Move-Festival in Krefeld Die Frau, die nur Frauen tanzen lässt

Krefeld · Mauga Morales übt mit ihren Choreografien Kritik an der von Männern dominierten Gesellschaft.

 Choreografin Mauga Morales in einer Platane im Schönwasserpark. Ihr Stück „Anmut und Würde“ war hier zuerst open air zu sehen.

Choreografin Mauga Morales in einer Platane im Schönwasserpark. Ihr Stück „Anmut und Würde“ war hier zuerst open air zu sehen.

Foto: Petra Diederichs

Die Choreografin und Tänzerin Maura Morales hat mit „Anmut und Würde“ im Schönwasserpark im Juli die Zuschauer beeindruckt. Am Samstag, 20. Oktober, 20 Uhr, zeigt sie beim Festival „Move“ die Bühnenadaption in der Fabrik Heeder. Die Kulisse des Plantanenhains hatten die Tänzerinnen raumgreifend genutzt und durch ihre direkte Nähe zu Musiker, Publikum und zufälligen Passanten zum Erlebnis gemacht. Morales erzählt, was sie für den Innenraum verändert hat und warum ihre Stücke von und für Frauen getanzt werden.

Vor wenigen Tagen hatte „Phobos“, das jüngste Stück von Cooperativa Maura Morales, Premiere im Ringlokschuppen/Ruhr. Nach „Sisyphus war eine Frau“ und „Anmut und Würde“ ist auch dieses ein „Frauen-Stück“, das ausschließlich von Tänzerinnen getanzt wird. Arbeiten Sie gerade an einer Art Trilogie zum Thema Gleichberechtigung, Befreiung und Selbstbestimmtheit der Frau?

Maura Morales: Ich stelle mir seit langer Zeit Fragen zu diesen Themen und versuche, durch den Tanz Antworten zu finden. In Europa empfinde ich den Machismus nicht so stark, aber in meiner Heimat Kuba und in ganz Lateinamerika dominiert eine männerzentrierte Gesellschaft. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Es gibt Gesetze für Frauen, die vorschreiben, wie sie sich im öffentlichen Raum zu verhalten haben, damit ihnen nichts zustößt. Umgekehrt gibt es aber kein einziges Gesetz für Männer, das ihnen sagt, wie sie mit Frauen im öffentlichen Raum umgehen sollen. Das ist doch absurd und macht mich wütend. Frauen sollten sich nicht immer unterordnen, genau darüber wollte ich ein Stück machen und die Leute zum Nachdenken bringen.

Was hat sich Ihrer Meinung nach ein Jahr nach der Me-Too-Debatte verändert?

Morales: Wir leben in einer von Männern dominierten Gesellschaft, und das ist nicht nur in der Kunst- und Kulturbranche so. Unterbewusst gibt es diese fixe Idee in den Köpfen der Menschen, Männer würden alles besser machen. Und das muss sich ändern. Aus diesem Grund habe ich meine zwei vergangenen Stücke für Frauen gemacht. Frauen haben eine unendliche Kraft, sie sind smart und sensibel und sprühen vor Energie. Wenn ich meine Tänzerinnen auf der Bühne sehe, denke ich: Wow, die tanzen besser als die Männer. Nur die Männer haben noch nicht kapiert, wie stark wir sind.

Bei „Anmut und Würde“ im Schönwasserpark hatte der Betrachter zum Einen durch die Nähe zu den Tänzerinnen das Gefühl, in das Werk hineingesogen zu werden, und zum Anderen entstand der Eindruck, dass er es durch seine bloße Anwesenheit auch verändern konnte. Wie stark geht es in Ihren Werken auch um die Erfahrung, die das Publikum machen soll? Und wie gelingt es Ihnen, diese Erfahrung auch im Bühnenraum zu ermöglichen?

Morales: Die Bühne ist immer ein magischer Ort, in dem man das Publikum glauben lässt, dass das, was man zeigt, wahr ist. Doch ohne die Zuschauer ist ein Stück nur zu 50 Prozent gemacht, die anderen 50 Prozent entstehen in der Beziehung zwischen den Tänzerinnen und Zuschauern. Die Energie, die die Zuschauer in ein Stück einbringen, ist uns sehr wichtig. Ich glaube, dass sich viele Zuschauer dessen gar nicht bewusst sind. Doch es ist jedes Mal wie ein Ritual: Beide bereiten sich den ganzen Tag auf den Abend vor und geben sich dann gegenseitig etwas. Das ist ein wunderschöner Moment. Es entsteht eine Magie, die so lebendig ist. So nah wie in „Anmut und Würde“ sind die Tänzerinnen den Zuschauern noch nie gekommen. Das Publikum soll wissen, dass es sehr wichtig für uns ist.

„Anmut und Würde“ hat sein Potenzial im Freien entfaltet. Welche Herausforderungen bringt die Bühnenadaption?

Morales: Wir gucken gerade, wie wir den Park auf die Bühne bringen. Doch auch ein vermeintlich geschützter Ort wie die eigene Wohnung oder die Arbeit kann zu etwas Bedrohlichem werden. Ich will nicht zu viel verraten..., aber die Bühne der Fabrik Heeder ist wunderbar, sie ist sehr wandelbar und immer nah am Publikum.

Wie würden Sie Ihre künstlerische Vision beschreiben? Welchen Anspruch haben Sie an Ihre Arbeit?

Morales: Ich weiß, dass ich die Welt nicht verändern kann. Doch ich spreche immer von Dingen, die mich ganz persönlich interessieren. Ich habe einen großen Gerechtigkeitssinn. Früher wollte ich Richterin werden, doch dazu habe ich kein Talent. Im Tanz teile ich meine Gedanken mit den Menschen und möchte, dass sie aus meinen Stücken anders herausgehen, als sie hineingekommen sind.

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