Krefeld Beeindruckende Mode an genialen Models

Krefeld · Unter dem Titel "Defilee" erlebten die Besucher bei Holz Roeren eine Weltpremiere. Die Krefelderin Jenny Latz lud zu einer Modenschau ein, bei der kahlköpfige Models Haute Couture präsentierten.

 20 perfekt gestylte Frauen und vier Männer präsentierten vor 200 Gästen Mode von Schinke Couture.

20 perfekt gestylte Frauen und vier Männer präsentierten vor 200 Gästen Mode von Schinke Couture.

Foto: Thomas Lammertz

Die Luft in der oberen Etage von Holz Roeren vibriert vor Spannung. Während Jenny Latz und Alexander Werner im Erdgeschoss die Anmoderation einer einzigartigen Modenschau gestartet haben und die mehr als 200 Gäste auf eine Weltpremiere neugierig machen, stehen 20 perfekt gestylte Frauen und vier Männer im Alter zwischen 18 Jahren und Mitte 50 in Zweierreihen vor der breiten geschwungenen Holztreppe, die ins Erdgeschoss führt.

Aufregung hat sich breitgemacht, wobei viel gelacht und gescherzt wird. Komplimente machen die Runde. Wolfgang Schinke rückt nochmals Schals zurecht, zupft einen Kragen in Form und gibt letzte Tipps. Schließlich ist es die Mode von Schinke Couture, die gleich die Treppe hinunterschweben und zwischen den Besucherreihen ihre Runden machen wird.

Allerdings nicht an Profi-Models, sondern getragen von ganz normalen Menschen aus ganz Deutschland, der Schweiz und Österreich. Alle haben dabei eine Gemeinsamkeit. Sie sind von Alopecia Areata, der häufigsten entzündlichen Haarausfallerkrankung betroffen. Jedes Modell hat einen kahlen Kopf.

"Als der Anruf von Jenny Latz kam, die ich durch das von ihr angebotene Haircoaching kenne, und die Frage folgte, ob ich bei einer Modenschau mitmachen würde, habe ich spontan ja gesagt. Hinterher habe ich mich gefragt, worauf habe ich mich eingelassen. Jetzt bin ich einfach nur aufgeregt", meint Anja Mertens mit einem Lächeln. Ihr kahler Kopf ist dabei auf einer Seite mit einem filigranen Kirschblütenmuster und Schmetterlingen tätowiert. "Das Tattoo habe ich für mich selber gemacht. Der Entschluss fiel vor einem Jahr. Die Blüten und die Schmetterlinge haben für mich eine persönliche Bedeutung. Früher dachte ich immer, ich müsste jedem erklären, was ich habe. Heute denke ich, es ist deren Problem, was die Leute sagen", bemerkt Mertens. Sie ist dabei nicht die einzige mit einem Tattoo auf dem Kopf. Den Entschluss, den kahlen Kopf explizit in den Mittelpunkt zu rücken, haben einige getroffen.

Vanessa Lange gehört mit ihren 19 Jahren zu den jüngsten Models. "Ich bin ein Jahr von Arzt zu Arzt gerannt, bis ich einen Spezialisten gefunden habe der Alopecia Areata diagnostizierte. Das war vor sechs Jahren", berichtet die junge Schweizerin. Einfach sei es damals nicht gewesen die Haare zu verlieren, fügt sie an. Es folgte Mobbing in Form von dummen Sprüchen in der Schule, Lehrer, die nicht wirklich unterstützten. Der tägliche Schulbesuch war teilweise ein Angang. Vor zweieinhalb Monaten dann der Entschluss, ohne Perücke zu gehen. "Da war ich soweit. Ich habe ein neues Selbstwertgefühl", betont Lange, die eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin begonnen hat und hofft, dass es auch dort erlaubt ist ohne Perücke zu arbeiten.

"Mit Perücke fühlt man sich einfach femininer. Ich fühle mich dann kompletter, nicht so nackt. Es ist ein Schutz", bemerkt hingegen Andrea Schneider. Sie sei sogar schon gefragt, worden, wer ihre Haare so toll schneiden würde, verrät sie lächelnd. Mitleidige Blicke in der Öffentlichkeit, wenn sie ohne Perücke unterwegs sind, kennen sie alle. "Wenn man angesprochen wird, kommt fast immer die Frage, ob man in der Chemotherapie steckt. Glatze bedeute für die meisten Krebs", sagt Anja Attie. Dass es andere, nicht lebensbedrohliche und ebenso wenig ansteckende Erkrankungen wie Alopecia Areata gibt, wissen die wenigsten. Teilweise müssen die Betroffenen sogar die Erfahrung machen, dass sich so manche Ärzte mit dieser Erkrankung nicht auskennen. Ursachenforschungen und Versuche, in Form von teuersten Tinkturen Hilfe zu finden, haben sie fast alle hinter sich gebracht. "Es ist nicht schön, wenn man mit neun Jahren die Haare verliert. Die erste Zeit war hart. Heute habe ich mit meiner Krankheit abgeschlossen und nutze die Vorteile. Viele Frauen finden Glatze interessant", berichtet Dominik Frohn.

Und doch ist es für alle ein ganz besonderer Moment, als es die geschwungene Holztreppe nach unten geht, wobei die beiden ersten Models mit Perücken bekleidet sind. Eine Runde über den Catwalk, dann ziehen sie die Jacken aus und lassen die falsche Haare folgen. Donnernder Applaus setzt ein und der will nicht mehr enden. Die Zuschauer sind von den Models und der phantastischen Mode aus dem Hause Schinke begeistert. Strahlende Gesichter bei Models und Besuchern. Blitzschnelle Kleidungswechsel samt Accessoires Backstage, dann geht es weiter. Ob Alltagskleidung, festliche Hingucker, Abendroben und Hochzeitskleider - die Frauen und Männer tragen alles mit einer eleganten Lässigkeit zur Schau, die denen von Profis mit Haaren auf dem Kopf in nichts nachsteht.

Standing ovation ist der Lohn, als sich alle Models samt Organisatoren, Sponsoren und Backstage-Helfern auf der Treppe einfinden. Erlesene Mode und geniale Models - eine Premiere, die hoffentlich nicht die einzige in dieser Art bleiben wird.

(RP)
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