Hamburger Deichtorhallen Hyper – Krefelds teuerster Künstler

Krefeld · Krefelds teuerster Bildender Künstler Albert Oehlen zeigt mehrere Arbeiten in den Hamburger Deichtorhallen. Die Ausstellung ergründet den wechselseitigen Bezug von Musik und Malerei. Der einstmalige Punk Oehlen gilt inzwischen als ein Free-Jazzer, der sich spielerisch aller Normen entledigt.

 Albert Oehlens Bild „Hyper“ ist noch bis zum 4. August in der Ausstellung in den Deichtorhallen in Hamburg zu sehen. Insgesamt zeigen 60 Künstler mehr als 300 Werke.

Albert Oehlens Bild „Hyper“ ist noch bis zum 4. August in der Ausstellung in den Deichtorhallen in Hamburg zu sehen. Insgesamt zeigen 60 Künstler mehr als 300 Werke.

Foto: Deichttorhallen/Deichtorhallen

Krefelds teuerster Künstler Albert Oehlen führt Kunstkenner und -betrachter seit Jahrzehnten immer wieder in die Irre. Er spielt Katz und Maus mit denen, die ihn einordnen und katalogisieren möchten. Er hat dieses Rollenspiel im Laufe der Zeit zur Perfektion entwickelt. Seine Arbeiten werden hoch gehandelt. Gerade erst hat das Auktionshaus Sotheby’s das „Selbstportrait mit leeren Händen“ des im September 1954 in Krefeld geborenen Malers für 5,2 Millionen Pfund (rund 5,7 Millionen Euro) an eine Londoner Galerie verkauft.

In den Hamburger Deichtorhallen sind noch bis zum 4. August gleich mehrere Arbeiten des vielgereisten Künstlers, der seit längerem in der Schweiz lebt, ausgestellt. „Hyper! A Journey Into Art And Music“ ist der Titel der Präsentation, die vom Cross­over von Musik und Malerei lebt. Oehlen, der mit seinem Bruder Markus in der Entstehungszeit des Punk in der Düsseldorfer Altstadt als musikalischer Akteur unterwegs war, passt ins Konzept. Dabei fällt er gemeinhin lieber aus dem Rahmen. Auf seine ganz spezielle Art, indem er sich Festlegungen entzieht.

Oehlens Kunst passt deshalb scheinbar in viele Schubladen. Tatsächlich scheint es dem Krefelder Künstler eher Freude zu bereiten, einer interessierten Szene zu erklären, warum gerade die gewählte Kategorie die falsche ist. Der fast 65-Jährige lässt sich ungern einordnen, sortieren, mit einem marktüblichen und branchentypischen Stempel versehen. Oehlen erfindet seine eigenen Begrifflichkeiten. Das hat er schon recht früh in seiner Karriere getan. Inzwischen ist er bei der Umschreibung „postungegenständlich“ angelangt. Neuer Wilder, Provokateur, Neo-Expressionist und Punk wird er genannt. Und alles ist auch nicht ganz falsch.

In seiner Malerei hinterfragt er ständig ihre Natur und ihren Status und spielt mit unterschiedlichen Medien und Techniken. Die Kuratorin Caroline Bourgeois vergleicht ihn deshalb mit einem Free-Jazz-Musiker. Nur wer sein Instrument beherrsche so wie Oehlen, verschaffe sich Freiheit ohne Grenzen, erklärt sie.

Sound, Vision, Film, zerstörtes Klavier: Was passiert, wenn Musiker sich an Ideen und Strategien aus der Kunstwelt orientieren? Und was für Bilder entstehen, wenn Künstler sich von Musik treiben lassen? Am Leben der Anderen interessiert zu sein, es zu kopieren, es in die eigene Arbeit einzusetzen und zu benutzen, kurz: ein Cross-Mapping zwischen den Welten der Musik und der bildenden Kunst zu betreiben, davon handelt die auf Einladung der Deichtorhallen von dem Ex-Spex- und Electronic-Beats-Chefredakteur Max Dax kuratierte aktuelle Ausstellung.

 Cover der Monografie im Taschenverlag.

Cover der Monografie im Taschenverlag.

Foto: Norbert Stirken

An der Präsentation in der Halle für aktuelle Kunst und ihrem musikalischen Rahmenprogramm „Hyper! Sounds“ in der Elbphilharmonie nehmen mehr als 60 internationale Künstler und Musiker teil, die sich explizit im Grenzgebiet der Disziplinen Kunst und Musik bewegen und – von der Öffentlichkeit oft unbemerkt – in ihrer Kunst dezidiert entsprechende Bezüge auftauchen lassen.

Superstars aus der Kunst- und Musikwelt wie der Düsseldorfer Andreas Gursky, Kim Gordon, Alexander Kluge, Rosemarie Trockel, Albert Oehlen und Wolfgang Tillmans stehen Avantgardisten wie Arthur Jafa, Thomas Scheibitz, Peter Saville oder Arto Lindsay gegenüber. Erzählerisch zusammengehalten wird die Ausstellung durch Dutzende von Interviews, die Max Dax mit den Protagonisten der „Hyper!-Schau“ in den vergangenen Jahren geführt hat.

Die Ausstellung „Hyper!“ – das Wort steht für übertrieben und übermäßig – bietet den Besuchern ein umfassendes Ausstellungserlebnis mit über 300 Werken: Neben Gemälden, Zeichnungen, Fotografien, Skulpturen und Rauminstallationen, die sich seitens der bildenden Kunst mit Musik befassen, gibt es zahlreiche hybride Multimedia-Arbeiten, die den Wechselbezug zwischen Musik, Video und Bildender Kunst ausloten.

Moderne Klassiker wie Peter Savilles berühmtes dysfunktionales Riesen-Billboard zur Bewerbung von New Orders Technique-Album oder die Gemälde Emil Schults, die 1974 die Basis zu Kraftwerks Autobahn-Cover darstellten, treffen auf atemberaubende 3D-Videoinstallationen wie Nightlife (2015) von Cyprien Gaillard oder die verstörend funktionalen Powerbank-Skulpturen von Britta Thie. Schult ist im Übrigen ein langjähriger Weggefährte des Krefelder Musikpioniers Ralf Hütter.

Oehlen zeigt unter anderem ein Gemälde mit dem der Ausstellung ihren Namen gebenden Schriftzug Hyper. Das Werk ist Teil einer Reihe, in der sich der Krefelder gleichsam einer Finte bedient. Er führt den Betrachter gleichsam in eine Sackgasse.

Die Begrifflichkeit ist in der Regel keine Hilfe beim Versuch, das Wesen des Gemäldes zu entdecken.„Erst wenn wir aufhören, irgendeinen Inhalt ... beizudeuten, enthüllt sich uns eine schlüssige Synthese ... der reinen Form“, beschreibt es der Kunstkenner Michael Bracewell in einem Katalog.

Oehlen kehrt nach 15 Jahren zurück in die Deichtorhallen in Hamburg. Bereits 1994 zeigte er dort seine Bilder. Der Ausstellungsort zählt zu den großen Ausstellungshäusern für zeitgenössische Kunst und Fotografie in Europa. Die beiden historischen Hallen mit ihrer offenen Stahlglasarchitektur wurden von 1911 bis 1913 gebaut. Sie stehen in der Nähe der Hafencity. Die Halle für aktuelle Kunst und das Haus der Photographie werden durch eine Dependance in Hamburg-Harburg mit der Sammlung Falckenberg ergänzt. Intendant der Deichtorhallen ist der promovierte Kunsthistoriker Dirk Luckow.

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