Krefeld 2raumwohnung — Elektropop mit Gesellschaftskritik
Krefeld · Die tanzwütigen Fans des Elektropopduos 2raumwohnung kamen bei deren Gastspiel am Freitag in der Kufa in Krefeld voll auf ihre Kosten. Sängerin Inga Humpe und Tommi Eckart begeisterten Mittzwanziger bis Über-50-Jährige.
Eine animierte Videowand wird zum stilprägenden Element. Noch bevor die Band 2raumwohnung die große Bühne in der gut besuchten Kufa betritt, erwachsen bunte Kreise und vielfarbige Längsstreifen auf der Projektionsfläche im Hintergrund. Sie soll für die nächsten knapp zwei Stunden das musikalische Farbenspiel des Berliner Duos, das wegen der Tour zum Quartett ausgewachsen ist, optisch untermalen. 2raumwohnung, das sind Inga Humpe und ihr Lebensgefährte Tommi Eckart, die sich im Jahr 2000 zur Band zusammengeschlossen haben und in der Hauptstadt mit ihrer einzigartigen Clubszene sozialisiert sind. Gekommen sind sie, um ihr neues Album "Achtung fertig" in die Hallen zu bringen.
Erkältung sorgt für rauchigen Unterton
Passend zu den frühlingshaften Temperaturen stimmt Humpe mit dem Gute-Laune-Song "Neues Gefühl" auf die Show ein. Sie singt von einer jungen Frau, die gerade gehen will, ehe sie doch der Urknall trifft, vom Glück einer Partybekanntschaft und ihren magischen Momenten eben. Die Sängerin hat sich vor der Tour eine Erkältung eingefangen, was ihrer Stimme einen rauchigen Unterton verleiht.
Während ein Raver direkt vor der Bühne seine Arme ekstatisch durch die Luft schwingt, braucht der Rest der Halle noch einen Augenblick, um sich in Feierlaune zu versetzen. "Ihr könnt gerne tanzen", hilft Humpe ein wenig nach. Das wollen sich die Fans nicht zweimal sagen lassen und saugen Beats wie Bässe glückselig auf. Fröhliche Nummern wie "Bei dir bin ich schön", die mit eingängiger Textsprache die optische Anziehungskraft zweier Liebender beschreibt, kommen ebenso an wie eher düstere und funkige Stücke. Passend dazu laufen auf der kalten Leinwand kalte Farben zusammen, wenn die Töne überdreht bis surreal anmuten, während gefühlige Passagen von hellen Farben begleitet werden.
Bei "36 Grad" entsteht der Drang mitzusingen
Wer sich in der Halle umschaut, erblickt gleichermaßen Mittzwanziger, die mit der Musik von 2raumwohnung aufgewachsen sind, wie Über-50-Jährige. Die Elektroszene kennt keine Altersgrenzen. Natürlich kann jeder mit "36 Grad" etwas anfangen, dem Song, der sich nach seiner Veröffentlichung 2007 bis auf Platz sieben in den Charts hochgespielt hat und in der Wahrnehmung vieler Musikfreunde und Radiostationen noch viel weiter oben anzusiedeln ist. Es entsteht der unterbewusste Drang, mitsingen zu wollen, doch das würde nicht zum bisherigen Konzertverlauf passen, in dem die Band den Ton angegeben hat und die Fans sich berauschen ließen.
Soweit die Gedanken, doch Inga Humpe scheint das in diesem Moment zu spüren und hält ein Mikro in die Menge. Kurz darauf verschwinden sie und ihre Kollegen zum ersten Mal von der Bühne, was natürlich nicht mehr ist als die Aufforderung an die Anhänger, sie mit staccatoartigem Klatschen zurückzuholen.
Dann legen 2raumwohnung noch einmal richtig los, spielen einen Song "für unsere schwulen Freunde" und geben sich auch sonst gesellschaftskritisch. "Anti Putin", schreit Humpe so beiläufig wie selbstverständlich in die Menge. Mit "Bye, Bye, Bye" ist dann nach mehreren Zugaben Schluss. Die Fans, so steht zu vermuten, werden noch die ganze Nacht weitergetanzt haben.