Krefeld "Beim Handy im Verkehr fährt der Tod mit"

Krefeld · Die Zahl klingt schockierend, die Chance der Polizei, die Verursacher zu überführen, ist gering. Trotzdem haben die Einsatzkräfte den Kampf aufgenommen: "Rund 47 Prozent der Autofahrer geben an, das Handy mindestens ein Mal verbotswidrig am Steuer benutzt zu haben", sagt Holger Klein, Leiter der Direktion Verkehr.

 Mit diesem Plakat macht die Krefelder Polizei auf die Gefahren der Handynutzung am Steuer aufmerksam.

Mit diesem Plakat macht die Krefelder Polizei auf die Gefahren der Handynutzung am Steuer aufmerksam.

Foto: Niessen

Parallel nimmt in Krefeld die Zahl der Verkehrsunfälle drastisch zu, bei denen die Ermittler sich den Hergang nicht erklären können. "Autos fahren aus für uns unerklärlichem Grund plötzlich in den Gegenverkehr oder auf den stehenden Vordermann auf", beschreibt Klein die Situation. Hier liege der Verdacht nahe, dass der Fahrer abgelenkt war - wahrscheinlich durchs Handy. "Zugeben wird das niemand, weil dann unter anderem das Risiko besteht, dass der Verursacher den Versicherungsschutz verlieren könnte", ergänzt der Verkehrsexperte. Er weiß: Bei rund zehn Prozent aller tödlichen Unfälle ist der Fahrer abgelenkt, bei 30 Prozent aller Unfälle mit Personenschaden ist das ebenfalls der Fall. Klein: "Abgelenkt heißt nicht unbedingt, dass es immer um das Handy geht. Auch während der Fahrt in ein Brötchen zu beißen oder mit dem Beifahrer zu streiten, kann letztlich Auslöser für den Unfall sein." Rund 100 Elftklässler der Marienschule setzten sich gestern Morgen auf dem Von-der-Leyen-Platz vor dem Rathaus mit den Risiken des unkonzentrierten Fahrens auseinander. Nicht nur im Auto, auch auf dem Fahrrad oder als Fußgänger wachsen die Gefahren durch die gleichzeitige Nutzung mobiler Elektronik. "Durch Kopfhörer ist man ebenfalls vom Geschehen auf der Straße abgelenkt", sagt Notfallseelsorgerin Claudia Wichmann. "Beim Handy im Verkehr fährt der Tod immer mit", ergänzt die vierfache Mutter. Die 55-Jährige kennt die Situation aus der ehrenamtlichen Betreuung: "Der Schock nach einem Unfall sitzt bei Verletzten und Angehörigen tief. Dann ist plötzlich die Erkenntnis da, dass man gerne alles ungeschehen und ganz anders machen würde."

Mit einem kleinen Aktionsprogramm schildert die Polizei auf dem Von-der-Leyen-Platz ganz praktisch die Risiken. Schockvideos werden gezeigt, Bremstests am Computer sind möglich. Auch eine "visuelle Gefahrenstrecke" haben die Beamten aufgebaut. "Wer bei einer Geschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde nur eine Sekunde aufs Handy schaut, fährt 14 Meter im Blindflug", erklärt Klein. Darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht", räumt der 17-jährige Tilo ein. "Auch meine Eltern telefonieren stets ohne Freisprecheinrichtung während der Fahrt." Genau das kann Notfallseelsorgerin Wichmann nicht begreifen: "Hier haben Erwachsene eine Vorbildfunktion. Wie kann ich sonst von meinem Kind erwarten, dass es sich anders verhält?"

(RP)
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