Archäologie in Krefeld „Archäologie ist nicht Indiana Jones“

Krefeld · Das Museum Burg Linn präsentiert ab Sonntag, 10. November, Funde von 2017/18: „Abenteuer Großgrabung“ zeigt Zeugnisse aus der Bataverschlacht, aus dem zivilen Leben vor 2000 Jahren und die Arbeit der Archäologen.

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„Archäologie ist nicht Indiana Jones“

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Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Das Schicksal eines kleinen Hundes hat Hans-Peter Schletter berührt – auch wenn der Stadtarchäologe berufsbedingt mit naturwissenschaftlichem Interesse an die Sache ging. Das Tier war etwa fünf bis sieben Monate alt und offensichtlich auf der Suche nach einem warmen Plätzchen in den Heizkanal eines Trockenofens, eine sogenannten Darre, geklettert. Mit diesen Darren haben die Bewohner von Gelduba ihr Obst und Getreide gedörrt, um es lagerfähig zu machen,  und Getreide getrocknet, um Schimmel und Keime zu verhindern. „Als die Darre dann befeuert wurde, starb der Hund an einer Kohlenmonoxidvergiftung“, erzählt Schletter. Der Hund ist seit mindestens 1500 Jahren tot. Sein Skelett wurde bei der großen Grabung von Mai 2017 bis Februar 2018 auf dem 3,7 Hektar großen Areal im Hafen entdeckt. Einer von vielen spektakulären Funden. Über den erstaunlich guten Töpfereibrennofen, den Soldatenhelm und Pferde aus der Antike haben wir bereits berichtet.

Inzwischen sind die Funde restauriert, werden wissenschaftlich ausgewertet und bringen neue Erkenntnisse über das Leben vor zwei Jahrtausenden. In der Ausstellung „Abenteuer Großgrabung – Gräberfeld, Bataverschlacht und Römersiedlung“, die am Sonntag, 10. November, im Museum Burg Linn startet, ist  erstmals eine Auswahl der Funde mit den neuen Erkenntnissen nach „der größten Grabung in der Geschichte der Museums in Krefeld-Gellep“ zu sehen. Aus der Zeit von 800 vor bis 500 nach Christus hat das Archäologenteam 90.000 Funde geborgen und 3300 Befunde dokumentiert – innerhalb von zehn Monaten. „Vergessen Sie Indiana Jones und Terra X, wo stundenlang mit dem Pinsel gesäubert wird. Archäologie ist Terminarbeit, wir arbeiten unter enormem Zeitdruck“, sagt Schletter. Deshalb hat er am Beginn der Ausstellung einen „Arbeitsplatz“ eingerichtet. der zeigt: Kelle, Spaten und Pinsel sind zwar immer noch Zubehör, aber es braucht auch Großbagger und elektro-optische Vermessungssysteme. Es gibt auch einen ersten Eindruck von der Arbeit, die Restauratorin Eileen Wolff geleistet hat.

Die Ausstellung setzt den Fokus auf das eisenzeitliche Gräberfeld, auf die Bataverschlacht und den Nordvicus. In der Eisenzeit, 750 bis 450 vor Christus, haben die Menschen ihre Toten in Urnen bestattet und Grabhügel angelegt. Erstaunlich gut erhaltene Urnen sind aus dem Boden geborgen worden. Schletter erzählt: „Damals gab es nur Einzelgehöfte.“ Großfamilien lebten gemeinsam mit ihren Tieren in Stallhäusern. „Nach ein, zwei Generationen zogen sie weiter. Es gab also keine Identifikation als Stamm über eine Siedlung, sondern vermutlich über die Grabhügel, die über Jahrhunderte existierten.“

Wie das Leben unserer Vorfahren ausgesehen hat, illustrieren großformatig aufgezogene Zeichnungen des früheren Museumsleiters Christoph Reichmann. Gestützt auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse, hat er die Zeitzeugnisse in Szenen mit Menschen dargestellt. Ziemlich blutig ist das bei der Bataverschlacht im Vier-Kaiser-Jahr 69 nach Christus. Der römische Historiker Tacitus (58-120) bringt es auf den Punkt „Caedes inde, non proelium“: Die Folge war keine Schlacht, sondern ein Schlachten. Aus jener Zeit haben die Archäologen Belege für zwei Trophaea gefunden: Siegesdenkmäler, die nach einer Schlacht aufgestellt wurden. „Das ist wohl in Deutschland einmalig“, sagt Schletter. Er freut sich, dass ein 2018 ausgegrabener Helm noch offene Fragen zu einem fast identischen Helm, der 1988 zutage gefördert worden war, beantwortet: Die Wangenteile des ersten Fundes waren abgebrochen. Mit dem neuen Fund zeigt sich, dass das kein zufälliger Flurschaden war, sondern der Stahl abmontiert und gefaltet worden war: Das spricht für ein Ritual,vielleicht eine Ehrung des Gefallenen.

Belege für römische Siedlungen von Zivilisten, „vici“ genannt, gibt es in Nähe zum Kastell. Der Südvicus ist bei Baggerarbeiten für das Hafenwendebecken in den 1970er Jahren wesentlich zerstört worden. Der Nordvicus ist jetzt gehoben worden: Um eine Straßenkreuzung hatten sich Handwerker niedergelassen. Die „Streifenhäuser“ hatten jeweils zur Straße einen Laden oder eine Werkstatt, dahinter befanden sich die Wohnräume. Utensilien für Beruf und tägliches Leben sind in großem Umfang gefunden worden: Münzen, Schmuck und Geschirr, Scheren, Zangen, Schwertklingen und Maurerkellen, sogar ein Rasensodenstecher, Beschläge für ein „Schatzkästlein“ und Keramik: Eine Terra-Sigillata-Schale hat laut Inschrift einem Marinus gehört, der Soldat der zweiten Turma (einer Reitereinheit) war. „Es ist besonders, wenn Bezüge zu Menschen hergestellt werden können“, sagt Schletter über das Abenteuer Grabung. Oder Bezüge zu Tieren. Über ein auf dem Rücken liegendes Pferdeskelett ist wenig bekannt. Vom jungen Hund weiß man inzwischen, dass er wohl humpelte.

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