Krefeld-Westbezirk Anekdoten über Herz und Hass

Krefeld · Heinz-Günther Röder war 25 Jahre lang Schiedsmann. In seinem Bezirk wohnen gut 17.000 Menschen. Er löste viele Streitigkeiten und bewahrte die Gerichte vor langen Verfahren. Nun muss er die Tätigkeit aus Altersgründen einstellen.

 Schiedsmann  Heinz-Günther Roeder wird bald 80 Jahre alt. Grund genug, seine Tätigkeit zu beenden. In den vielen Jahren als Schiedsmann hat er eine Menge erlebt und über die Menschen gelernt.

Schiedsmann  Heinz-Günther Roeder wird bald 80 Jahre alt. Grund genug, seine Tätigkeit zu beenden. In den vielen Jahren als Schiedsmann hat er eine Menge erlebt und über die Menschen gelernt.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Heinz-Günther Roeder sitzt auf dem Sessel in seinem Wohnzimmer, von dem aus er über die Jahre mehrere hundert Streitfälle löste. Als Schiedsmann bekam er die ganze Palette zwischenmenschlicher Streitigkeiten zu hören. „Häufig sind es natürlich Nachbarschaftsstreits. Aber auch leichte Körperverletzung, Beleidigung oder dergleichen Delikte versuchte ich zu lösen und durch einen Vergleich beizulegen“, erzählt er.

Nun nähert sich sein 80. Geburtstag und damit scheidet er aus dem Ehrenamt aus. Das tut er durchaus mit zwei weinenden Augen, denn es habe ihm vom ersten bis zum letzten Tag Spaß gemacht. „Man lernt viele Menschen kennen und sie sind in dieser Atmosphäre oft erstaunlich offen. Und es gibt auch viele schöne Geschichten. Aber auch einige weniger schöne“, erzählt er. Dabei komme es in der Position vor allem darauf an, die Menschen dazu zu bringen, miteinander zu reden.

„Das löst viele Probleme. Dafür gibt es unzählige Beispiele“, berichtet Roeder. Dann erzählt er einige Fälle. Natürlich ohne jede Nennung konkreter Namen oder Orte. Dabei sind es vor allem die schönen Fälle, die ihm in Erinnerung blieben. So wie der eines älteren Herren über 90. Der sei so einsam gewesen, dass er abends immer eine bestimmte Telefonnummer wählte. Das Ehepaar, das er unter besagter Nummer erreichte, fühlte sich belästigt und schaltete die Polizei ein. Der Schiedsmann übernahm den Fall und lud alle Beteiligten zum Gespräch. Denn gesprochen hatten sie eigentlich nie.

„Zum Termin kam der Herr dann mit Blumen und Pralinen. Mit Tränen in den Augen entschuldigte er sich bei dem Ehepaar. Er habe sie nicht belästigen wollen, sondern sei einfach unglaublich einsam gewesen und habe speziell Abends vor dem Schlafen gehen nicht gewusst, was er tun sollte“, berichtet Roeder. Dann lächelt er. „Die beiden reagierten sofort, ließen alles fallen und luden den Herrn zum Kaffee ein. So weit ich weiß haben sie sich danach regelmäßig getroffen“, fährt der Schiedsmann fort.

Es ist vielleicht die Schönste Geschichte seiner Laufbahn. Aber das Gespräch zu suchen, sei fast immer ein Lösung. So wie bei drei heillos zerstrittenen älteren Damen. Diese konnten sich über die Treppenhausreinigung im Mehrfamilienhaus nicht einig werden. Roeder griff ein, brachte sie an einem Tisch und zum Reden. „Ich habe dann gesagt: ‚Wir sind alle über 70’. Die älteste war 87. ‚Das sind gut 300 Jahre Lebenserfahrung. Da wird es doch eine Lösung geben’“, berichtet er. Das Ergebnis: Fortan bildeten die Damen gar ein regelmäßiges Kaffeekränzchen und er selbst wurde eingeladen.

Manchmal aber bliebe es auch bei der Konfrontation. So wie bei zwei Nachbarinnen. „Die waren sich spinnefeind. Irgendwann fiel der einen auf, dass die Grundstücksgrenze nicht ganz gerade sei. Sie war sich sicher, dass das Beet der Nachbarin im Vorgarten sich zur Straße hin etwas ausweitete und eine Hand Breit auf ihr Grundstück reiche. Sie war nicht zu Beruhigen, so dass ich einen Vermesser bestellte. Der stellte zwar Fest, dass an der Straße das Beet der Beschuldigten sich acht Zentimeter auf den Besitz der Nachbarin erstreckte - auf der anderen Seite aber deren Garten eineinhalb Meter zu groß war. Sie verlor also am Ende ordentlich Fläche“, erzählt der Mediator.

Solche Fälle aber seien die Ausnahme. Meist fehle der Kontakt der Menschen völlig. Wird die Hecke nicht geschnitten, dann würde heutzutage nicht beim Nachbarn geklingelt, um es zu erbitten, sondern es werde gleich ein Anwalt beauftragt. Dieser Entwicklung versuchte er nun 25 Jahre lang entgegen zu wirken. „Ich wurde in der ganzen Zeit einmal bedroht, aber unzählige Male zum Kaffee oder Grillen eingeladen“, berichtet er. Wohlgemerkt: Von den nun vereinten Parteien. Er schätzt, dass er rund 20 Fälle pro Jahr behandelte. Das heißt er hat in seiner Zeit rund 500 Streitfälle geschlichtet und fast immer zu einer Lösung gebracht. Oft machte er aus unversöhnlichen Streithähnen sogar Freunde. Das ist für ihn der schönste Lohn. „Es ist ein wunderschönes Amt und wir brauchen Menschen, die sich dafür engagieren“, sagt er. Einzige formale Voraussetzung sei ein Alter zwischen 30 und 70. Er selbst muss nun aufhören, die Erinnerungen aber bleiben für immer.

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