Lebensmittelhandel in Steinforth Bei „Tante Gertrud“ gab es keinen Plastikmüll

Steinforth · Früher gab es kaum Plastikmüll in Lebensmittelläden. Kunden brachten Gefäße zum Ab- und Einfüllen mit. Alles andere kam in Papiertüten. So wie früher bei „Tante Gertrud“ in Steinforth. Ein Rückblick.

Was war das damals noch für eine heile Welt, als es in Steinforth bis in die 1950er Jahre den Lebensmittelladen von „Tante Gertrud“ gab. Wer bei Gertrud Koch beispielsweise Öl, Essig oder Maggi kaufte, brachte ein entsprechendes Gefäß zum Einfüllen mit und unbedingt auch eine Einkaufstasche – Lebensmittel wie Sauerkraut und Schnibbelbohnen aus dem Fass oder saure Gurken wurden zum Verkauf in mitgebrachte Gläser umgefüllt – ebenso Rübenkraut oder Vierfruchtmarmelade, die die Ladeninhaberin Gertrud Koch in Zehnliter-Eimern bevorratete. Tomaten aus Marokko und Apfelsinen gab es immer nur im Winter und natürlich lose – wie generell alles Obst und Gemüse.

 Ähnlich könnte es bei „Tante Gertrud“ ausgesehen haben.

Ähnlich könnte es bei „Tante Gertrud“ ausgesehen haben.

Foto: RP/Paul Köhnes

Ein Highlight besonders für Kinder waren die Süßigkeiten. Der Ur-Steinforther Theo Esser weiß noch genau: „Seitlich auf der Theke standen gläserne Behältnisse genau in unserer Augenhöhe – voll gefüllt mit Bonbons! Ein Bonbon kostete einen Pfennig, und man konnte sie einzeln kaufen. Das Tollste waren Lutscher am Stil.“ Der inzwischen 86-Jährige schwelgt in Erinnerungen: „Solch einen Lutscher für fünf Pfennig haben wir uns einige Tage aufgeteilt – der wurde immer wieder weggepackt.“ Eine ganz besondere Köstlichkeit war natürlich Markenschokolade – 100 Gramm kosteten 1,30 Mark.

Plastikverpackung gab es damals überhaupt nicht. Esser: „An der Seitenwand hing am Haken aufgereiht ein Packen brauner, spitzer Papiertüten. In die wurden Einkäufe wie Mehl, Haferflocken, Linsen, Erbsen und weiße Bohnen verpackt.“ Mitgebracht und benutzt wurden diese Tüten so lange, bis sie sich auflösten. Flüssiges kam in eigene Krüge oder Flaschen, Festes in Papiertüten, die meist in Heimarbeit gefertigt wurden. „Anders als heute, wo man in Plastikmüll erstickt“, sinniert Esser. Er weiß, dass es im Hinblick auf jährlich 17,8 Millionen Tonnen Plastikmüll und vermüllte Ozeane ernsthafte Bestrebungen gibt, wieder ähnlich arbeitende Läden wie damals zu betreiben. Auch gibt es längst  Produktionen, die wieder völlig plastik-partikelfreie Seife, Wimperntusche, Zahnpasta, Kaugummis, Putzmittel und tausende Dinge des Alltags herstellen – ganz so, wie es sie damals bei „Tante Gertrud“ im Haus an der Straße „Steinforth 60“ zu kaufen gab.

Fotos vom Laden „Tante Gertrud“ gibt es offenbar nicht. Sollten Sie welche haben, schicken Sie uns diese bitte zu: redaktion@ngz-online.de.

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