Krefeld Ein Anstoß fürs Leben

Krefeld · Der Verein zur Beschäftigungsförderung engagiert sich für Jugendliche, die es schwer haben, im regulären Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Die jungen Leute brauchen eine Struktur für den Tag und Zutrauen zu sich.

 Bringen den Garten der Alten Kirche auf Vordermann: Lena Junker, Franz Lennartz und Justin Brzezinski arbeiten bei „Anstoß“.

Bringen den Garten der Alten Kirche auf Vordermann: Lena Junker, Franz Lennartz und Justin Brzezinski arbeiten bei „Anstoß“.

Foto: Lothar Strücken/LOTHAR STRUECKEN

„Die Schwächsten unterstützen, das ist unser Leitsatz“, fasst Markus Lechner, Geschäftsführer des „Anstoß e.V.“ die Arbeit seiner Beschäftigungsinitiative zusammen. Als Garten- und Landschaftsbaumeister kann er mit Hilfe vieler – hauptsächlich ehrenamtlicher – Helfer seit 20 Jahren Jugendlichen eine Zukunftsperspektive vermitteln, ihnen also einen „Anstoß“ geben, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Dabei geht es vor allem um Menschen, die nicht gerade zu den Gewinnern auf dem Arbeitsmarkt zählen, also junge Erwachsene, die eine Förderschule besucht, alleine keinen Ausbildungsplatz gefunden haben oder sozial benachteiligt sind.

 „Die Schwächsten unterstützen, das ist unser Leitsatz“: Markus Lechner, Geschäftsführer des „Anstoß“-Vereins.

„Die Schwächsten unterstützen, das ist unser Leitsatz“: Markus Lechner, Geschäftsführer des „Anstoß“-Vereins.

Foto: Strücken,Lothar/Strücken, Lothar (slo)

Diesen bietet „Anstoß“ die Möglichkeit, einen Minijob auf 450-Euro-Basis im Garten- oder Landschaftsbau oder im auch zu „Anstoß“ gehörenden Fahrrad-Recyclingladen zu absolvieren oder alternativ ein sechsmonatiges Praktikum zu machen, das auf ein Jahr verlängert werden kann. Menschen, die aus eigener Kraft kaum mehr am Arbeitsleben teilnehmen können, bekommen bei „Anstoß“ eine Chance auf einen neuen Anfang. Dies kann durchaus ein ehemaliger Krimineller, Drogenabhängiger oder Alkoholiker sein. Auch unter schwierigen Voraussetzungen besteht die Möglichkeit, als Zusatzjobber zu arbeiten, die früher Ein-Euro-Jobber hießen.

Auch wenn die Verdienstmöglichkeiten weder als Minijobber noch als Praktikant oder Zusatzjobber hoch sind, ist ein solcher Schritt sehr wichtig für die neuen Mitarbeiter, denn „sie haben dadurch eine Tagesstruktur“, betont Markus Lechner, und Alfred Kuhn, der ehrenamtliche Vorsitzende, erklärt, dass die Unterstützung durch „Anstoß“ noch weiter geht: „Ich organisiere die Verbindung der Zusatzjobber zum Jobcenter, kümmere mich pädagogisch und menschlich darum, wenn etwas im Argen liegt, und begleite sie in der Zeit bei uns.“

Obwohl ein Einstieg in die „normale“ Arbeitswelt gerade bei solchen Problemfällen, denen „Anstoß“ eine Chance gibt, extrem schwierig ist, ist dies in den letzten vier Jahren zweimal gelungen.

Aber die positive Auswirkung der „Anstoß“-Unterstützung kann auch noch ganz anders aussehen. Dies zeigt das Beispiel eines Mitarbeiters des zu „Anstoß“ gehörenden Fahrrad-Recyclingladens, der 2001 als zweiter Teil von „Anstoß“ gegründet wurde. Hier werden aus den noch funktionstüchtigen Teilen alter Fahrräder neue, fahrbereite Räder hergestellt.

Damit keine gestohlenen Räder abgegeben werden, müssen die Fahrräder zuerst schriftlich erfasst werden. Diese feste Aufgabe übernahm seit 2005 mehr als ein Jahrzehnt lang einer der ersten „Anstoß“-Zusatzjobber. Obwohl dieser mittlerweile in Rente ist, arbeitet er seit 2017 weiterhin ehrenamtlich dort mit, wie übrigens noch ein weiterer ehemaliger Zusatzjobber.

Neben dem Fahrradladen, der „versucht, sich selbst zu tragen“, wie Alfred Kuhn erläutert, leistet gerade auch der Garten- und Landschaftsbau „GaLa“ mittels festangestellter Fachkräfte, die es außer den Beschäftigten der Initiative natürlich auch geben muss, professionelle Arbeit, die zu marktgerechten Preisen angeboten wird. Markus Lechner erklärt, dass die Angebote der GaLa-Initiative „wettbewerbsfähig sein“ müssen, sie aber auch nicht durch Dumpingpreise „anderen den Job wegnehmen“ wollen.

Im Garten- und Landwirtschaftsbereich bietet er als Meister auch Ausbildungsplätze an. Ab 1. September werden wieder zwei Azubis bei „Anstoß“ ihre dreijährige Ausbildung beginnen. Einer von beiden hätte außerhalb von „Anstoß“ wohl kaum eine derartige Chance bekommen.

Natürlich bedeutet eine so umfassende Aufgabe wie die Geschäftsführung auch immer viel Engagement, auch zeitlich. Eine 60-Stunden-Woche ist keine Seltenheit, gibt Markus Lechner zu. „Dazu gehört auch viel Idealismus“, erklärt er weiter.

Dass er diesen besitzt und mit Herz und Verstand bei der Sache ist, erkennen seine Schützlinge auch daran, dass er in der Vergangenheit auch schon mal einem ehemaligen Azubi aktiv bei familiären Schwierigkeiten geholfen und sich sogar um Nachhilfe für dessen schulische Probleme gekümmert hat.

Gerade weil die Aufgabe des hauptamtlichen Geschäftsführers so umfassend und vielfältig ist, ist „Anstoß“ bereits jetzt auf der Suche nach einer personellen Lösung für die Zukunft, wobei es angedacht ist, die Leitung auf mehrere Schultern zu verteilen. „Wir würden uns freuen, wenn sich ein engagierter Garten- und Landschaftsmeister oder eine -meisterin bei uns melden würde“, sind sich Kuhn und Lechner einig – damit auch in den nächsten 20 Jahren möglichst viele Menschen einen „Anstoß“ für ihr zukünftiges Leben bekommen.

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