Krefeld Bockums Backstein-Schlösschen vor der Rettung

Krefeld · Das Gebäude Schönwasserstraße 50 gehört zu den schönsten Beispielen des Backstein-Expressionismus in Krefeld. Es steht seit Jahren leer - nun bahnt sich offenbar eine Lösung an. Eben weil es herausragend ist, zeigt es auch den scharfen Kontrast zum Bauhaus: Beide sind modern, aber auf völlig unterschiedliche Weise.

 Blick von der Schönwasserstraße: Der markante Giebel zitiert den gotischen Giebel, der seit dem Spätmittelalter bei Bürgerhäusern beliebt ist - löst die Form aber zugleich asymmetrisch auf.

Blick von der Schönwasserstraße: Der markante Giebel zitiert den gotischen Giebel, der seit dem Spätmittelalter bei Bürgerhäusern beliebt ist - löst die Form aber zugleich asymmetrisch auf.

Foto: Thomas Lammertz

Wanderer, kommst du zur Schönwasserstraße, schau dir dieses Haus an. Die Nummer 50 ist ein wunderbares Beispiel für den Krefelder Backstein-Expressionismus. Davon gibt es nun viele beeindruckende Beispiele in Krefeld; man denke nur an das geschlossene Wohnbau-Ensemble an der Paul-Schütz-Straße zur Grenzstraße hin. Doch dieses Haus ist etwas Besonderes: Die Mischung aus Strenge und Verspieltheit ist besonders innig und überraschend; das Gebäude erinnert von Ferne an ein Schloss oder eine Burg; es zitiert den gotischen Staffelgiebel und hat im Ganzen etwas Verwunschenes. Dem Vernehmen nach hat sich ein Käufer für das Gebäude gefunden - damit ist wohl die Zukunft eines der schönsten Häuser Krefelds gesichert. Seit 2014 steht es unter Denkmalschutz.

 Das Fenstergitter der Tür ist wie alle Geländer noch Originalbestand und integraler Bestandteile des Gesamtkonzepts.

Das Fenstergitter der Tür ist wie alle Geländer noch Originalbestand und integraler Bestandteile des Gesamtkonzepts.

Foto: Lammertz Thomas

Das Gebäude umweht auch deshalb etwas Geheimnisvolles, weil bislang der Architekt nicht bekannt ist. Bekannt ist, dass es 1928/29 errichtet wurde - in einer Zeit, in der die strenge Formensprache des Bauhauses seinen Siegeszug in die Welt gerade antrat. Der Weltarchitekt Mies van der Rohe war in dieser Phase noch relativ unbekannt - er arbeitete in den 20er Jahren fast ausschließlich für ambitionierte Bauherren in Krefeld. 1927 entwarf er die Häuser Lange und Esters, ab 1928 plante er den deutschen Pavillon für die Weltausstellung in Barcelona (1929) und das Krefelder Golfclubhaus, das nie gebaut wurde, aber im Zuge des Projekts "Mies 1:1" auf dem Egelsberg in Holz nachgebaut wurde. Die Beispiele zeigen, wie weit die Formensprache von Mies und der Krefelder Backsteingotik auseinanderlagen: Wo das Bauhaus architektonisch auf formale Strenge und nie gekannte kubische Kargheit setzte, bewahrte sich der Backsteinexpressionismus den Hang zum Zierrat und zum Zitat. Modern war er darin auch - wer stilbewusst zitiert, blickt auf Vergangenes und eignet es sich doch souverän an. Dennoch: Im Zitat steckt eben immer auch Rückwärtsgewandtes - insofern zeichnete sich ab, dass dem Bauhaus die Zukunft gehören würde. Allerdings war der Backsteinexpressionismus in den 20er Jahren der weitaus beliebtere Baustil, und man ahnt noch heute, warum. Diese Stilrichtung hat uns wunderbare Gebäude mit hoher urbaner Qualität und ebenso hoher Wohnbehaglichkeit hinterlassen - seien es Mietshäuser, seien es Reihenhäuser, seien es Solitäre wie das Haus an der Schönwasserstraße.

 Ein Erker wie ein Wehrturm: Der Bau zitiert mittelalterlichen Burgenbau.

Ein Erker wie ein Wehrturm: Der Bau zitiert mittelalterlichen Burgenbau.

Foto: Lammertz Thomas

Am Umfang des Denkmalschutzes ist ablesbar, für wie wertvoll die Fachleute das Gebäude halten: Geschützt ist "das Äußere und Innere des Hauses in Substanz und Erscheinungsbild", heißt es in der Expertise des Denkmalschutzes, "die bauzeitliche Gestaltung der Fassaden, die Raumaufteilung des Inneren und die baufeste Ausstattung aus der Bauzeit (Fenster, Türen, Böden, etc.)." Auch Teile der Gartengestaltung stehen unter Schutz - ein deutlicher Hinweis, wie viel Stilwillen in diesem Bau steckt, der auch mit einem entsprechenden Garten gerahmt werden sollte.

Das Haus ist auch in sich vielgestaltig. Markant ist ein aufwendig gestalteter Stufengiebel zur Straße hin. Quer zur zweigeschossigen Hauptachse des Gebäudes ist ein eingeschossiger Anbau mit Dachterrasse eingefügt. So sind die beiden Giebelseiten unterschiedlich gestaltet und unterschiedlich breit. Auch die Satteldächer der beiden zweigeschossigen Bauteile variieren.

Der Stufengiebel - ein beliebtes Motiv im Backsteinexpressionismus - ist dabei "auf originelle Weise asymmetrisch gestaltet", heißt es in der Denkmal-Expertise: "Breite und Höhe der zwei unteren Stufen sind unterschiedlich und über Kreuz aufeinander bezogen beziehungsweise durch die vom Dachgeschossfenster ausgehende Gliederung miteinander verschränkt."

Planung aus einem Guss: Die Eisengitter der Fenster, der Türen, der Treppengeländer, der Terrassen- und Balkonbrüstungen gehören zum Originalbestand und bilden integrale Elemente des Gesamtbildes.

So fasst die Denkmal-Expertise voller Respekt zusammen: Das Gebäude sei ein "architektonisch im Gesamtentwurf wie in der Detailgestaltung gelungenes und weitgehend authentisch erhaltenes Beispiel für den Backsteinexpressionismus".

Wer immer dieses Haus kauft, macht sich verdient um seine Erhaltung - auch deshalb, weil er sehenden Auges den hohen Schutzstatus akzeptiert. Das Haus gibt diesen Einsatz quasi zurück: mit stilvoller Wohnqualität.

(RP)
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