Krefeld Vorzeigeobjekt Backsteinschlösschen
Krefeld · Das Projekt ist so geglückt, dass es der Denkmalausschuss begutachtete: Die Sanierung des Backsteinhauses an der Schönwasserstraße zeigt, wie man historische Bausubstanz und modernes Wohnen verbinden kann.
„Ein Vorzeigeobjekt“, sagte zum Auftakt des Besuchs eine sichtlich zufriedene Eva-Maria Eifert, Expertin bei der Unteren Denkmalbehörde der Stadt. Das Gebäude an der Schönwasserstraße gehört zu den schönsten Beispielen des Krefelder Backstein-Expressionismus und ist nun vorbildlich unter Denkmalgesichtspunkten saniert worden. So vorbildlich, dass eine Abordnung des Denkmalausschusses der Stadt das Objekt besichtigt hat. Der Rundgang durch das Haus erlaubte Einblicke in eine Wohnkultur, die Großzügigkeit nicht mit Riesenräumen verwechselt, sondern in Raumfluchten, Ausblicken und Wohnzonen entfaltet. Hinreißend.
Die Sanierung hat in vielen Details die ursprüngliche Struktur wieder zur Geltung gebracht. Die Backsteinfassade ist saniert; bei der Verfugung haben die Fachleute der Denkmalbehörde wertvolle Hilfen bei der Rezeptur des Fugenmaterials gegeben. Auffällig im Vergleich zu früher: Zur Straße hin sind im ersten Stock an einer Balustrade Asbestplatten verschwunden. Die Platten sollten das Mauerwerk gegen Feuchtigkeit schützen, haben aber den Gesamteindruck beeinträchtigt. Auch ein Dachvorsprung ist verschwunden, so dass das schöne, helle Gesimsband wieder voll zur Geltung kommt.
So hat man heute wieder eine Fassade vor Augen, an der man lernen kann, wie Architekturgeschichte funktioniert: Die Fassade zitiert spätmittelalterliche bis frühneuzeitliche Staffelgiebel – und spielt zugleich mit diesem Formelement. Die Symmetrie ist durchbrochen, der Giebel ist bei weitem nicht so dominant wie bei vielen seiner historischen Vorbilder, er wird quasi eingedämmt durch Funktionalität wie den Balkon im ersten Stock und eigene ästhetische Akzente wie die Musterung des Mauerwerks. Diese Fassade ist ein in Backstein gemauertes Augenzwinkern, ein Rückblick auf vergangene Zeiten, ohne dem Neuen Proportionalität und Enge des Alten aufzuzwingen.
Die Geschichte des Hauses ist nicht restlos geklärt. Bekannt ist, dass es 1928/29 errichtet wurde. Modernität vollzieht sich hier nicht als brutaler Neuanfang (wie etwa in der kubischen Kompromisslosigkeit eines Mies van der Rohe, der zeitlich parallel gewirkt hat), sondern als Bezug auf vergangene Formen. Der Eindruck von anheimelnder, nostalgisch aufgewärmter Urbanität macht den Backstein-
expressionismus bis heute so beliebt.
Im Innern dieses Hauses paart sich die Raumstruktur mit dem Geschmack und der Technik modernen Wohnens, die sich wunderbar in den fast ein Jahrhundert alten Bau fügt. Zurückgenommene Farben. Licht. Raumfluchten. Ausblicke in den Garten.
Im ersten Stock ist nach hinten hin ein Zierbalkon wiederhergestellt, der irgendwann zugemauert worden war und jetzt wieder den Blick in den Garten freigibt. Die Balkonanmutung verstärkt den Bezug nach außen. Gleichwohl sind die Wände dieses Hauses nicht einfach negiert durch Fensterflächen, die fast die gesamte Wand erfassen. Fenster bleiben schon Fenster, die Scheide zwischen Außen und Innen bleibt sichtbar inszeniert. Auch das trägt zur Intimität dieser Räume bei, die dennoch nie eng anmuten.
Das ist eine Tugend, die in manchen modernen Wohnentwürfen glatt vergessen wird: Räume sind riesig, Glasflächen auch, Struktur wird im Nachhinein durch Interieur gestiftet. Dahinter steckt ein großes Missverständnis über das, was einen Innenraum großzügig macht. Quadratmeterzahlen als Maßstab reicht nicht. In diesem Backsteinschlösschen kann man neu entdecken, dass der menschliche Körper ein gutes Maß für Architekten ist, wenn sie Räume zum Leben schaffen wollen. Zwei oder drei hintereinandergeschaltete, klug verbundene, dennoch für sich definierte Räume bilden mehr Weite ab als ein einziger großer Raum gleicher Grundfläche.
Dieses Haus ist damit zugleich ein Beleg, wie man mit dem Denkmalschutz – was ja auch bedeutet: mit Respekt vor vergangenen Lebensentwürfen – neuen, erlesenen Wohnraum schaffen kann. Kein Wunder, dass der Denkmalausschuss Interesse daran hatte.