Krefeld 100-Tonnen-Bohrer für den Saxhof

Krefeld · Die Sanierung des Bodens am Saxhof hat begonnen: Die Aktion ist eine technische Spitzenleistung: Erdreich wird bis in eine Tiefe von 15 Meter mit einem 100 Tonnen schweren Spezialbohrer ausgetauscht. Für die Anwohner bricht ein hartes Jahr an.

Es ist die größte Sanierung in der Geschichte Krefelds: Der Boden rund um 22 Häuser am Saxhof wird bis in eine Tiefe von 15 Metern ausgetauscht – alles muss raus, Gärten inklusive. Die Häuser stehen auf dem Gelände einer ehemaligen Großreinigung; der Boden dort ist belastet. Im Jahr 2009 begann Teil eins der Sanierung mit einer sogenannten Bodenluftabsaugung. Doch das reichte nicht: "Irgendwann stand fest: Der ganze Kladderadatsch muss raus", sagt Umweltamtsleiter Helmut Döpke im RP-Gespräch. Hinter dem lapidaren Satz stehen eine bautechnische Spitzenleistung und eine geologisch interessante Geschichte: Eine Lehmschicht 15 Meter unterhalb Krefelds verhinderte Schlimmeres.

Rückblick: 1972 schließt die Großreinigung Froitzheim auf dem Gelände am Saxhof; die Gebäude werden abgerissen; 1977 bis 1979 entstehen dort Reihenhäuser. Jahrzehnte später kam heraus: Der Boden ist mit "leichtflüssigen halogenierten Kohlenwasserstoffen" belastet. "So etwas ist relativ leicht mit einer Bodenluftabsaugung zu sanieren", sagt Döpke. Die Maschinerie dazu wurde 2009 in Betrieb genommen; doch schließlich wurde Schweröl im Boden entdeckt. "Schweröl bindet leichtflüchtige Stoffe", so Döpke. Damit stand fest: Die Bodenluftabsaugung würde nicht reichen.

Doch wie schafft man Erdreich in einer Reihenhaussiedlung bis in eine Tiefe von 15 Metern weg? Die Wahl fiel auf ein Verfahren, für das man einen 100 Tonnen schweren Spezialbohrer braucht. Das Großgerät holt aus dem Boden Bohrkerne mit einem Meter Durchmesser heraus; das Loch wird gleich wieder mit sauberer Erde verfüllt. So wird also am Saxhof kein 440 Quadratmeter großes und 15 Meter tiefes Loch zu sehen sein – Kreis für Kreis wird die verseuchte Erde abgezapft und ersetzt. Dass die Erde direkt unter den Gebäuden nicht weggeschafft wird, gilt unter den Fachleuten als unproblematisch.

Gebohrt wird im "Pilgerschrittverfahren": zwei Schritte vor, einen zurück. Heißt: Man bohrt zwei Löcher auf Lücke und dann im Zwischenraum – bei leichter Überschneidung der Durchmesser, damit wirklich die komplette Alt-Erde herausgeholt wird. "Das Verfahren ist vielfach erprobt", sagt Döpke, "man verwendet es etwa bei der Anlage von Fundamenten in großer Tiefe oder beim Brückenbau." Damit es in der Nähe der Häuser keine statischen Probleme gibt, werden die Löcher an den Häuserkanten mit einem "sich verfestigenden Spezialmaterial" verfüllt, so Bernhard Plenker vom Fachbereich Umwelt. Effekte wie in Köln, wo Gebäude neben der U-Bahn-Baugrube ins Rutschen kamen und einstürzten (darunter das Stadtarchiv), wird es also nicht geben. Um die Häuser vor Verschmutzung zu bewahren, werden die Fassaden mit Folie abgehängt. Dass die Sanierung nur bis in eine Tiefe von 15 Meter nötig ist, ist einer Tonschicht zu verdanken, die in einer Zwischeneiszeit entstanden ist. Diese Schicht schließt den Boden nach unten hin ab.

Bevor der Großbohrer kommt, kommen allerdings die Bagger. Sie transportieren das Erdreich bis zu einer Tiefe von 2,50 Meter ab. Die Bagger sind es also, die den Gärten dort den Garaus machen. Jeder, der schon mal ein, zwei Bandscheiben bei der Anlage eines Gartens zerschlissen hat, wird zusammenzucken.

Doch die Anwohner werden, wenn alles vorüber ist, nicht in einer Erdwüste hausen müssen: "Die Gärten wurden von einem Garten- und Landschaftsbau-Büro fotografiert und dokumentiert", sagt Döpke; die Anwohner konnten wählen: Entweder wird der Garten wieder in seinen ursprünglichen Zustand versetzt – oder die Eigner können sich den Gegenwert auszahlen lassen und den Gartenraum neu gestalten. Das alles liest sich so glatt weg. Den Anwohnern steht ein hartes Jahr bevor. Die Stadt geht davon aus, dass die Gärten ab Frühjahr 2013 wiederhergestellt werden. Die Hausbewohner haben das Angebot bekommen, während der Sanierungsphase eine Ersatzwohnung zu beziehen; einer habe das Angebot angenommen, sagt Döpke. Die Übrigen harren lieber zu Hause aus.

Die Leute, so beschreibt Döpke die Stimmung unter den Anwohnern, wollen, dass es jetzt endlich losgeht. Übers Jahr haben sie dann wieder ihr altes Leben zurück – auf unbelastetem Grund und Boden.

(RP)
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