Korschenbroich Über Grenzen
Korschenbroich · Ein Austauschprogramm nach dem Mauerfall führte Klaus Kasseck und Gottfried Albert zusammen. Seither unternehmen die Freunde Jahr für Jahr lange Radreisen. Die jüngste führte sie von Usedom nach Litauen.
Durchs Frische Haff nach Frauenburg, wo Kopernikus starb, kreuzt keine Fähre mehr vorm neuen Tag, wer weiß schon, warum. Mit seinen russischen Brocken schlägt sich Gottfried Albert (68) zu einem Kutter durch. Klaus, der Freund, bleibt erstmal zurück. Der Fischer spricht kein Wort, seine Frau erledigt das für ihn. Als die Überfahrt abgemacht ist, bekommt Klaus Kasseck (69) sein Rad gerade noch aufs Deck geschoben. Der Fischer wartet nicht.
Die Geschichte einer Reise von Usedom nach Litauen, eines großen Abenteuers zweier Gefährten, beginnt jedoch nicht mit zwei Fahrrädern. Sondern mit dem Trabbi, der 1989 unter neugierigen Blicken knatternd in die Peter-Gens-Straße einbog. Drinnen saß Gottfried Albert mit seiner Frau und den zwei Kindern, alle erschöpft nach der langen Fahrt aus dem Vogtland, der ostdeutschen Region.
Die Korschenbroicher Gastfamilie
Die Kassecks waren Gastfamilie, vermittelt über die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft, die gleich nach dem Mauerfall den Westen für den Osten zu öffnen suchte. In Korschenbroich trafen dann zwei Ingenieure zusammen, die Freundschaft schlossen. Und die seit 1992 alljährlich gemeinsam mit dem Rad reisen, Tausende von Kilometern weit.
860 Kilometer sind es von Usedom nach Litauen, nach Memel auf der Kurischen Nehrung. Jedenfalls entlang der Ostseeküste. Zehn Tage brauchten sie, jeden Nachmittag bis 16 oder 17 Uhr, anschließend Quartiersuche. "Wer Abenteuerlust in sich hat . . .", hebt Kasseck zu erklären an, berichtet dann aber, wie glatt die Reise lief, nur am ersten Tag Regen, erst am letzten ein Platten und an den Grenzen, auch der polnisch-russischen, problemlose Passagen, Pass vorgezeigt und durch. Vielleicht half ja der Eindruck, den die deutschen Radfahrer auf zerfurchten Wegen in der Fremde auf die Grenzbeamten machten. "Als würden wir durch die Sahara fahren", sagt Kasseck. So erwiesen sich die Sorgen der Freunde daheim als grundlos — "Hoffentlich werdet ihr nicht überfallen!"
Auf der Strecke über Danzig und Königsberg, wo Kassecks Vater studierte, nach Litauen liegt auch: Kolberg. Die pommersche Heimat hat Klaus Kasseck schon nach der Wende mit Mutter und Tante besucht, vor sechs Jahren noch einmal mit seiner Frau, im Auto. Aber auch die neuerliche Wiederkehr war eine Freude und, ja, auch ein Anlass gewesen für gerade diese Route. "Vor allem aber war es mein Traum seit dem Zerfall des Ostblocks, diese Gegenden einmal mit dem Fahrrad zu erkunden", erzählt Kasseck.
Früher war er beruflich viel im Ausland unterwegs, seither ist die Verständigung weniger mit Sprache als mit Skizzen, Händen und Füßen nichts, was ihn das Ferne, Unbekannte meiden ließe. Und was ihm damals half, hat ihn zugleich vorbereitet auf Situationen wie in dem Privatquartier bei Danzig. Außer Polnisch kannte die Wirtin nur ein wenig Russisch, aber die Sprache höre man nicht gern in Polen, sagt Kasseck. Erst ein Anruf der Frau bei der Mutter in Bremen, erst durch diesen Brückenschlag gelangten die Männer auf ihre Zimmer.
Kasseck, der zielstrebig schildert, widmet dieser Begebenheit größere Ausführlichkeit. "Es war einer der spannendsten Momente."