Interview mit OB Gregor Kathstede und Planungsdezernent Martin Linne City-Umbau: "Die Krefelder werden staunen"

Krefeld · Oberbürgermeister Kathstede und Planungsdezernent Linne reden über große Investitionen und ihre Zusammenarbeit.

 Gregor Kathstede (l.) und Martin Linne im Büro des Oberbürgermeisters. Auf dem Tisch: der Krefelder Stadtplan.

Gregor Kathstede (l.) und Martin Linne im Büro des Oberbürgermeisters. Auf dem Tisch: der Krefelder Stadtplan.

Foto: T. L.

Herr Kathstede, Herr Linne, eine Vielzahl von Bauprojekten soll in der Krefelder City realisiert werden. Fragen Sie sich manchmal nach den Gründen, wie es so kommt?

Kathstede Zwei Dinge zeigen sich: Es war richtig, sich politisch gegen ein großes Einkaufszentrum auf dem Theaterplatz zu entscheiden. Und es ist wichtig, Hartnäckigkeit zu zeigen. Schon zwei bis vier Tage nach meinem Amtsantritt habe ich beispielsweise Herrn Cloppenburg von P & C angeschrieben und vorgeschlagen, in Krefeld zu investieren. Das habe ich mindestens einmal im Jahr wiederholt, bis dann Peek und Cloppenburg von sich aus auf die Stadt zugekommen ist.

Gibt es einen Urknall für den neuen Entwicklungsschub, rein psychologisch? War zum Beispiel die Dio-Spitze der emotionale Auftakt?

Kathstede Die Spitze ist ein zentrales Symbol für die Krefelder. Eine Stadt braucht Wahrzeichen, um Identität zu stiften. Das kann also ein Urknall gewesen sein. Ich würde aber auch sagen, dass ein Urknall das Versprechen der Stadt gewesen ist, am Ostwall zu investieren.

Linne Ich rede mal in einem Bild: Unsere Innenstadt ist das Herz des Organismus. Wenn das Herz nicht mehr schlagen würde, sind auch gut funktionierende Körperteile im nächsten Moment wirkungslos. Also war die Entscheidung richtig, sich in der Entwicklung für eine gewisse Zeit, eine Dekade, auf die Innenstadt zu konzentrieren. Den Schwung muss man aufnehmen, um private Investoren zu überzeugen.

Welche Reaktionen bekommen Sie, Herr Kathstede, auf die derzeitigen Entwicklungen in Krefeld? Wird registriert, was hier passiert — die City als Einkaufszentrum?

Kathstede Ich habe regen Austausch mit den Bürgermeistern des Niederrheins. Viele von ihnen kommen regelmäßig nach Krefeld zum Einkaufen. Wenn ich im Städtetag von den Krefelder Entwicklungen berichte, ist der eine oder andere recht neidisch und fragt: ,Wie macht ihr das in Krefeld?' Und ich werde gefragt: ,Warum habt ihr euch gegen ein Einkaufszentrum entschieden?'

Herr Linne, für Sie als Fachmann ist die Frage des Einkaufszentrums eine besondere. Sie kommen aus Duisburg, wo mitten in der Innenstadt ein großes Einkaufszentrum entstand. Welcher Weg — der Krefelder oder der Duisburger — ist Ihnen der sympathischere?

Linne Für Duisburg war die Entscheidung für ein Forum mitten in der Innenstadt richtig. Das ist was völlig anderes, als wenn Duisburg ein Einkaufszentrum außerhalb der City entwickelt hätte. Das wäre vergleichbar mit einer Entwicklung eines Einkaufszentrums auf dem Krefelder Theaterplatz, weil außerhalb der eigentlichen City gelegen. Wenn die Distanzen innerhalb einer City zu groß werden, wird es gefährlich.

Welche Fäden kann ein Oberbürgermeister eigentlich im Hintergrund ziehen?

Kathstede Das Geld besorgen muss der Investor. Ich kann ihm dabei Mut zusprechen, Kontakte zu Banken knüpfen, schnelle Entscheidungen garantieren. Das haben wir sowohl bei Tenkhoff als auch bei P & C getan. Meine Einflussmöglichkeit ist auch, die Politik darauf vorzubereiten, schnelle Entscheidungen zu treffen. Netto ist unter anderem nach Krefeld gekommen, weil wir den Bauantrag sehr zügig bearbeitet haben.

Linne Es hilft auch, wenn man einem Investor zeitnah erklären kann, wenn etwas nicht geht. Wir leben in einem Rechtsstaat, es gibt immer begründete Anliegerinteressen. Also immer Klartext reden und so schnell wie möglich Entscheidungen fällen. Und nicht darauf warten, dass der andere eine Lösung findet, sondern selbst eine präsentieren.

Wie funktioniert das Zusammenspiel zwischen Ihnen beiden?

Kathstede Wir sind täglich telefonisch verbunden oder in gemeinsamen Sitzungen. Wir haben mit Martin Linne als Dezernenten eine perfekte Besetzung gefunden, einen Typen mit Ecken und Kanten. Das macht einen guten Dezernenten aus. Ich kann mich auf ihn hundertprozentig verlassen. Er sucht immer einen pragmatischen Ansatz.

Linne Ich kann das Kompliment zurückgeben. Ich habe einen sehr guten Oberbürgermeister. Wir sind zwar nicht immer einer Meinung. Wir streiten wenig, aber konstruktiv.

Sie duzen sich: Wie kam es dazu?

Kathstede Beim Empfang auf der letzten Ratssitzung 2011. Ich duze mich mittlerweile mit allen meinen Dezernenten.

Wo ecken Sie strukturell an? Wo widersprechen sich Interessen von Oberbürgermeister und Dezernent.

Kathstede Beim Haushalt natürlich. Sicher sehe ich die Sorgen, die Herr Linne im Personalbereich hat. Aber da sind wir im Gespräch.

Aber der Personalmangel wird schon dazu führen, dass einige Projekte nicht in der Intensität bearbeitet werden können, wie es nötig wäre.

Kathstede In der Verwaltung haben wir eine klare Priorität gesetzt: den U3-Ausbau. Wir könnten spielend in der Bauverwaltung 20 Leute mehr gebrauchen, aber es muss auch das Geld da sein. Herr Linne hat eine tolle Mannschaft, er schafft es immer wieder, sie zu motivieren. Wir müssen auch Abstriche machen: Die Politik erwartet zum Beispiel fertige Konzepte für das Seidenweberhaus. Die können wir derzeit nicht liefern. Das hat keine Priorität. Genauso erwartet die Politik Sanierungskonzepte für die Stadtteil-Rathäuser. Auch das hat keine Priorität.

Viele Krefelder interessiert: Was wird aus dem Seidenweberhaus?

Linne Es gibt eine klare Entscheidung, dass wir die kommenden fünf Jahre mit dem Betrieb des Seidenweberhauses planen. Wir können es weder personell noch infrastrukturell noch operativ jetzt umbauen. Man muss Entscheidungen so fällen, damit man 2017/2018 in die Bauphase gehen kann. In diesem Jahr werden wir technische Fragen klären. Im nächsten Jahr wird dann die Grundsatzentscheidung möglich: Abbruch oder Neubau. 2016 bis 2017 könnten Bauausschreibungen laufen. Insofern sind wir auf einem ganz normalen Weg.

Kathstede Beim Seidenweberhaus wage ich die vorsichtige Prognose, dass wir sanieren und nicht abreißen und neu bauen. Das Herz vieler Krefelder hängt an diesem Haus. Es wird im Endeffekt eine fiskalische Entscheidung sein. Aus dem Seidenweberhaus, das sehr funktional ist, wird man etwas Schönes machen können. Ich bin aber auch noch nicht festgelegt.

Ist es nicht auch aus Ihrer Sicht heraus charmanter, ein hässliches Entlein so aufzuhübschen, dass alle am Ende sagen: ,Wow!'?

Linne Das hat absolut seinen Reiz. Man kann aus dem Gebäude etwas machen, so dass am Ende viele Leute staunen werden. Neutral städtebaulich gesehen verdeckt das Seidenweberhaus allerdings den Blick auf Theater und Mediothek. Deshalb wäre ein Neubau parallel am Ostwall die bessere Alternative.

Sie haben in Frankfurt und Duisburg gearbeitet, Herr Linne. Da gibt es regelrechte In-Viertel. Hat Krefeld so was perspektivisch auch?

Linne Als ein solches In-Viertel sehe ich in den kommenden Jahren klar die Südweststadt, in der es reizvolle Architektur gibt. Der Bereich Tannen-, Lewerentzstraße, Alte Samtweberei ist interessant. Dort haben wir ein Nutzungs- und Funktionskonzept erstellen lassen, über das wir die Politik in Kürze informieren wollen. Die Corneliusstraße ist umgestaltet worden, die Alte Post ist an die Kunstfreunde verkauft. Ich bin mir sicher, dass wir von diesem Bereich noch viel hören werden.

Können die neuen Baumaßnahmen auch zu einem neuen Lokalpatriotismus der Krefelder führen?

Kathstede Das hoffe ich. Ich glaube, wenn der Ostwall fertig ist, werden die Krefelder sagen: ,Ist das schön geworden'.

Linne Wir als Krefeld sind das, was man unter dem Oberbegriff Europäische Stadt begreift: Wohnen, Leben, Arbeiten. All das können wir bieten. Die Krefelder werden über viele Dinge staunen, die hier passieren.

SEBASTIAN PETERS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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