Krefeld 24. Juli – Gedenktag für Krefelds Juden

Krefeld · Vor 70 Jahren wurden 223 Krefelder Juden über Düsseldorf ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Morgen erinnert die Bürgergemeinschaft Bismarckviertel in einer kleinen Gedenkveranstaltung an ihr Schicksal.

 Auf einem Stadtplan aus dem Jahr 1937 zeichnete das Grafikbüro Arttick ein, wo die deputierten Kinder in Krefeld lebten.

Auf einem Stadtplan aus dem Jahr 1937 zeichnete das Grafikbüro Arttick ein, wo die deputierten Kinder in Krefeld lebten.

Foto: ARTTICK

Am 24. Juli 1942, vor genau 70 Jahren, müssen 223 Krefelder Juden ihre Heimat verlassen. Zunächst fahren sie nach Düsseldorf-Derendorf, dann bringt sie ein Zug mit 1000 anderen Juden der Region in das Konzentrationslager Theresienstadt. Als "Altersghetto" für die Juden bezeichnen die Nazis das Lager Theresienstadt, das für viele Krefelder Juden den Tod bedeutet. Für die Autoren des fünfbändigen Werks "Krefelder Stadtgeschichte" bedeutet die Deportation vom 24. und 25. Juli "das eigentliche Ende für die noch in Krefeld lebenden Juden".

Am Mittag des 25. Juli werden die Krefelder Juden von Düsseldorf aus schließlich auf die 22-stündige Fahrt nach Theresienstadt geschickt. Zuvor raubte man ihnen auch mit Hilfe von Finanzbeamten ihre letzten Habseligkeiten. Alle sind damals über 65 Jahre alt. Ihre jüngeren Familienmitglieder sind entweder vor dem Krieg ausgewandert oder mit den vier anderen Deportationen zuvor "in den Osten abgewandert", um dort angeblich Straßen und Bahntrassen zu bauen. Nur Alte hält man zurück.

Erster Toter schon auf der Fahrt

Den ersten Toten des Transportes gibt es bereits während der Reise: Siegfried Strauß, ehemaliger Mitinhaber der Krefelder Seidenfirma Merländer, Strauß und Co., stirbt in der Nähe von Dresden. Andere sterben später im KZ Theresienstadt an Hunger, mangelnder Hygiene und den damit verbundenen Krankheiten. Die meisten werden am Ende noch in andere Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert und dort ermordet. So wird Richard Merländer in Treblinka am 22. September 1942 mit Abgasen aus einem Panzermotor erstickt.

Das Jahr 1942 bedeutet den vorläufigen Höhepunkt einer Reihe repressiver Maßnahmen gegen die Juden: Schon kurz nach der "Machtergreifung" am 30. Januar 1933 werden erste antijüdische Maßnahmen beschlossen, wie die "Krefelder Stadtgeschichte" berichtet. Der "Aktionsausschuss Krefeld" der NSDAP erlässt einen Boykottaufruf, wonach ab April 1934 "kein deutscher Volksgenosse mehr in jüdischen Geschäften einkaufen sollte". Es gibt erste Berufsverbote, die auch in Krefeld rigide umgesetzt werden.

Die Nürnberger Gesetze von 1935 führen dann zur endgültigen Ausgrenzung der Juden aus der Krefelder Gesellschaft — wobei die "Rassegesetze nicht nur Personen jüdischen Glaubens als Juden definierten, sondern auch solche, bei denen Großeltern Juden waren.

Eine weitere Eskalation erfährt die Judenverfolgung in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938. Um 22.30 Uhr erreicht die Anweisung zum Sturm von jüdischen Geschäften und Wohnungen die Kreisleitung der NSDAP am Bismarckplatz: Die Gebäude sollten gestürmt werden, Menschen sollten nicht zu Schaden kommen, wohlhabende Mitglieder der jüdischen Gemeinde sollten verhaftet werden. Die Synagoge an der Petersstraße, das Clublokal am Bleichpfad sowie 18 Geschäfte werden zerstört. 63 Juden werden verhaftet. Die 63 verhafteten Krefelder Juden werden ins Konzentrationslager Dachau gebracht, darunter wichtige Mitglieder wie Oberrabbiner Dr. Arthur Bluhm, der Gemeindevorsitzende Dr. Kurt Alexander und der gesamte Gemeindevorstand. Viele junge Juden emigrieren daraufhin, ältere fühlen sich als Krefelder und wollen bleiben. Doch der grausame Plan der Nazis lässt die Hoffnung sterben.

Die ersten Deportationen beginnen schon am 25. Oktober 1941: Fünfzig Personen zwischen 40 und 60 Jahren werden von der Krefelder Gestapo ausgewählt. "Umsiedlung" nennen die Nazis die Aktion; die betroffenen Juden waren vorher informiert worden. Am 11. Dezember 1941 werden 144 überwiegend jüngere Juden nach Riga abtransportiert. Am 22. April und 15. Juni 1942 werden abermals 149 Krefelder Juden verschleppt, über Izbica in die Vernichtungslager Belzec und Sobibor.

Die Vernichtungsmaschinerie der Nazis in Krefeld gipfelt schließlich in den Deportationen des 24. Juli — unter den deportierten Juden befindet sich auch Richard Merländer, Seidenhändler und ehemaliger Eigentümer des Hauses Friedrich-Ebert-Straße 42. In seinem damaligen Wohnhaus befindet sich heute die NS-Dokumentationsstelle der Stadt Krefeld.

Als Letztes werden dann die "Juden" deportiert, die mit einem nichtjüdischen Ehepartner verheiratet waren. 33 jüdische Mischehepartner und einige ihrer Kinder werden am 17. September 1944 deportiert.

Befreiung im Mai 1945

Ins Lager Theresienstadt werden von 1941 bis 1945 140 000 Deportierte gebracht, 33 000 Juden sterben dort, 88 000 werden in danach in andere Vernichtungslager gebracht. Im Mai 1945 wird Theresienstadt durch die Rote Armee befreit. Einige Krefelder Juden erleben diese Befreiung noch mit.

(RP)
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