Krefeld Ben Becker: Der Bad Boy und die Bibel

Krefeld · Die Rollen der Rebellen und der Bösen reizen ihn. Am 3. Dezember tritt Ben Becker in der Friedenskirche als Verteidiger einer der meistverteufelten Personen der Menschheitsgeschichte auf: In "Ich, Judas" übernimmt der Schauspieler die Rolle des Mannes, der Gottes Sohn mit seinem Kuss verraten hat.

Der Fall Judas muss neu aufgerollt werden, meint Ben Becker. Judas dürfe nicht als Sündenbock für die Ewigkeit gebrandmarkt werden. Und dazu bedient sich der Schauspieler zweier Texte, die aus einer anderen Perspektive auf die Geschichte der Bibel blicken: Walter Jens' "Verteidigungsrede des Judas Ischariot" und Amos Oz' Roman "Judas". Der Bad Boy verteidigt das personifizierte Böse aus der Bibel.

Der Schriftsteller und Rhetorik-Professor Walter Jens hat in seinem Roman "Der Fall Judas" 1975 einen fiktiven Seligsprechungsprozess für Judas Ischariot beschrieben. Seine radikale These darin: Judas ist nichts ohne Jesus. Aber Jesus ist auch nichts ohne Judas. Denn ohne Judas gebe es kein Kreuz, und damit auch keinen Heilsplan Gottes. In der Verteidigungsrede lässt der Heidegger-Schüler Jens den Judas fragen "Was war denn zu verraten? Jesus' Aufenthaltsort? Den kannten tausende. Sein großes Geheimnis, dass er Gottes Sohn sei? Das hat er selbst gesagt, vor allen Leuten." Judas habe in einem abgekarteten Spiel die Rolle des Verräters übernehmen müssen. Mit dieser Aufgabe habe Judas sich geopfert.

Wie geht Becker diese schwierige Rolle an? "Von allen Jüngern bringt Judas als vermeintlicher Gegenspieler des Messias das größte Opfer. Für Jesus zu sterben ist tausendmal leichter als ihn zu töten, heißt es bei Walter Jens. Doch Judas nimmt diese Rolle an. Sein Verrat ist der Gehorsam." Und Becker verweist auf den dramatischsten Bruch in diesem Judas-Monolog: "Was wäre, wenn Judas sich gewehrt und den Gehorsam verweigert hätte? Hier hört seine Verteidigungsrede auf und ein fundamentaler Zweifel fängt an." Judas hat seinen Part erfüllt - und das sei der Beginn einer endlosen Folge von Glaubenskriegen, blutigem Fanatismus, Inquisition, Judenverfolgung und Holocaust. Das führt Becker zu der Frage "Wäre ein Nein von Judas zum Messias nicht ein millionenfaches Ja gewesen zum Leben?".

Ben Becker ist als Schauspieler mit vielen wichtigen Filmpreisen und zweimal mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet worden. Doch der 51-Jährige hat sich immer auch in anderen Kunstformen ausgetobt, hat Dinge gegen den Strich gebürstet. Sein Theaterstück über den Sex-Pistols-Bassisten Sid Vicious (1995) nahm chaotische Anläufe, bis es in einem Berliner Szene-Club aufgeführt wurde. Er hat einen Hells-Angels-Song aufgenommen und klar gemacht, dass ihn nicht interessiere, "was die sonst so treiben". Mit der Lesung aus der Bibel hat er vor knapp zehn Jahren Aufsehen erregt - und manchen aufhorchen lassen. Nun also Judas. Die Verteidigungsrede von Jens hat Becker als Hörbuch eingesprochen. Seine Inszenierung von "Ich, Judas", die im vergangenen November eigentlich nur für Berlin geplant war, stieß auf so viel Resonanz, dass Becker damit in diesem Jahr tourt. Er will den Judas genau dort spielen, wo "die Fragen des Glaubens und Zweifels, der Erlösung und Verdammnis ihren Ort haben": in Kirchen. Der Abend ist von dem Schriftsteller und Regisseur John von Düffel dramatisiert worden. Ergänzt werden die Texte mit Musik von Domorganist Andreas Sieling.

Samstag, 3. Dezember, 20 Uhr, Friedenskirche. Eintritt ab 45 Euro.

(RP)
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