehmer einer deutschen Delegation von seinem Besuch in Chile mitgebracht hat. Das Material beinhalte „erweiterte Vorwürfe“ gegen den in Krefeld lebenden und in Chile in mehreren Instanzen rechtskräftig wegen Beihilfe zur Vergewaltigung und sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen verurteilten früheren Arztes der Sekte Colonia Dignidad, Hartmut Hopp, sagte Stahl im Gespräch mit unserer Redaktion. Verfahrensgegenstand sei die „Tötung Oppositioneller“in der Zeit der Pinochet-Diktatur.

Das Krefelder Landgericht hat vor rund einem Jahr die „ausländische Sanktion“ in eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Tag umgewandelt, die Hopp in Deutschland anzutreten hätte. Dagegen legt er Rechtsmittel ein und befindet sich weiterhin auf freiem Fuß. Dagegen protestierten bei Demonstrationen in der Krefelder City zuletzt rund 50 Personen, darunter Opfer der früheren Sekte, deren Anführer Paul Schäfer nicht mehr lebt.

Dass Schäfer und seine Führungsriege willfährige Helfer des Generals und Diktators Augusto José Ramón Pinochet Ugarte (1973-1990) erklärte die Deutsche Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Jan Korte (Die Linke). In der Drucksache Nummer 18-8967 heiß es, unter anderem, dass Colonia Dignidad als eine freikirchliche Sekte in der Zeit von 1961 bis 1999 um den Anführer Paul Schäfer und dessen rechter Hand Hartmut Hopp ein System von „Denunziation, Züchtigung und Zwangsarbeit etabliert habe. Kinder seien von ihren Familien getrennt aufgezogen und sexuell missbraucht worden. Widerstand von Mitgliedern habe Folter wie schwere Körperverletzungen, Elektroschocks und Medikamentenmissbrauch ausgelöst. Ferner hätten Paul Schäfer und die ihm nachgeordnete, privilegierte Führungsriege mit der Pinochet-Diktatur kollaboriert. Auf Befehl von Schäfer, so die Bundesregierung seien 20 Leichen chilenischer Staatsangehöriger auf dem Gelände der Colonia Dignidad vergraben und später wieder ausgegraben, verbrannt und in einen angrenzenden Fluss geworfen worden.

Obwohl die Existenz von Folterstätten auf dem Sektenareal frühzeitig belegt gewesen sei, sei das Auswärtige Amt erst rund zehn Jahre später den Vorwürfen hinsichtlich Menschenrechtsverletzungen nachgegangen, räumte die Bundesregierung vor zwei Jahren schriftlich ein. Der Bundesnachrichtendienst habe sogar schon 1966 erste Hinweise auf „KZ-ähnliche Methoden“ bei der Colonia Dignidad erhalten.

Inwieweit diese Informationen Bestandteil der Ermittlungen über die „Tötung Oppositioneller“ sind und ob und inwiefern Hopp daran beteiligt gewesen sein soll, ist derzeit nicht bekannt. Die Staatsanwaltschaft Krefeld wartet im Moment auf das ins Deutsche übersetzte Material, um sich ein Bild machen zu können.

Heutzutage heißt die Colonia Dignidad Villa Baviera. Dort leben rund 140 Personen, die meisten von ihnen altersbedingt krank und pflegebedürftig. Wie viele frühere Mitglieder außerhalb der Kolonie leben, darüber hat die Bundesregierung nach eigener Aussage keine Erkenntnisse.

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